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Di e O-Miedl.

zwischen den beiden Fenstern seiner Stnbc gehangen hatte, aber
dieser war leider verschwunden. Da rief er die O-Miedl ans
der Küche herein, die eben eine kräftige Fleischsuppe für ihn

bereitete. „Miedl!" sagte er zu ihr, „warum hast Du mir den
Spiegel weggenommen?" Und als sie zögerte, ihm eine Antwort
zu geben, und nur erschrocken-verlegen an ihrer Schürze zupfte,
da fuhr er schmerzlich bewegt fort: „Ich bin wohl recht häßlich
'worden und geflickt, gelt? Nun, es macht nichts, wcnn's unser
Herrgott so hat haben wollen, muß cs mir auch recht sein.
Aber jetzt will ich mein Gesicht sehen!" setzte er bestimmt hinzu
und die O-Miedl mußte, sie mochte wollen oder nicht, den
Spiegel bringen. Nur einen Blick that er ans das Glas, dann
gab er ihr dasselbe schaudernd zurück und verbarg sein Antlitz
mit den Händen.

„Armer Sepp," schluchzte da die O-Miedl, hingerissen vom
Mitleid und ihre breite Hand wie tröstend auf seine Schulter
legend, „jetzt wird sie Dich am Ende nicht mehr mögen. Deine
Braut!"

„Die Sonncnwirthin?!" schrie wild auffahrend der Knauer-
Sepp und setzte, kräftig mit der Faust auf den Tisch schlagend,
hinzu: „Und war' aus meinem Gesicht nicht ein Fleckerl zu sehen
von der bösen Krankheit und war' ich zehnmal sauberer 'worden,
als ich's je früher gewesen, — das herzlose Weib, das mich in
meinem Leiden verlassen hat, die nehmet ich nicht, und wenn
sie auf ihren Kniecn vor mir Herumrutschen und meine Verzeih-
ung erbitten thät'!"

Der O-Miedl wurde mit cinemmalc entsetzlich leicht um's
Herz, just so, als wenn mau einen Berg recht mühsam hinauf-
gekraxelt ist und oben ausschnausen thut. Dann aber ging sie
ruhig wieder hinaus in die Küche, um für ihren Patienten das
Essen fertig zu kochen. —

Von dem Tag an wurde der Knaner-Scpp immer kräf-
tiger und frischer und am Christi-Himmclfahrt-Tage konnte er
schon seinen ersten Kirchengang unternehmen.

Die Sonncnwirthin hatte längst erfahren wie übel zuge-
richtet das früher so saubere Gesicht ihres Bräutigams worden
war und hatte mit vielen Empfehlungen und Entschuldigungen
den Verlobungsring zurückstellen lassen.

Der Knauer-Sepp that nur auflachen bei der Botschaft
und später verächtlich zu ihr hinüberschauen, als sie verlegen
und ängstlich den Blick von ihm abgewendet und während der
ganzen Messe die Nase fest in's Gebetbuch gedrückt hielt.

Nach dem heiligen Amte, — die O-Miedl war längst zu
Hause und hatte ihr Festtagskleid gegen ein einfaches Hausge-
wand umgetauscht und wollte jetzt eben ihre bescheidene Mahl-
zeit bereiten — trat der Knauer-Sepp zu ihr in die Stube.

„Miedl", sprach er da und seine Stimme zitterte ein
wenig, „ich möchte eine Frag' an Dich thun!"

„Red'", antwortete ihm die O-Miedl, und der Sepp
fuhr zögernd fort: „Sag', Miedl, bin ich wirklich sehr schiech
worden, so was man sagt: auschicch?"

Wie ein Blitz fuhr ihr da die Erinnerung an dasselbe
Wort, mit dem er sic einst dem Bohringer-Bauer gegenüber
bezeichnet hatte, durch den Sinn und ziemlich boshaft entgegnete
sie: „Ja, 's wird schon so sein!"

„So —?!" meinte er jetzt gedehnt und setzte langsam
hinzu: „Da wär' ich vielleicht sogar Dir zu schlecht, zum Hci-
rathen, was?"

„Mir — ?" stotterte die O-Miedl, und der Schrecken
fuhr ihr in die Füße.

„Na ja, Dir! Oder nähmst mich etwa, wann ich Dir mein
Herz und mein' Hand anbieten thät?" fuhr er etwas leise fort.

„Geh', spaß nit, Sepp, mit solchen Sachen!" verwies das
Mädel und sah mit Augen voll Wasser ans ihre Schürze nieder.

„Ich mach kein' Spaß, meiner Seel!" versicherte nun in
herzlichem Tone der Knauer-Sepp und faßte ihre große, derbe
Hand.

„Schau, Miedl'," setzte er hinzu, „wir passen jetzt für
einander und das ist das rechte. Verliebt bin ich in Dich nit,

das muß ich sagen! aber gern Hab' ich Dich, weil D' ein
braves Ding bist und ein gutes, rechtschaffenes Herz im Leib
hast. Du bist mir beig'standen wie mich alle Welt verlassen
hat, Dir verdank ich mein Leben und das soll jetzt auch Dir
gehören, wenn Du's annehmen willst."

Daß die O-Miedl nicht nein gesagt hat, und daß sie an
diesem Abend, vor ihrem Schlafengehen, mehr als Ein Vaterunser
des Dankes zum Himmel geschickt, ist Thatsachc. In ihren
Augen war ja der Sepp noch immer der sauberste Mensch auf
der ganzen weiten Welt, weil sie ihm eben zugcthan war, mit
Leib und Seele.

Zu Pfingsten war die Hochzeit. Die O-Miedl war frei-
lich keine saubere und stattliche Braut, als sie so daherwatschelte
wie eine Ente, ihrem Bräutigam kaum bis zu den Hüften
reichend, mit dem dünnen Myrthenkränzel auf dem dicken, un-
geformtcn Kopf, da sah sie wirklich recht Possirlich ans. Aber
es lachte Niemand über ihre Erscheinung, denn alle Leute
im Orte hatten erfahren, wie brav und wacker sie ihre böse
Mutter und den einst so stolzen Sepp gepflegt und wie schändlich
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die O-Miedl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Missbildung <Motiv>
Bett <Motiv>
Patient <Motiv>
Körperliche Entstellung
Karikatur
Suppe
Minderwuchs <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Schlafzimmer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 64.1876, Nr. 1593, S. 34
 
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