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138

Corambo.

dcs Innern Afrikas den Gebrauch des Taschentuchs kannten. Bald
sollte ich eines Anderen belehrt werden.

An einem heißen August-Nachmittag hatte unsere Schach-
partie sehr lange gedauert. Die Hitze war noch immer derart,
daß an arbeiten nicht zu denken war; und da mein schwarzer
Freund sich in ungewöhnlich heiterer Stimmung befand, ich selbst
aber niemals ein Spielverderber bin, beschlossen wir, gemein-
schaftlich eine Flasche Rndesheimer zu leeren, um die äußere
Hitze durch die innere zu paralysiren. Wie cs zu gehen Pflegt,
blieb es nicht bei der einen Flasche; in heiterem Zwiegespräche
verflogen die Stunden und wir schieden erst von einander, als
die Sterne bereits am Himmel standen, und nachdem wir in stark
Mühler'scher Stimmung Schmollis mit einander getrunken hatten.
Im Ueberschwang der Gefühle überwand ich sogar den geheimen
körperlichen Widerwillen, den wir Weiße gegen die Schwarzen
hegen, und schüttelte dem neuen Freunde nicht nur zum ersten
Male beim Abschied die Hand, sondern drückte ihm auch zur
Besiegelung unseres Freundschaftsbundes einen kräftigen Kuß
ans Lippen und Wange. Ziemlich schwankenden Gang's ging
ich nach Hause, um mein nächtliches Lager aufzusuchen.

Spät erst erwachte ich mit schwerem Kopfe, aufgerüttelt
durch meinen getreuen Stiefelputzer, welcher mir zurief, es sei die
höchste Zeit, mich für mein Bureau anznkleiden, umsomehr, da ich
eine Anzahl dunkler Flecken im Gesicht vorher nothwcndig noch ;
entfernen müsse. Mein erster Gedanke war, ich sei gestern Abend
in meinem Dusel mit dem Kopfe wider irgend einen harten
Gegenstand gerannt, oder sei gar in irgend eine nächtliche Keilerei
verwickelt worden; eine nähere Besichtigung vor dem Spiegel
belehrte mich jedoch zu meinem lebhaften Erstaunen, daß besagte
Flecken von Farbe, allem Anscheine nach von Schuhwichse bester
Qualität herrührten. Woher dieselben stammten, konnte ich mir
anfangs nicht erklären. So angeheitert war ich doch nicht ge- !
wesen, daß ich irgend einem Zechgenosscn die Stiefel geküßt >
hätte. Allmählich klärten sich meine Erinnerungen vom gestrige»
Abend. Ich gedachte dcs Kusses, womit ich von meinem schwarzen
Freunde Abschied genommen hatte, ich gedachte des Händedrucks
1111b sah, daß meine rechte Hand auch schwarz gefärbt war; ich
glaubte mich sogar dunkel z» erinnern, daß es mir gestern Abend
einige Male scheinen wollte, als ob die an den Wangen meines
Negers heräbrinnenden Schweißtropfen Helle Streifen gebildet
hätten, und mit einem Male stand es klar vor den Augen
meiner Seele: Mein schwarzer Schmollisbrnder färbte
a b! — Der Leser wird begreifen, mit welch' gerechtfertigter
Spannung ich den kommenden Nachmittag erwartete. Vor der ge-
wöhnlichen Zeit schon saß ich an dem Spieltische, aber mein Neger
war nirgends zu sehen. Ich wartete und wartete und gab bereits
die Hoffnung ans, daß er kommen würde, als ein blondgelockter
! junger Mann, der mir schon geraume Zeit gegenüber saß, mich
i Plötzlich lächelnd fragte: „Nun, machen wir heute keine Partie?"
j Förmlich sprachlos vor Erstaunen, erkannte ich in dem Frager
meinen neuen Freund. Ja, das war seine Stimme, ja, das
j waren seine Züge, das waren seine schwärmerischen Augen, aber
j er war über Nacht weiß geworden, und sein schwarzes Woll-
haar hatte sich in eine Fluth semmelblonder Locken verwandelt.

Mit freundlich lächelnder Miene weidete sich mein Gegenüber
an meiner Ueberraschung. „Ich bin Dir eine Erklärung schuldig,"
sagte er darauf; „Du sollst sic haben." Und nun erzählte er
mir seine Lebensgeschichte, die ich dem Leser nicht vorenthalten
will, wenn ich sie auch nicht mit meines edlen, geistreichen
Freundes eigenen Worten wiederzugeben im Stande bin.

2. Capitel. Dic Liebeserklärung.

Corambo war einer der vielen Söhne eines Negerkönigs in
Mittelafrika, dessen Königreich eine nicht sehr ausgedehnte Sand-
wüste war, dessen Residenz ans einigen elenden Hütten, dessen
Harem aus einem Dutzend häßlicher alter Weiber, und dessen
königliche Tracht an Gallatagcn in nichts Anderem als einem alten
Militärfrack und einem defecten Cylinderhute bestand. Als vierzehn-
jähriger Knabe erregte Corambo durch Entwendung einer kleinen
Quantität Kautabak den Zorn seines königlichen Vaters und
Gebieters in deni Maße, daß derselbe ihn ohne viele Umstände
gegen eine Flasche Ruin an einen Sclavenhändler verkaufte.
Nach einem qualvollen Landtransporte und einer noch qual-
volleren Seereise wurde Corambo auf dem Markte von New-
Orleans an den Meistbietenden versteigert. Weil er eine hohe
Schulter hatte und sich einer fabelhaften Häßlichkeit erfreute,
schlug man ihn für den billigen Preis von 47 Dollars einem
reichen Pflanzer aus Louisiana zu. Da er sich sehr bald an-
stellig zeigte, wurde er statt zur Feldarbeit zur besonderen Be-
dienung seines Herrn verwendet. Letzterer war jener bereits
vor Jahren in den „Fliegenden Blättern" erwähnte Pflanzer, der
so faul war, daß, wenn er eine Prise Schnupftabak nahm, ein
neben ihm stehender Neger für ihn nießen mußte. Auch der
junge Corambo wurde zu diesem Geschäft herangezogen. Er ent-
ledigte sich desselben meist zur vollen Zufriedenheit seines Herrn,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Corambo"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Harburger, Edmund
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Frack
Fremdbild
Verkauf <Motiv>
Sklaverei <Motiv>
Sklave <Motiv>
Sohn <Motiv>
Schwarze
König <Motiv>
Wüste <Motiv>
Karikatur
Sklavenhandel <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1684, S. 138
 
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