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D er Fr

besten Launen geschaffen zu haben schien, könne Niemanden etwas
zu Leide thun.

Herr Hermany kam gleich am zweiten Tage nach seiner
Ankunft zur Probe. Die Gesellschaft war schon beisammen.

Die frische, nur hie und da von drohenden Anklängen der
Geisterwelt durchdröhnte Ouvertüre der neuen Oper war vom
Orchester präzise exekutirt worden. Herr Hermany wurde vom
Direktor aus der Bühne jedem Mitgliede vorgestellt. Es gab da herz-
liche Grüße, denn der neue Sänger war ein offenes, leichtbewegtes
Gemüth, und er selber machte den gewinnendsten Eindruck. Nur
bei Madame Wilder schien das Gegentheil der Fall zu sein. Wie
sie Herrn Hermany erblickte, trat sie wie entsetzt einen Schritt
zurück, und barg die rechte Hand, die sie ihm reichen sollte, in
ihrer Linken. Hermany war etwas frappirt, aber er dachte bei
sich blos: „Oh! eine prüde Sängerin! Und die soll die
Agathe singen? Schade! da wird's kein rechtes Feuer geben
im Spiele." Aber als ihm hierauf ihr Gatte vorgestcllt wurde,
dachte er, schon ganz versöhnt, „ach so, sie ist verheirathet! jetzt
verstehe ich ihr Benehmen. Ihr Gatte ist gewiß ein eifersüchtiger
Narr! — Doppelt Schade! In dieses Weib hätte ich mich
närrisch verlieben können. Welche Augen! Sie treffen einen
mitten in's Herz." — Da er aber ein ehrenhafter, geradsinniger
junger Mann war, so dachte er nicht mehr daran, daß ihm die
wunderschöne Italienerin gefallen könne, und da er aber ein
warmherziger, junger Mensch war, suchte er sich in das Aennchen
oder wenigstens in eine der Brautjungfern zu verlieben, was
jedoch nicht'recht anging.

Madame Wilder aber kam von dieser Probe unwohl nach
Hanse. Ihr guter Mann war sehr um sie besorgt. Aber es
war nichts. Blos ein wenig Kopfschmerz. Am zweiten Tage
konnte sie die Probe ganz gut mitmachen. Sie beantwortete
den Gruß des schönen Sängers nur kalt und markirte ihre
Scenen blos. Herr Wilder warf sich mit Leib und Seele in
den Kaspar, und Herr Hermany suchte sich „vielleicht doch" in
das Aennchen zu verlieben.

Die Probe dauerte ziemlich lange. Herr Wilder begab
sich aus derselben in einen Geselligkeitsverein, Madame Wilder
ging also allein nach Hause. Dort angekommen warf sie sich
in ihrem Zimmer vor einem altersschwarzcn Bildchen der Madonna
aus der cliiesa della Salute in Venedig, vor der sie getauft
worden war, auf die Kniee und betete in der schönen Sprache
Toscana's zu ihr hinauf: „O heilige Mutter, Er ist da, den
ich liebe. Du weißt es ja, weil Du ja Alles weißt, was auf
der weiten Erde geschieht. O rette mich! Ich sah ihn niemals
früher, aber wie er vor mich hintrat, erkannte ich in ihm
meinen Traum. Als Mädchen schon, wenn ich an den Ufern
der Lagunen für die Fremden sang, dachte ich an den blonden
Mann — noch ehe ich ahnte, was Liebe war. All' mein
Sehnen zog mich nach Deutschland. Ich wurde hier viel be-
wundert, aber auch viel beneidet. Du weißt es ja, Dir Hab'
ich's ja Alles geklagt! Da kam mein jetziger Mann und rettete
mich in meiner Hülflosigkcit. Und ich habe geschworen, ihm
eine treue Gattin zu sein, aber ich habe ihm nicht gesagt, daß
mich die Sehnsucht nach einem Traumbilde herausgelockt hat nach

eischütz.

dem deutschen Lande, und daß dieses Traumbild gestern vor
meine Seele getreten ist in sichtbarer Gestalt. Und ich schmachte
nach seinem Kuße, und würde doch lieber sterben, als meinem
guten, stillen, vertrauenden Gatten untreu werden!" — So
weinte und betete Madame Wilder daheim. Ihr Gatte, wie
er aus dem Bierhause kam, fand sie in tiefen Schlummer ge-
sunken. —

Am andern Tage war die erste Vorstellung der lang-
erwarteten herrlichen neuen Oper Weber's auf dem Hoftheater
von D. Sie ging brillant vorüber. Das Publikum jubelte
der Musik und den Sängern zu. Nur Hcrmany-Max bemerkte
an seiner Agathe eine gewisse Kälte, die ihn selber ankältete.
Er fragte sie einmal in einer Musikpause leise: „Sind Sie
unwohl?"

Sie verneinte, aber sie sagte flüsternd: „Treten Sie weiter
weg von mir. Sie beängstigen mich." Und sie drängte ihn fort.

Herr Wilder sang den Kaspar musterhaft, mit vollem
teuflischem Humor, und Aennchen sang vorzüglich, aber Herr
Hermany konnte sich doch nicht recht in sie verlieben.

Die Vorstellung ging unter stürmischem Beifall zu Ende.
Zum Schlüße war Agathe wirklich unwohl geworden. Herr
Hermany schminkte sich nicht ab. Er wechselte nur seine Kleidung
und eilte nach Hause. Er liebte es nicht, nach einer schönen
Leistung im Gasthof der Gegenstand banaler Huldigungen zu
werden. Sein Hausthor war geschlossen, und er mußte lange
läuten. Daheim angekommen, wollte er sich eben sein frugales
Souper: Schinken mit Eiern, bereiten, als sich die Thüre seines

Zimmers plötzlich öffnete und Madame Wilder — im Kostüme
der Agathe vor ihm stand. Sie mußte ihm auf dem Fuße ge-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Freischütz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Spitzer, Emanuel
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Opernsängerin
Geister <Motiv>
Stuhl <Motiv>
Opernsänger
Liebeserklärung <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Italienerin <Motiv>
Handgeste
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Heimliche Liebe

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 64.1876, Nr. 1608, S. 154
 
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