mit vieler Mühe den äußerst renitenten Todtschläger, den der Bezirksrichter sofort — zu zerstückeln befiehlt.
Vor langen Jahren lebte einmal ein König in Persien,
dem hatte der Himmel viele Huld erwiesen. Er war weise und
gerecht und sein Volk liebte ihn. Ein Kummer aber drückte
ihn und verdarb sein sonst so glückliches Dasein: er hatte
keinen Sohn, keinen Thronfolger. Er sah das Gebäude seiner
Weisheit und Kraft zusammenbrcchen mit seinem eigenen Leben;
das betrübte ihn sehr. Das Geschick aber nahm auch diese
Sorge von ihm. Er hatte zwei Favorit-Sultaninnen, und jede
der beiden Frauen schenkte ihm an ein und demselben Tage einen
Sohn. Das Seltsamste aber war, daß dieses freudige Er-
eigniß so genau zur selben Minute eingetroffcn war, daß
Niemand wissen konnte, ivelchcr von den beiden Söhnen der Erst-
geborne sei. Diese Fügung aber warf eine andere Sorge in
das Herz des Königs, da Niemand wußte, wer der Erstge-
borne — tver sollte Thronfolger sein?
Das bcrieth der König lange Zeit mit seinen weisen Rath-
gebern, und endlich kam er zu dem Beschlüsse, die beiden Prinzen
sollten so gleichmäßig erzogen werden, als wären sie eine Person.
Vielleicht würden sie dadurch so gleichartig gesinnt, daß sie in
friedfertiger Gemeinschaft den Thron ihres Vaters besteigen
könnten. Von ihrer Geburt an wurden also Achmed und Hussa»,
so hießen die beiden Prinzen, völlig gleichartig behandelt. Nie-
mals waren sie auch nur eine Minute lang von einander ge-
trennt; was der Eine bekam, bekam genau ebenso der Andere;
was den Einen gelehrt wurde, lernte auch der Andere.
Und so erfüllte sich der Wunsch des Königs. Die Beiden
wurden so angewiesen aus einander, die Zeit, die Gewohnheit,
die tausend gemeinschaftlich unternommenen Dinge, hatten sic
' so abhängig gemacht von einander, daß ihr Sinn, ihr Denken,
ihr ganzes Sein ein und dasselbe war. Als sic zwölf Jahre
alt geworden, bedurfte cs keiner Vorsorge mehr; sie hätten
sich freiwillig keine Minute von einander getrennt, und Keiner
von Beiden hätte auch nur das Geringste unternommen ohne
seinen Bruder. So wuchsen sic heran zu schönen und edlen
Jünglingen. Der König aber lobte Gott aus vollem Herzen,
daß ihm sein liebster Wunsch gewährt worden, denn die Ein-
tracht zwischen seinen Söhnen hatte sich erprobt und bewährt
viele Male in den letzten Jahren. Sic waren einander ergeben
ans Leben und Tod und hatten unbegrenztes Vertrauen zu |
einander. Das hatte der weise König auch erforscht. Er hatte j
eines Tages einen Höfling zu Achmed gesandt, der mußte diesem
sagen, er hätte vernommen, sein Bruder trachte nach seinem
Leben, um des Vaters Thron allein zu gewinnen. Achmed
aber, milde von Sinn und Gemiith, hatte nur gesagt: „Du
redest die Unwahrheit, mein Bruder tobtet mich nicht; laß' Dich
nicht wieder sch'n vor meinen Blicken!"
Und einen andern Höfling hatte der König zu Hussa» ge-
sandt mit demselben Aufträge. Dieser aber >var auffahrender
und erregteren Gemüths als sein Bruder. Kaum hatte der
Bote des Königs den Argwohn geäußert, da überfiel eine schreck-
liche Wuth den Prinzm. Er stieß dem Unglücklichen seinen
Dolch in die Brust: „Hund, was verläumdest Du meinen
Bruder!" —
Von der Zeit an war der König seiner Sache sicher, und
als er sein Ende nahen fühlte, da ernannte er seine beiden
Söhne zu seinen Nachfolgern, ermahnte sic, sein Volk glücklich
Vor langen Jahren lebte einmal ein König in Persien,
dem hatte der Himmel viele Huld erwiesen. Er war weise und
gerecht und sein Volk liebte ihn. Ein Kummer aber drückte
ihn und verdarb sein sonst so glückliches Dasein: er hatte
keinen Sohn, keinen Thronfolger. Er sah das Gebäude seiner
Weisheit und Kraft zusammenbrcchen mit seinem eigenen Leben;
das betrübte ihn sehr. Das Geschick aber nahm auch diese
Sorge von ihm. Er hatte zwei Favorit-Sultaninnen, und jede
der beiden Frauen schenkte ihm an ein und demselben Tage einen
Sohn. Das Seltsamste aber war, daß dieses freudige Er-
eigniß so genau zur selben Minute eingetroffcn war, daß
Niemand wissen konnte, ivelchcr von den beiden Söhnen der Erst-
geborne sei. Diese Fügung aber warf eine andere Sorge in
das Herz des Königs, da Niemand wußte, wer der Erstge-
borne — tver sollte Thronfolger sein?
Das bcrieth der König lange Zeit mit seinen weisen Rath-
gebern, und endlich kam er zu dem Beschlüsse, die beiden Prinzen
sollten so gleichmäßig erzogen werden, als wären sie eine Person.
Vielleicht würden sie dadurch so gleichartig gesinnt, daß sie in
friedfertiger Gemeinschaft den Thron ihres Vaters besteigen
könnten. Von ihrer Geburt an wurden also Achmed und Hussa»,
so hießen die beiden Prinzen, völlig gleichartig behandelt. Nie-
mals waren sie auch nur eine Minute lang von einander ge-
trennt; was der Eine bekam, bekam genau ebenso der Andere;
was den Einen gelehrt wurde, lernte auch der Andere.
Und so erfüllte sich der Wunsch des Königs. Die Beiden
wurden so angewiesen aus einander, die Zeit, die Gewohnheit,
die tausend gemeinschaftlich unternommenen Dinge, hatten sic
' so abhängig gemacht von einander, daß ihr Sinn, ihr Denken,
ihr ganzes Sein ein und dasselbe war. Als sic zwölf Jahre
alt geworden, bedurfte cs keiner Vorsorge mehr; sie hätten
sich freiwillig keine Minute von einander getrennt, und Keiner
von Beiden hätte auch nur das Geringste unternommen ohne
seinen Bruder. So wuchsen sic heran zu schönen und edlen
Jünglingen. Der König aber lobte Gott aus vollem Herzen,
daß ihm sein liebster Wunsch gewährt worden, denn die Ein-
tracht zwischen seinen Söhnen hatte sich erprobt und bewährt
viele Male in den letzten Jahren. Sic waren einander ergeben
ans Leben und Tod und hatten unbegrenztes Vertrauen zu |
einander. Das hatte der weise König auch erforscht. Er hatte j
eines Tages einen Höfling zu Achmed gesandt, der mußte diesem
sagen, er hätte vernommen, sein Bruder trachte nach seinem
Leben, um des Vaters Thron allein zu gewinnen. Achmed
aber, milde von Sinn und Gemiith, hatte nur gesagt: „Du
redest die Unwahrheit, mein Bruder tobtet mich nicht; laß' Dich
nicht wieder sch'n vor meinen Blicken!"
Und einen andern Höfling hatte der König zu Hussa» ge-
sandt mit demselben Aufträge. Dieser aber >var auffahrender
und erregteren Gemüths als sein Bruder. Kaum hatte der
Bote des Königs den Argwohn geäußert, da überfiel eine schreck-
liche Wuth den Prinzm. Er stieß dem Unglücklichen seinen
Dolch in die Brust: „Hund, was verläumdest Du meinen
Bruder!" —
Von der Zeit an war der König seiner Sache sicher, und
als er sein Ende nahen fühlte, da ernannte er seine beiden
Söhne zu seinen Nachfolgern, ermahnte sic, sein Volk glücklich
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein großer Verbrecher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1677, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg