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Aus dem Tagebuch eines miocenen Anthropoiden.


Anschein hat, dann werden unsere Nachkommen wohl ohne
Haare ans die Welt kommen.
-l« *
Riesiger Katzenjammer. Wir kneipten bis zum Morgen.
Meine Freunde sind liebe Anthropoiden — wenn sie nur nicht so
entsetzlich lange sitzen bleiben und so ungeheuer viel trinken würden!
* *
>1-
Wunderbares Wirken der Zuchtwahl! Wie im Kampf nm's
Dasein Eins das Andere verdrängt! Tausend Blnthcn fallen
welk zur Erde, damit eine sich zur Frucht entwickeln kann! Ich
habe einen merkwürdigen Hang zu philosophiren. Meine Lala findet
mich oft entsetzlich langweilig. Aber ich kann nicht anders! Ich
sehein die Zukunft! Wie viele Jahrtausende werden hinschwinden
bis glücklichere Nachkommen das Wesen der Dinge ergründen!
* -I«
*
Neulich saß ich Abends auf unserer großen Platane. Ich
hatte Lala zwei Tage nicht gesehen und war sehr betrübt.
Meine Jugend zog an mir in meinen Gedanken vorüber.
Glückliche Zeit, da ich nur Aepfcl schüttelte und den Nüssen
nachsprang, die mir der Vater von den Bäumen zuwarf! Ich
mußte weinen und die Hellen Thränen mir mit dem Schweife
aus dem Gesichte wischen. Dann philosophirte ich wieder für
mich über Stoff und Kraft und schlief ein. Als ich erwachte,
graute schon der Morgen. Wie ich wegspringen wollte, fühlte
ich mich am Schweife festgehalten. Eine glasartige Masse hatte
meinen Schweif mit den: Aste der Platane verbunden. Ich
nahm alle Kraft zusammen, um mich losznreißen, was mir end-
lich gelang, aber nicht ohne heftigen Schmerz und den Verlust
eines Thciles meines Schweifes. Mich dnrchschanerte ein bis
dahin unbekanntes Gefühl der Kälte. Als ich nach einigen
Stunden, nachdem die Sonne anfgegangen war, nach der glas-
artigen Masse mich nmsah, war dieselbe zergangen. Ich muß
meinen alten Oberlehrer fragen, was das zu bedeuten hat?
* -i-
*

Lala ist schon wieder unwohl. In derselben Nacht, in
der mir das Abenteuer mit dem festgewachsenen Schweife be-
gegnet, erstarrte sic fast vor Kälte. Der Oberlehrer weiß auch
nicht die Sache zu erklären. Das Fallen des Thermometers
unter Null scheint die Annahme nahezulegen, daß die glasartig^
Masse Eis gewesen ist.
4- *
-I-
Thermometer zeigt 30 Kälte. So etwas ist noch nicht da-!
gewesen seit die Welt steht. Lala beklagt nun sehr, daß sie
gegen meinen Rath sich die Haare nnsgerissen hat. Sic ist oft
ganz blau vor Frost! Die nnwillknhrliche Kürzung meines
Schweifes findet Beifall! Ich meine, es wird die Zeit kommen,
Ivo wir uns den überflüssigen Appendix ganz abgewöhncn werden.
* -t-
-I-
Mein Onkel schreibt, er werde in wenigen Tagen bei uns
sein. Die Külte, welche seine Gegend plötzlich überfiel und
unbewohnbar zu machen droht, zwingt ihn mit tausend Mitaffcn
südlichere Gegenden anfznsnchen, wenn sic nicht verhungern wollen.
Sollte man glauben, daß zwei Breitegradc einen solchen Unter-
schied machen?! Bei uns ist es doch noch zum Existiren, wenn
uns auch die Külte viel Unbehagen verursacht.
^ rl-


Der Onkel ist angekommen. Wir Hütten ihn beinahe nicht !
mehr erkannt. Er hat sich sehr verändert! Seine Bewegungen
haben etwas Eigenthümliches, als wollte er auf. den unteren
Händen gehen. Er und viele seiner Freunde klagen über einen !
eigenthümlichen Schmerz in den Extremitäten, als sollten sich
ihre unteren Hände in Füße verwandeln! — Die Schilder-
ungen über die Noth, die sie durch die Kälte gelitten, sind
herzzerreißend. Die Wohnnngspreise steigen. Besonders Wohn-
ungen gegen Süden, welche viel Sonne haben, sind sehr gesucht.
Lala war wieder mehrere Stunden wie erstarrt. Die
Kälte nimmt zu! Lasse Alles erstarren, meine Liebe glüht —
ein ewiger Frühling!
* *
*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Tagebuch eines miocenen Anthropoiden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1476, S. 138
 
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