Fliegende Blätter (64.1876 (Nr. 1589-1614))

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Der schaurige Abend im Pfarrhausc.

(Schluß.)

„Weißt Du nichts," unterbrach sic die junge Frau, „was
uns retten könnte?"

„Ach! ich wüßte tvohl etwas!"

„Nun so sprich doch!"

„Wir müßten in den Schornstein klettern; dort fände
man uns nicht!"

„Aber wo sollten wir mit dem kleinen Ernst hin, Marie?"

„Ach Gott! ach Gott! daran Hab' ich ja gar nicht ge-
dacht, ach! das arme Würmchen, was wird sein Vater sagen,
wenn. ..."

„Höre!" unterbrach sic die junge Mutter, die den schreck-
lichen Gedanken des Mädchens nicht aussprechen lassen konnte,
„ich weiß, was wir thun müssen. Eine uoit uns läßt sich an
der Wnschleine vom Fenster hinab, eilt an den nahen Kirch-
thurm und zieht den Glockenstrang. Wenn die Leute im
Dorfe das Stürmen hören, werden sic uns sicherlich zu Hülfe
kommen!"

„Ja, das ginge!" erwiderte Marie etivas kleinlaut, „wenn
nur ..."

Die junge Frau ließ sie nicht ausreden, eilte die Boden-
treppe hinauf, holte die neue, feste Wäschleine herab, machte
rasch einige Knoten daran, um den Händen im Hinabrutschen
einen Ruhepunkt zu geben, befestigte sie am Fensterkreuz und
ließ sie hinab in den Garten. Es war Alles still da draußen
bis auf den Wind, der die Leine hin und her zerrte. Damit
waren alle nöthigen Vorbereitungen getroffen; aber nun haperte
cs bei der Ausführung.

„Nun steig' hinab, Marie, und mache Deine Sache gut!"

„Ich?" klagte Marie. „Wollen Ivir denn nicht Beide?"

„Aber Mädchen! Eine von uns muß doch bei dem kleinen
Ernst zurückbleiben."

„Ja, das wohl! Aber ich kann nicht allein!" stöhnte das
Mädchen. „In der Nacht an den schauerlichen Kirchthurm
gehen, wo die vielen Gräber sind, Gott! ich vermag cs nicht.
Außerdem werden sie draußen lauern und mich ermorden!"

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