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Die Hochzeitreise.

„Nun denn, an Ihrem Hochzeittage dürfen Sie mir diese
Ehre nicht verweigern."
„Mein Fräulein, die Ehre — "
„So kommen Sie doch, wir verplaudern die schöne Zeit!"
Sorglos lächelnd bot Franz der jungen Dame den Arm.
„Sei so gut und bitte Elise, sich noch einige Minuten
! zu gedulden," wandte er sich zu seinem Freunde, „ich werde
^ sogleich kommen."
Eine Minute später walzte das Paar nach dem Takt
der Musik durch den Saal.
Und wieder eine Minute später vernahm man einen lauten
Knall, dem ein gellender Schrei folgte.
Die schaukelnde Bewegung hatte den Feuergeist in der
I Champagnerslasche entfesselt, der kleine Teufel schleuderte den
Pfropfen der Dame, welche hinter dem jungen Ehemann tanzte,
I in's Gesicht und begoß ihren Tänzer mit dem schäumenden Naß.
Die Musik schwieg, alle Anwesenden eilten der halb ohnmäch-
^ tigen Dame zu Hülfe, und die Verwirrung benutzte Franz, um
sich nach kurzem Abschied von seiner Dame unbemerkt zu
entfernen.
Er sprang hastig in den Wagen, warf sich in die Polster
und ließ seiner Lachlust die Zügel schießen.
„Das ist ein schönes Benehmen," ließ sich eine feine
Stimme in zürnendem Tone vernehmen, „hätte ich das vor-
aussehen können, so würde ich —"
„Schaß, was würdest Du?" fragte der junge Mann heiter,
als die Stimme plötzlich verstummte. „Mich nicht geheirathet
haben? Das ist köstlich! He — aber da fällt mir ja ein, mein
schöner Wein ist hin — hmhm, es wäre doch besser gewesen,
! wenn — aber es war gar zu komisch!"
„Lache doch nicht so unvernünftig!" zürnte die junge Frau.
„Was wird der Kutscher denken? Er mag ohnehin schon einen
! schönen Begriff von einem Manne haben, der so wenig Rück-
sicht auf seine Frau am Hochzeittage nimmt."
„Schatz, das klingt ja wie eine Strafpredigt!"
„Du hast sie verdient."
„Aber wir haben ja Zeit genug."
„Das ist einerlei. Du durstest mich nicht warten lassen."
„Fräulein Sommer — "
„Weshalb hast Du sie nicht geheirathet?"
„Elise, dieser Vorwurf —"
„Rechtfertige Dich nicht, es thut mir sehr leid, daß Du
so wenig Rücksicht auf mich nimmst."
„Bist Du eifersüchtig?"
„Bewahre, ich werde auch meinen eignen Weg gehen und
mich an Rücksichten nicht binden."
„Das wird eine heitere Reise werden," seufzte Franz.
„Bin ich denn wirklich ein so großer Verbrecher, daß —"
„Ach ja, Du hast immer Recht," fiel die zürnende Stimme
mit scharfer Betonung ihm in's Wort, „ich muß schweigen.
Bei anderen Damen kannst Du liebenswürdig sein, ich werde
in den Staub getreten."
„Lieber Himmel, es ist ja nicht der Mühe werth, daß
wir uns zanken," begütigte Franz sein schmollendes Weibchen,

„ich hatte Fräulein Sommer eine Extratour im Walzer ver- -
sprachen." >
„Das schickte sich nicht, und —"
„Zugegeben, aber es war einmal geschehen, und ich mußte
mein Wort einlösen. Aber cs war komisch. Ich hatte eine ,
Flasche Champagner in die Rocktasche gesteckt, um Dir eine
Erfrischung mitzubringen."
„Mir? Als ob Du an mich gedacht hättest!"
„Mein Wort daraus!"
„Ich weiß es besser. Du hast heute Abend wieder genug
getrunken!"
„Schatz, ich bitte Dich, sei nicht ungerecht, ich dachte
wirklich nur an Dich."
Der Wagen hielt; Franz stieg aus und bot seiner jungen
Frau die Hand, sie nahm sie nicht, hastig schritt sie an ihm
vorbei in den Wartsaal.
Der junge Mann sah ihr verdutzt nach. Himmel, wie
finster war ihr vorhin noch so heiteres Gesichtchen! Ihre schönen
Augen hatten ihm einen wahrhaft vernichtenden Blick zugeworfen,
er glaubte nun beinahe selbst, daß er ein großes Verbrechern
begangen haben müsse.
Kopfschüttelnd folgte er ihr, das Gepäck nahm für einige!
Minuten seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, seine junge
Frau ließ sich nicht blicken.
Aber ein Portier brachte ihm den Befehl, daß sie ihre
Hutschachtel und die gestickte Reisetasche in den Wagen mit-
nehmen wolle.
Dieser Hutschachteln und Reisetaschen waren mehrere bei
dem Gepäck, Elise konnte als die Tochter reicher Eltern und die!
Gattin eines vermögenden Mannes sich den Besitz mehrerer Hüte ^
erlauben.
Das Signal zur Abfahrt wurde bereits gegeben, als Franz
mit Hutschachtel, Tasche, Reisedecken und anderen unentbehrlichen
Kleinigkeiten beladen, in den Wartsaal trat.
Die junge Frau war verschwunden, bestürzt suchte Franz
sie auf dem Perron, endlich fand er sie in einem Coups erster!
Classe.
„Die Aufregung hättest Du mir ersparen können", sagte
er unmuthig, „ich bitte Dich, in Zukunft —"
„Da habe ich schon wieder die Schuld", jammerte Elise.
„Statt mich um Entschuldigung zu bitten, daß Du mich im!
Wartsaal sitzen ließest, machst Dn mir Vorwürfe."
„Ich mußte für das Gepäck sorgen."
„Entschuldigungen haben die Männer immer! Wo ist;
meine Hutschachtel?"
„Hier."
„Himmel, ich wollte die andere haben."
„Das konnte ich nicht wissen."
„Ich ließ es Dir sagen, die Hutschachtel mit dem weißen
seidenen Hut!"
„Wenn der Hut ein Sauerbraten wäre, hätte ich ihn
vielleicht durch die Schachtel riechen können!" Platzte Franz un- !
bedacht heraus.
„Nun muß ich auch noch Grobheiten hören!" jammerte!
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