Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

Feuerproben der Siebe.

Hand drückte, wenn sie den Laden säuberte oder für die Frau
Etwas aus demselben zu holen kam.

So wuchsen die zwei Dingerchen mit einander ans wie
Geschwister und hielten sich auch bald für solche.

Eduard Taubenherz hatte auch einen Gönner; es war
dicß der verabschiedete Cnirassier-Wachtmcistcr Sturm, ein ehe-
maliger Anbeter der damals noch unverehelichten Tanbenherz, der
er Lieb' und Treue geschworen, wenn er sic in den Biergarten
geführt, — dieselbe war dazumal Weißnäherin gewesen und
stickte auch für die Leute zierliche Buchstaben in die Wäsche.
Der hübsche und feurige Wachtmeister hatte Zar bald das zarte
Jungferchen von der Nadel erobert und versprach demselben auch
die Heirath; — aber bei dem Versprechen mußte cs wohl
bleiben, da der böse Kriegsmann in einer unsagbar schwachen
Stunde sich ein klein tvenig an irgend einer Andern verfehlt
haben mochte, in Folge dessen besagte Andere auch darauf be-
stand, Frau Sturm genannt zu werden. Die zarte Nähmamsell
aber reichte ihre Hand unter tiefen Seufzern einem ehrlichen
Tagschreiber, dem Simplicius Taubenherz, nähte und stickte auch
fortan fleißig für die Leute, blieb aber immer und stetig, natür-
lich in allen Ehren, des Herrn Wachtmeister Stnrm's getreueste
Freundin und Rathgeberin. Die Sturmin gebar ihrem Manne
gar bald ein riesig starkes Mädel und ein Jahr später erhielt
auch der alte Taubenherz sein Theil, ein niedliches, aber wunder-
! sam zartes Kerlchen, nicht größer und nicht stärker als ein Perl-
huhn, aber gesund und munter in die Welt guckend.

Die Familien Sturm und Tanbenherz blieben befreundet,
bis vorerst der alte Schreiber und dann die Frau Wachtmeisterin
in ein besseres Jenseits hinübergingen, und als schließlich auch
die immer emsig gewesene Nadel der ehrsamen Stickerin im
grünen Polsterkissen ruhte und zu rosten anfing, — die Tanben-
herzin lag eben an einem unheilbaren Uebcl krank darnieder,

— da thaten denn die zwei Uebriggebliebenen, die sich dereinst l

so glühend geliebt, das fromme Gelübde: da sie sich selbst nicht j
kriegen gedurft, sollten ihre Kinder Mann und Weib iverden,
sobald dieselben das vorschriftsmäßige Alter erreicht haben würden.

Dann entschlief die kleine dürre Näherin fröhlichen und
demüthigen Sinnes und der allein zurückgebliebene Wachtmeister
gelobte es sich zu, der Verblichenen Wunsch gerecht werden und
sein dralles, starkknochiges Mädel für den mageren, wachsartig
gebildeten Jungen heranziehen zu wollen.

Zu der Zeit, in welcher unsere höchst wahrhaftige Geschichte
beginnt, war Herr Eduard Tanbenherz ein ziemlich großer, schlanker
und — wie die Frauenzimmer insgesammt, die in Pimert's
Laden zu kommen pflegten, strengstens versicherten — ein bild-
schöner Mensch. Er hatte blaue Augen, weiße Zähne, rothe
Lippen und einen prachtvollen, vom hellsten Goldgelb bin in's
dunkelste Kastanienbraun schattirten Vollbart. Besagter Vollhart
war in Wirklichkeit ein Prachtexemplar, die Zierde und der
Stolz seines sonst sehr demüthigen und bescheidenen Eigcnthümcrs.
Im Uebrigen war Eduard Tanbenherz heute als gereifter Mann,
was Temperament und Gemüth anbelangt, genau das, tvas er
als Kind zu werden versprochen: ein äußerst sanfter, gefühlvoller, '
zartbenervter Mensch. Der Frauenwelt gegenüber rcspectvoll bis
zur Ueberschwänglichkcit, liebte er Kinder über alle Maßen,
namentlich die schwächlichen oder krüppelhasten; er hätschelte
ebenso zärtlich den nächstbesten, ungewaschenen, struppigen Bettel-
jungen, wie das zierlich anfgcpntztc Wickelkind ans dem Arme
der Kindsmagd.

Vor Allem aber war Eduard Tanbenherz ein großer Freund
und Beschützer der Thiere. Nie in seinem Leben hatte er auch
nur eine einzige Fliege getödtet. Das Maltraitiren der Pferde
von den diversen Kutschern war ihm ein Gräuel; die gebunden
zu Markt geführten Kälber flößten ihm das tiefste Mitleid ein,
und wenn gar hier und dort zuweilen der letzte Todcsschrci
eines eben unter dem Messer verendenden Lammes oder Hühnchens
an sein Ohr drang, dann schauderte er zusammen und wurde
bleich bis in die Lippen. Um das Syrupfaß kreisenden Fliegen
öffnete er weit die Fensterläden und ersuchte sie, hinaus zu
eilen in's Freie, wenn sie Herrn Piemert's böser Ledcr-
klatsche noch rechtzeitig entrinnen wollten. Wagte es schließlich j
ein böses braunes Springinsekt, ihm zu Leibe zu gehen und
seine Geduld zu prüfen, so seufzte er zwar leise ans und verzog
verztvciflnngsvoll das Gesicht — nie aber wäre er zum Jäger
geworden; auch nicht das kleinste Tröpflcin Blut sollte je von
seiner Hand stießen.

So geartet war Eduard Tanbenherz, als er sich zum ersten
Male und ernstlich verliebte. Gegenstand seiner Herzenswahl
aber war die ihm ohnedies bestimmte Wachtmeisterstochter,
Fräulein Victoria.

Besagte Victoria war bis zu ihrem zehnten Jahre im
Hause ihres Vaters geblieben, der eine Friedensanstcllnng beim
Magistrat erhalten hatte; dann aber, weil das Mädel dem Alte»
den Kopf zu warm gemacht mit ihrem tollen Temperament,
hatte er es nach einer entfernten Provinzstadt zu einer Tante
geschickt, um sie dort in der Hanswirthschaft und allen weiblichen
Arbeiten unterrichten zu lassen. Victoria war bekanntlich um
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Feuerproben der Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Unteroffizier
Sohn <Motiv>
Verlöbnis <Motiv>
Näherin
Versprechen
Karikatur
Arrangement
Handgeste
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Heimliche Liebe

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1673, S. 50
 
Annotationen