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Drei Wünsche.

. . . Wie lange ich da gelegen habe, weiß ich nicht, auch
nicht, welche Kräfte mich ans meiner Dachstube wegbrachten,
so viel aber ist sicher, daß sich meine Augen wieder öffneten auf
dem wohlbekannten rothen Kanapee unten in der Ladenstube,
von wo aus sonst Herr Bitterlich (ach! da gab es mir den
ersten Stich in's Gewissen) seine langen Krittelreden gegen die
am Fenster sitzende und oftmals weinende Clara zu richten
Pflegte. Ich schloß rasch die Augen wieder, um mir selbst erst
über Alles klar zu werden. Es war kein Zweifel, der ge-
spenstische Grünrock hatte meine Wünsche erfüllt — hatte mir
sogar den Tod meines Vorgängers, die Beerdigung und alle
Schwierigkeiten der Successiou erspart — allerdings auch die
Werbung bei der holden Clara, die ich doch gar zu gerne mit
derjenigen poetischen Gefühlswärme nusgeführt hätte, welche uns
Leute der früheren Zeit vor der heutigen, rohen Jugend aus-
zcichnet. Und außerdem: diese infernalische Zuvorkommenheit
ließ ans ein schreckliches Conto im Jenseits schließen, und ich
hatte nicht einmal daran gedacht, mir die bewußte Vergessenheit
für's Diesseits ausznmachen! Nun, es war bielleicht gut so:
einen Theil meiner fünfzehntausend Renten wollte ich zu frommen
Stiftungen anwenden, um vielleicht meine Seele zu retten.

Als ich mit geschlossenen Augen bei diesem tröstlichen Ge-
danken angekommen war, öffnete ich sie, um mich jetzt von
meinem neuen Besitzstand zu überzeugen. Meine Blicke fielen
gleich aus den braunlackirten Kassenschrank, in dem ohne Zweifel
mein Vermögen lag, dann hefteten sie sich auf den Spiegel
gegenüber, und, o Freude! cs lächelte mir daraus das runde,
glattrnsirte Gesicht mit den schön hereingebürsteten Haaren ent-
gegen, welches immer die Freude meiner guten Mutter gewesen
war. Die Falten waren fort, die Ohrringe glänzten hell über
den großen Vatermördern — ich betrachtete mich mit einem
unendlichen Vergnügen.

Und jetzt wandte ich mich nach dem Fenster, das so oft
Clnra's Kummer und Thränen hinter seinen Nelkenstöcken ver-
borgen hatte, und in der That, da saß die zarte, geliebte Ge-

stalt, den Kopf in die Hand gestützt, ganz wie ehemals und
— — weinte, ganz wie ehemals!!

Einen Augenblick war ich starr, dann erhob ich mich sachte,
schlich zu ihr hin, legte den Arm um sie und stammelte voll
Glückseligkeit: „Mein geliebtes, süßes Täubchen!"

Aber was war das?! Ich bekam einen Ruck mit dem
Ellenbogen, daß ich ein paar Schritte zurücktaumelte, und als
ich mich ihr wieder nähern wollte, sprang sie auf, sah mich
mit einem kirschrothen Gesicht an und schrie: „Laß' mich in

Ruhe, ich mag nichts von Dir wissen. Du bist mir unaus-
stehlich !"

Ich fiel voll Schrecken auf das Kanapee zurück. „Aber
Du bist doch meine Frau!" stammelte ich dann. — „Ja,
leider, aber morgen gehe ich zum Advokaten wegen der Scheid-
ung!" — „Du hast aber doch Deinen Mann nicht geliebt?"
— „Aber Dich auch nicht!" rief sie wüthcnd, und wenn
ich schon Wittwe werden sollte, dann hätte ich meinen Vetter
Louis geheirathet, wcnn's mit rechten Dingen zugegangen wäre.
Und das thu' ich auch noch!"

Damit fuhr sie zur Thüre hinaus, und ich blieb als ein
gänzlich Zerschlagener zurück. Darum mein ewiges Seelenheil
verscherzt, darum den Gewürzkrämer umgebracht! . . Ach, jetzt
schoß cs mir mit tausend Flammen durch's Hirn; ich Unseliger
hatte ja zu wünschen vergessen, daß sie mich lieben sollte. ..
Und der Teufel, der mir die drei Wünsche gestattete, wußte
dies wohl — und hatte mich um meine Seligkeit betrogen!

Als ich so weit war, fing cs wieder an, mir im Kopfe
zu sausen, aus allen Ecken kicherte satanisches Gelächter, es
wurde dunkel um mich her, und mit einem furchtbaren Ruck
riß es mich abwärts, tiefer, immer tiefer und . . .

„Ach!" schrie ich hellauf, von einem heftigen Schmerz an
der Hand getroffen. Es war nicht das Höllenthor, woran sie
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Drei Wünsche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsdatum
um 1881
Entstehungsdatum (normiert)
1876 - 1886
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 74.1881, Nr. 1850, S. 10
 
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