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I

134 Selbst angezeigt und verhaftet.

Selten wird Jemandem folgendes kleine Abenteuer passiren,
welches ich vor Kurzem in Wien dnrchmachte.

Ich reiste von Dresden nach der alten Kaiserstadt, meine
Brieftasche mit eintausend Thalern in zehn Hundcrtthäler ge-
füllt, um eines Theils mehrere Geschäfte abzuwickeln, andern
Theils mich „wienerisch" zu amüsiren.

Nach Ankunft benutzte ich einen Omnibus und als ich
solchen verlassen hatte, bemerkte ich zu meinem Schrecken, daß
meine Brieftasche sammt Inhalt verschwunden war.

Meine Verlegenheit kann sich Jedermann erklären, denn
es tvar meine einzige Baarschaft, welche ich mir in Wien um-
wechscln lassen wollte, das wenige Kleingeld war während der
Fahrt bereits aufgegangcn.

Es gab nur zwei Möglichkeiten, auf welche Weise das
Geld verschwunden war, cntioeder verloren oder gestohlen.

Ich eilte sofort auf die Direktion der Omnibusgesellschaft,
theilte den Verlust mit und hintcrließ die Adresse meines Hotels,
in welchem ich absteigen wollte, damit, im Falle die Brieftasche
vorgefunden werden sollte, man mich zu finden wußte; von dort
aus eilte ich zur Polizei, um derselben Anzeige zu erstatten, im
Fall ein Langfinger oder ein unredlicher Finder mit dem Gelde
ertappt werden sollte. Mit Bereitwilligkeit nahm man mein An-
liegen entgegen und theilte sofort den Wechslern und Banquiers
j Ordres aus, sobald Jemand, gleichviel "Voer, Courantnoten
ä 100 Thaler umwechseln wolle, solchen auf geschickte Weise der
Polizei zu überliefern.

Mau glaubte dadurch am ehesten auf die Spur zu kommen
und war ich einigermaßen beruhigt.

Ich schleuderte durch die Straßen, um nach meinem Hotel
zu kommen, damit ich nach Hause um neue Casse telegraphiren
! und schreiben konnte, im Fall das Verlorene nicht mehr ans
Tageslicht kommen würde und ich nicht ohne Subsistenzmittel
dasitze. Der Oberkellner empfing mich mit den in Hotels eigen-
thümlichen Ccremouien und frug sofort, sein Gesicht voll Neu-
gierde strahlend, nach meinem Namen.

Rach meiner Antwort bat er mich, in den Speisesaal zu

kommen und bei meinem Eintreten kam mir derselbe Omnibus- !
Conducteur, mit welchem ich heute gefahren, entgegen, mich um !
meinen Namen und Legitimation bittend und überreichte mir !
darauf meine vermißte Brieftasche in demselben Zustande, wie
ich sie verloren.

Ein Stein fiel mir vom Herzen und über die Ehrlichkeit |
des Mannes hocherfreut, hätte ich ihn am liebsten umarmt,
wenn nicht so viele müssige Zuschauer sich im Saale befunden >
Hütten.

Er erzählte mir, daß er nach meinem Aussteigen die Brief-
tasche unter der Bank gefunden, der Direction Anzeige gemacht
und meine Adresse dort erfahren habe.

Es tvar ein armer Familienvater und wiewohl er sehr beschei-
den auftrat, hielt ich es für meine Pflicht, ihm den rechtmäßigen
Finderlohn, den zehnten Thcil zu gebe», was ich um so lieber
that, als ich es mit einem Manne zu thun hatte, welcher sich's
redlich verdient und cs auch brauchte. —

Nun mußte ich mir österreichisches Geld verschaffen; ich
eilte deßhalb auf den Graben in ein Wechslergeschäft. Ich legte
zwei Hundertthalerscheinc hin und bat um Umwechslung.

Der Commis ersuchte mich, einen Augenblick zu verziehen,
da er erst nach dem nettesten Course im Nebenzimmer nachsehen
wolle. Nach ohngefähr fünf Minuten kam der Sohn des Mercurs '
zurück und bat mich, in das Zimmer des Chefs zu kommen, .
welche Bitte ich sofort erfüllte.

Bei meinem Eintritt schritt mir ein Polizeiwachmatin ent-
gegen, welcher mich ersuchte, ihn auf die Polizei zu begleiten.

Es wurde mir bedeutet, daß von der Polizei ein Diebstahl
von zehn Einhundertthalernoten an das Geschäft avisirt worden 1
ist mit dem Ansuchen, eine jede Person, welche dieselben prü- i
sentirt, der Behörde zu überliefern.

Jetzt wurde mir Alles klar und ich konnte ein Lachen nicht

unterdrücken, daß ich mich selbst indirect angezeigt hatte und
nun dem polizeilichen Ansuchen entsprechen mußte, in meinen Ge-
danken das alte Sprichwort: „Wer Andern eine Grube gräbt,
fällt selbst hinein" hersagend.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Selbst angezeigt und verhaftet"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Diebstahl
Verwechslung
Strafanzeige
Wien
Geld
Missverständnis
Speisesaal
Geldbörse
Hotel
Karikatur
Polizei
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1371, S. 134
 
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