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Corambo.

139

dem er mich, wen» derselbe im Schnttc» des Parkes seine Siesta
hielt, die Musquitos fern halten mußte. Beide Dienstleistungen
waren nicht sonderlich anstrengend, und ließen unserem jungen
Helden vollständig Zeit, fleißig nach der Tochter seines Herrn
hinüber zu schielen, welche, eben so faul wie ihr Vater, sich
ganze Nachmittage in ihrer Hängematte schaukelte. Ludmilla
war das einzige vielumworbene Kind ihres unermeßlich reichen
Vaters, dabei eine Schönheit allerersten Ranges, 16 Jahre alt,
schlank wie eine Palme, mit dunklem Haar und desgleichen Augen,
Perlenzähnen, Rosenlippen — kurz, mit allen Eigenschaften reich-
lich versehen, welche zusammen eine schöne Südländerin ausmachen.
Darf cs uns wundern, wenn in dem heißblütigen Herzen unseres
jungen Helden bald ein heftiges Liebesfencr entbrannte? Ist
denn Liebe ein Verbrechen? Corambo konnte das nicht einschen.
Er wagte sogar auf Gegenliebe zu hoffen. Wenigstens schloß
er dies; daraus, daß Ludmilla, so oft er in ihre Nähe kam,
ihm mit Vorliebe einen Tritt mit ihrem zarten Füßchen gab
und dazu mit ihrer süßen Stimme ausrief: „Verdammter
Nigger!" Was sich liebt, neckt sich, dachte er dabei in seiner
Unschuld, wenn ihn auch zuweilen der verletzte Körpcrtheil
empfindlich schmerzte, und erwiderte jeden Fußtritt mit einem
zärtlichschmachtenden Blick, welcher Ludmilla, wenn sie bei guter
Laune war, ein lautes Gelächter entlockte, ihm aber einmal von
ihrer reizend kleinen Hand eine derbe Maulschelle einbrachte. Und
war cs denn so platterdings unmöglich, daß Ludmilla ihn liebte?
Zwar war er nur ein armer Sclave, schwarz wie die Nacht
und grundhäßlich, sie seine reiche Gebieterin, weiß wie das Licht
und von wunderbarer Schönheit; aber dafür war er ein Königs-
sohn, und er durfte sich vielleicht schmeicheln, der Glanz seiner
Abkunft werde die Schatten seines gegenwärtigen Standes, seiner
Farbe und seines Aeußeren verschwinden lassen. Lange schmachtete
er im Stillen, endlich faßte er Mnth.

An einem heißen Nachniittag war sein Herr wie gewöhn-
lich eiugcschlafen; ihm gegenüber lag Ludmilla in ihrer Hänge-
matte auf dem Rücken und schaute träumend nach oben. Corambo,
der, mit einem Fliegenwedel bewaffnet, hinter dem Schaukcl-
stuhl des Pflanzers und Schwiegervaters in spe stand, blickte
die reizende Gestalt mit glühenden Augen an. Plötzlich fiel
ihm durch eine seltsame Jdccuassociation der Spruch ein, den
er einst in seiner Heimath von einem alten Fetisch-Priester ge-
hört: „Bescheidenheit ist eine Zier — Doch weiter kommt man
ohne ihr." Rasch entschlossen legt er seinen Fliegenwedel bei
Seite, leert in einem Zuge die neben der Kaffeetasse seines
Herrn stehende Cognacflaschc und stürzt schnaps- und liebe-
begeistert auf die Hängematte zu. Ehe sich die nichtsahnende
Ludmilla von ihrem Erstaunen erholen kann, hat er die sich
lebhaft Sträubende und Hülscrnfendc mit seinen schwarze» Armen
umschlungen und ihr unter einer Fluth von Liebesbetheueruugen
mit seinen wulstigen Lippen eine Unzahl Küsse auf ihren Roscn-
mnud gedrückt. Dann wirst er sich vor dem durch den Lärm
erwachte» Pflanzer auf die Knice und fleht den Halbwachen um
seinen Segen für den beabsichtigten Ehcbnnd an. Wie die
Antwort lautete, kann sich der mitfühlende Leser denken. Als
der Pflanzer sich eine klare Vorstellung von der Situation ge-

bildet, ergriff er die ihn nie verlassende Sclaven- und Hnndc-
pcitschc und bearbeitete damit unbarmherzig die breite Rückseite
des vor ihm Knieenden, indem er knirschend vor Wuth ausrief:
„Du rohes, schwarzes, armseliges, krummes, wollhaariges Un-
thicr wagst cs wirklich. Deine Glotzaugen zu meiner Tochter zu
erheben? Du hast Dich unterstanden, sie mit Deinen Lippcn-
wülstcn zu küssen?"

Und che 10 Minuten verflossen waren, fand sich der aus
allen Himmeln gestürzte Corambo im Sclavcnkeller in den Block
geschlossen, mit der tröstlichen Aussicht, 8 Tage hier bei Wasser
und Brod zu verweilen und dreimal täglich durchgcpeitscht zu
werden. Er litt unerträgliche Qualen des Körpers; größer
noch waren die Leiden seiner Seele. Unzählige Male wieder-
holte er sich in diesen jammerreichen Tagen die Worte, die ihm
sein beabsichtigter Schwiegervater zngcrufen. Und nicht minder
oft haderte er mit dem Schicksal, daß cs ihn nicht zu einem
reichen, gcbildctctcu, schönen Pflanzer kaukasischer Racc gemacht
habe, indem er dann doch wohl größere Hoffnungen hätte,
Ludmilla zu erringen. Zum Glück erinnerte er sich, von dem
bereits erwähnten Fetisch-Priester einst gehört zu haben, daß
dcn^. Tapferen kein Ding unmöglich sei, und allmählich reifte
der Entschluß in ihm, aus einem armen, rohen, krummen, !
schwarzen, wollhaarigcn Sclaven ein christlicher, gebildeter, schlanker,
weißer, schöner, junger Manu zu lvcrdcu. Wie er das fertig
bringen würde, war ihm noch nicht recht klar, aber als er nach
acht Tagen die letzten Peitschenhiebe empfing und ans die Feld-
arbeit gerufen wurde, verließ er seinen Kerker, indem er zu sich
sprach: „Und sic lvird doch die Meine!"

__ (Schluß folgt.)

18*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Corambo"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Harburger, Edmund
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Tochter <Motiv>
Sklave <Motiv>
Schwarze
Königssohn
Liebeserklärung <Motiv>
Hängematte
Karikatur
Liebe <Motiv>
Handgeste
Kniefall
Abweisung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 67.1877, Nr. 1684, S. 139
 
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