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18

Geschriebene Bilder.
Von
Emile Mario Vocano.

4. Jeltanne ile CastW.
(Porträt.)
Madame cksbanns äs Oastilts ist von Meister Usrs^ ^
Oombrss aus Holz gemalt nach der Natur. Sie trägt den
schweren schwarzen Sammtschleier der damaligen Mode, welcher
den Kops steif und unbeweglich an die Achseln fesselte. Der
Leib ist ihr eingepreßt in ein Mieder aus Eisen, welches mit
purpurrothem Sammt überzogen ist. Die weiten Ueber-Aermel
quellen bauchig an den Seiten hinab. Die Arme selber sind
in schmale weißatlaßne Röhren gezwängt, welche die Hände bis
zu den Fingerknöcheln bedecken, als ob sie Kreuzeswunden zu
verbergen hätten. Die mageren, wachsartigen Finger strotzen
von Siegelringen und Goldreifen, und sind fest ineinander
gefaltet, wie bittend, oder als wollten sie sich mäßigen, wie
Wahnsinnige thun, wenn sie den Ausbruch ihrer Verzweiflung
oder ihren Schmerzensschrei kaum länger zurückhalten können
vor dem grausamen Wärter, welcher sie dafür mit der Peitsche
bestrafen wird.
Ihr Gesicht ist ungewöhnlich schmal, und weiß wie das
einer Todten. Aus diesem weißen Gesichte starren wie Hilfe
suchend sonderbar funkelnde, becrenschwarze Augen hervor. Die
Nase ist fein geschnitten, aber die Nüstern sind leise geschwellt.
Der Mund ist winzig klein und giftbeerenroth und fest geschlossen
wie ein Gefängnißthor.
Madame ckstmnns Lo OustiUs ist die Gemahlin Philipp's
des Schönen gewesen, des ältesten Sohnes Kaiser Maximilian
des Ersten. Der „schöne Prinz" war dick, weißhäutig und
fahlblond, und seine kleinen Aeuglein hatten die Farbe des
Spühlichts; er wurde der Schöne genannt und hielt sich dafür.
Er beglückte die arme Prinzessin von Castillien mit seiner Hand
und wollte natürlich von ihr angebetet werden für diese Gnade.
Er war der langweiligste Geck, der jemals eine Krone getragen
hat. Die Chroniken haben ihn stets nur vor seinem Spiegel
gesehen. Madame cks'tmnnö äs OustiUs aber liebte einen Ritter
ihres Hauses. Und von der Stunde an, wo sie mit ihrem
Gatten vor den Traualtar treten mußte, ward sic tiefsinnig und
betrübt.
Betrübt aber so lange nur, bis sie ein Mittel gefunden hatte,
um mit ihrem Cavalier zusammen zu kommen, in einem Schlößchen
am Mazanares, wo die Etikette nicht so strenge war und die
Dienerschaft nicht so zahlreich, und welches umrauscht wurde
von Myrtengebüschen und in dessen geöffnete Fenster das Murmeln
des mondglitzernden Flußes rauschte.
Philipp der Schöne schlummerte unterdessen iri seinem
Zimmer langsam ein vor seinen Spiegeln im Bewußtsein
j seiner Schönheit. Eines Tages aber wurde er mit seiner
I Nacht-Toilette früher fertig als gewöhnlich. Er trug eine blaue
lange Seidenrobe, rosafarbige Schuhe und ein Haarnetz aus
Golddraht. Er fragte nach der Königin. Aber die Königin
war in ihrem Betzimmer und dachte den König mit seiner
unendbaren Toilette beschäftigt.
Philipp ging im zierlichsten Tänzerschritte dem Zimmer der

Königin zu, und überraschte sie dort an der Seite des Grafen
Carlos, wie sie der an beiden Händen hielt, und wie sie ihm
leise, leise Worte in's Ohr flüsterte, obwohl sie sich allein
wähnten. Was für süße Worte müssen das sein, welche man
nur summt, selbst wenn man allein ist — zu Zweien! —
Philipp der Schöne ergclbte in seinem dicken Gesichte
unter seiner Schminke. Daß man ihm treulos werden konnte,
ihm, der Krone der Schöpfung, das war mehr als Hochverrath,
das war Wahnsinn! Er fegte den Grafen Carlos mit einer
Handbewegung fort, um ihn in der nächsten Stunde seinen
Sbirren zu überlassen. Seine Gattin aber zwang er zu seinen
Füßen nieder, wobei er fast unbewußt Acht gab, daß er seinen
Anzug nicht in Unordnung brachte.
„Sie sind wahnsinnig, und Sie müssen bewacht werden!"
sagte er mit heiserer, harter Stimme und mit dem kleinsten
Munde.
„Philipp, Philipp, was willst Du thun? O tödte mich,
nur gib mich nicht der Schande Preis!" stöhnte das entsetzte
Weib. „Ich habe Dir ja gestanden, daß ich Dich nicht lieben
könne! Und er ist unschuldig! O Philipp, wenn Du ein Mensch
bist, tödte mich und räche Dich nicht an ihm!"
„Ich mich rächen! Aber ich habe ja nichts zu rächen,
nichts anzuklagen!" zischte er, grausam mit seinen kleinen lichten
Augen blinzelnd. „Ich werde Sie einfach bewachen lassen —
denn Sie sind ja wahnsinnig!" Sie schrie auf und starrte
ihn sprachlos an. Er läutete die Diener herbei und neigte
sich zu ihrem Ohre: „Wenn Sie nicht wahnsinnig sind,
dann stirbt er heute noch, zu Tode gemartert Glied für Glied, daß
er zollweisc stirbt wie ein Hochverräther, der er ist! . .. Sie sehen,
wie gütig ich bin. Ich schenke ihm und Ihnen das Leben, indem
ich Ihnen erlaube, verrückt zu sein."
Von dieser Stunde an hieß es, daß Madame ckotmnns
wahnsinnig sei, und sie wurde in einem festen Schlosse bewacht,
und die Geschichte nennt sie Jehanne die Närrische. Als Philipp
starb und Carlos der Erste ihm folgte auf dem spanischen Throne,
besuchte er seine Mutter in ihrer Haft. Er hatte eine lange
Unterredung mit der wahnsinnigen Königin. Und sie blieb in
ihrem einsamen Kerker; Carlos aber machte den Grafen Carlos
zu seinem ersten Minister, dem er eine seltsame Verehrung zeigte
überall, wo er sich unbeobachtet wähnte.
5. Es ist «las HlsümUrlmns.
(Genrebild.)
Der Sonnenmittag liegt blöde und gluthenheiß über der
hügeligen Wiese, welche das Städtchen umgiebt. Nur dürre
Weidenbäume ragen hie und da empor. Die Mauern des
Schinderhauses sind gleichsam weißglühend vor Sonnenhitze, und
die alten Schindeln seines Daches erscheinen wie verkohlt.
Es ist das Schinderhaus. Kein ausgebahnter Weg führt
über die sumpfige Wiese und durch das Unkraut hierher. Nur
die Räderfurchen des Wagens, auf welchem man das gefallene
Vieh herbeiführt, und Fußspuren.
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