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Der Affe

hat die nicht? Nur, daß gewöhnlich die Meisten ihre Leiden-
schaften theuer bezahle» müssen, während unserem Alten die
seine zn manch hübschen Geschäftchen verhalf. Es stack nämlich
so etwas von einem „brick-brack-man“, von einem Trödler in
ihm, und wo eine Versteigerung angczeigt war, konnte man mit
Bestimmtheit darauf rechnen, den alten Josua unter den Käufern
zn finden. Mochten nun alte Möbel, Betten, Bilder, Waffen
rc. ic. versteigert werden, mochte ein zu Grunde gegangener
Schneider oder ein falliter Bäcker ausverkaufen — Etwas brachte
der Amerikaner sicher von dessen Erbschaft an sich. Er hatte
sich auch bald den Ehrenplatz nächst dem Auktionator erobert
und selbst die alte Betty Heinsheimer, welche doch ans allen
Versteigerungen Stammgast war und erst kürzlich ihr fünfzig-
jähriges Jubiläum als Auctionshamster gefeiert hatte, ließ ihn
in unbestrittenem Besitz dieses Platzes.

„Was will mcr machen?" sagte sie achselzuckend, „er is
'n Amerikanischer! Mit die Lait fang' Einer an!"

Ein Klempnermeister des Städtchens hatte nach langem
Kampf seine Seele ansgehaucht — das heißt, er nicht, sein
Geschäft. Er war nach Amerika durchgebrannt und hatte seinen
zahlreichen Gläubigern das Nachsehen überlassen. Die schäbigen
Reste seines Waarenlagers wurden versteigert, und Josua Grant-
mann saß natürlich wie immer zur Rechten des Anctionators.
Das war ja selbstverständlich. Dieses geschah aber dießmal
mit einiger Unlust. Das Gerümpel war gar zu erbärmlich.
Da war nichts zn verdienen, das übersah Josua sofort mit
praktischem Blick, und fast hätte sich das Ungeheure ereignet,
daß er vor Schluß der Auction nach Hause gegangen wäre.
Aber das brachte er doch nicht über das Herz, wenn er auch
weiter sein Interesse mehr an den alten Blechtöpfen, rostigen
Gießkannen, verbogenen Dachkandeln rc. rc. zeigte. Das Kinn
ans seinen Stock gestützt, saß er mit halbgeschlossenen Augen
und starrte in eine ferne Ecke, wo der Rest des zu versteigernden
Gerümpels nmherstand.

Plötzlich riß er die großen, klugen Augen auf und nahm,
wie es schien, einen Gegenstand scharf auf das Korn.

Dies; geschah so auffallend, daß die alte Betty aufmerksam
wurde und ebenfalls sogleich die Ecke mit ihren Blicken revidirte,
ob da vielleicht „Ebbes" zu machen sei, aber alsbald wieder ihre
Aufmerksamkeit dem Anctionstischc zuwendete, weil da hinten
auch rein gar nichts war, was sie reizen konnte.

Der alte Josua aber betrachtete fort und fort ein Ueber-
bleibsel der Klempnerherrlichkeit in der Ecke. Eigenthümliche
Gedanken arbeiteten in seinem dicken Schädel, ein echt amerikani-
sches Plänchen reifte daselbst seiner Vollendung entgegen, und
nach und nach flog ein schmunzelndes Lächeln über das wetter-
harte Antlitz des „smart-man“. Er war mit sich einig.

Natürlich wünschen meine Leser nun auch zu wissen, was
denn eigentlich die Aufmerksamkeit unseres Helden so sehr in
Anspruch nahm und ihn sogar bewog, sein Denkvermögen außer-
gewöhnlich anzustrengen. Nun, ich nehme keinen Augenblick
Anstand, die nöthige Aufklärung zu geben: es war ein Asse

Josua's.

— ein Stammvater der Menschheit nach Darwin, aus dickem
Eisenblech geschlagen, etwa drei Fuß hoch in sitzender Stellung
und mit lebhaften Oelfarben „scheußlich schön" angestrichen.
Dazu noch ein sehr unanständiger Affe, denn er hielt die aus-
gespreizte rechte Vorderpfote an die Nase und streckte die Zunge
lang aus dem Hals — das vollendete Bild des frechen, ver-
ächtlichen Hohnes.

Man gestatte mir vorerst, in einigen Zeilen zn erklären,
welchem Umstand das blecherne Scheusal sein Dasein verdankte.

Der vergantete und verduftete Klempner war früher ein
eifriges Mitglied der Schützengesellschaft gewesen, und dies; war,
nebenbei bemerkt, sein Unglück. Er war nämlich stets sicherer
aus dem Schießplatz, wie in der Werkstätte zu finden und hatte
immer lieber mit der Büchse, wie mit dem Löthkolben hantirt.
So hatte er nach und nach so viele Löcher in alle seine ge-
schäftlichen Berechnungen geschossen, daß sie vollständig hinfällig
wurden, bis Kundschaft und Credit, sowie er selber mit flöten
gegangen.

Er hat leider darin viele Kollegen im Reich, der Herr
Klempnermeister!

Nun war es eine alte Sitte, zn den Kranzfestschießen
Scheiben zu schenken, und da der Klempner wie weiland der
erfindungsreiche Odysseus, gar absonderliche Ideen hatte, so
verfiel er darauf, einen Assen als Festscheibe herznstellen. Der-
selbe trug auf seiner braunbemalten Brust die weißen und
schwarzen Ringe, während sein Herz das Centrum bildete. Nimmt
man dazu die oben beschriebene unhöfliche Fratze, welche den
fehlenden Schützen zn verhöhnen schien, so ließ sich der Scheibe
eine gewisse Originalität nicht absprechen.

Aber unser Blechkünstler hatte die Rechnung ohne das
ästhetisch-moralische Gefühl des Herrn Schützengildenvorstehers
Jodocus Birnbaum, Bäckermeister und Mehlhändler, gemacht.
Derselbe erklärte sich nämlich in der dem Kranzschießen vorauf-
gehenden Sitzung mit aller Energie gegen die Annahme der
„unmoralischen" Scheibe, und führte als Hauptargument be-
sonders die linke Vorderpfote des Affen an, welche allerdings
in kratzender Stellung auf demjenigen Körpertheil ruhte, wo
das Rückgrat aufhört, einen anständigen Namen zu führen.

„Derlei Äffereien dürfe man in der Gesellschaft nicht dulden,"
schloß Herr. Jodocus seine Philippica, und nach ihm griff der
Tailleur und zweite Schützenmeister, Herr Peter Propper, in
die Debatte ein, indem er sich ebenfalls gegen die Annahme
der Affenscheibe erklärte und ausführte, wie es nächstens sogar
einem Mitglied einfallen könne, einen Bock als Scheibe zu
stiften. Dieses letztere Argument schlug mächtig durch, da fast
die ganze Schnciderzunft in der Gesellschaft war, und so wurde
das Kunstwerk des Klempners bei der darüber angcstellten
Ballotage mit lauter schwarzen gegen eine weiße Kugel, welch
letztere wahrscheinlich der Bruder des Spenders in die Urne
warf — abgelehnt.

Der Affe wanderte auf diese Weise wieder in die Werk-
statt zurück, erhielt seinen Platz neben der Thüre und erschreckte
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