Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- _ Erscheinen wöchcntl. ein Mal. Preis desBandes
2. Handlungen, sowie von allen Postämtern und r(26Nummern) 6 Mark70 Pfg., excl. Porto bei LXIX.
ZeitungÄHpcditionen angenommen. directem Bezug. Einzelne Nummer 60 Pfg.
Von Achten der Siebente.
Von Emil Peschkau.
Mit gewandtem Striche nahm Monsieur Lemaitre bcn
letzten Rest meines Bartes weg, betrachtete mich dann eine
Zeit lang und seufzte tief.'
„Was fehlt Ihnen, Monsieur Lemaitre?" fragte ich.
„Wissen Sie, lvas das heißt, ein Herz haben," erwiderte
er und wischte die Klinge des Rasirmessers an seinem Finger
ab, „und herzlos behandelt zu werden? O, >vcr kann das
begreifen unter diesen gefühllosen Menschen, unter diesen Stcin-
blöcken, diesen Egoisten —"
Herr Lemaitre fuchtelte bei diesen Worten mit dem Rnsir-
messer so heftig herum, daß ich Angst bekam, er könnte am
Ende eine Probe anstelle», ob auch ich gefühllos sei, und siel
ihm daher rasch in die Rede:
„Sie wissen, Honors, ich bin Dichter —"
„Ja, Sie sind Dichter," versetzte er, schnell beruhigt, „Sic
werden mein Unglück begreifen •— kommen Sic auf mein
Zimmer, ich werde Ihnen die Geschichte erzählen. Hier ver-
säume ich so nichts. An Wochentagen habe ich höchstens Abends
Kunden."
„Recht gerne lvill ich mit Ihnen gehen. Aber ich möchte
durchaus nicht —"
„Bitte, bitte, nicht im Geringsten. Sie erweisen mir
damit einen großen Dienst. Sie wissen gar nicht, wie ich mich
sehne. Jemanden mein Herz ausschütten zu können. — Ich
pflege öfters zu seufzen, in der Hoffnung, einen fühlenden
Menschen zu finden, aber bis jetzt hörte ich nur immer als
Antwort: „Ist heiß heute, Lemaitre, ja zum Teufel, ist heiß!"
Oder: „Schlechte Zeiten, schlechte Geschäfte, Lemaitre — geht
Andern auch nicht besser, schlechte Zeiten, Lemaitre!"
Während dessen hatte Lemaitre den Vermenschlichnngs-
prozeß meines Gesichtes ganz vollendet. Er regulirte noch mit
der Scheere hie und da ein sich vordrängendes Haarbüschel,
bürstete meinen Rock und machte dann seine gewöhnliche Ver-
beugung mit den Worten: „Ich habe die Ehre!"
Wir stiegen drei Treppen empor, bis wir vor eine Thiirc
kamen, ans welcher in hübsch verzierter Schrift „Honorö Lemaitre,
Coiffeur" geschrieben stand. Als sich dgs Geräusch hören ließ,
welches Lemaitre's Schlüssel verursachte, öffnete sich die Nachbar-
2. Handlungen, sowie von allen Postämtern und r(26Nummern) 6 Mark70 Pfg., excl. Porto bei LXIX.
ZeitungÄHpcditionen angenommen. directem Bezug. Einzelne Nummer 60 Pfg.
Von Achten der Siebente.
Von Emil Peschkau.
Mit gewandtem Striche nahm Monsieur Lemaitre bcn
letzten Rest meines Bartes weg, betrachtete mich dann eine
Zeit lang und seufzte tief.'
„Was fehlt Ihnen, Monsieur Lemaitre?" fragte ich.
„Wissen Sie, lvas das heißt, ein Herz haben," erwiderte
er und wischte die Klinge des Rasirmessers an seinem Finger
ab, „und herzlos behandelt zu werden? O, >vcr kann das
begreifen unter diesen gefühllosen Menschen, unter diesen Stcin-
blöcken, diesen Egoisten —"
Herr Lemaitre fuchtelte bei diesen Worten mit dem Rnsir-
messer so heftig herum, daß ich Angst bekam, er könnte am
Ende eine Probe anstelle», ob auch ich gefühllos sei, und siel
ihm daher rasch in die Rede:
„Sie wissen, Honors, ich bin Dichter —"
„Ja, Sie sind Dichter," versetzte er, schnell beruhigt, „Sic
werden mein Unglück begreifen •— kommen Sic auf mein
Zimmer, ich werde Ihnen die Geschichte erzählen. Hier ver-
säume ich so nichts. An Wochentagen habe ich höchstens Abends
Kunden."
„Recht gerne lvill ich mit Ihnen gehen. Aber ich möchte
durchaus nicht —"
„Bitte, bitte, nicht im Geringsten. Sie erweisen mir
damit einen großen Dienst. Sie wissen gar nicht, wie ich mich
sehne. Jemanden mein Herz ausschütten zu können. — Ich
pflege öfters zu seufzen, in der Hoffnung, einen fühlenden
Menschen zu finden, aber bis jetzt hörte ich nur immer als
Antwort: „Ist heiß heute, Lemaitre, ja zum Teufel, ist heiß!"
Oder: „Schlechte Zeiten, schlechte Geschäfte, Lemaitre — geht
Andern auch nicht besser, schlechte Zeiten, Lemaitre!"
Während dessen hatte Lemaitre den Vermenschlichnngs-
prozeß meines Gesichtes ganz vollendet. Er regulirte noch mit
der Scheere hie und da ein sich vordrängendes Haarbüschel,
bürstete meinen Rock und machte dann seine gewöhnliche Ver-
beugung mit den Worten: „Ich habe die Ehre!"
Wir stiegen drei Treppen empor, bis wir vor eine Thiirc
kamen, ans welcher in hübsch verzierter Schrift „Honorö Lemaitre,
Coiffeur" geschrieben stand. Als sich dgs Geräusch hören ließ,
welches Lemaitre's Schlüssel verursachte, öffnete sich die Nachbar-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Von Achten der Siebente"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)