Fliegende Blätter (74.1881 (Nr. 1849-1874))

Sicöaftio«: I. Schneider in München. — Verlag von Braun & Schneider in München.
Kgl. Hof-Buchdruckerei von E. Mühlthaler in München.

72 Deutlich.

Die kluge Botenfrau.

naht sie sich dem Stcuerhausc. Herr Gansbein, der Auf-
seher, steht in der offenen Hausthür, und als Frau Mörickc
mit einem „Guten Morgen" Vorbeigehen will, da ruft er ihr zu:

Vater: „Warum weinst Du denn so, Maxl?" -
Maxl: „Weil ich das Bilderbuch nicht zerreißen kann!"

Die kluge Botenfrau.

Frau Möricke, die Botenfrau von Dittchendorf, geht
schon seit langen Jahren zwischen diesem Dorfe und dem zwei
Stunden entfernten Städtchen Luftheim hin und her und be-
sorgt die kleinen Aufträge in der Stadt. Eines Herbsttages
nimmt sie auch eine Anzahl schöner langer Würste mit nach
der Stadt, welche die Frau Gutsbesitzer Schmollel gern
ihrem Sohn, dem Herrn Amtsrichter in Luftheim schicken
wollte. „Möricken", sagt Frau Schmollet, „hier sind zwei
Mark — daß Sie mir ja die Würste versteuern!" — „Ganz
gewiß," entgegnet Frau Möricke, nimmt das Geld und geht
ab. Aber kaum ist sie auf die Landstraße gekommen, da
sinnt sie auch schon darüber nach, wie sie die zwei Mark für
sich sparen soll. Plötzlich bleibt sie stehen — cs kommt ihr
ein guter Gedanke; sie zieht den Oberrock aus und bindet
alle Würste an einen Strick; diesen befestigt sie um ihre
Taille, so daß die Wurst-Enden nach unlen hängen und zieht
dann den Oberrock wieder an. So trollt sie weiter —
da überzieht sich der Himmel mit Wolken; es sängt langsam
an zu regnen — jetzt wird es stärker — da nimmt Frau
Mörickc den Oberrock auf, damit er nicht bei dem schlechten
Wege beschmutzt werde, und beschleunigt ihre Schritte. Schon !

„Möricken, lassen Sic doch den Rock 'runter, —
die Würste werden ja naß."

Die Schattenseite der unzerreißbaren Bilder-
bücher.

Graf (dein alten, treuen Kammerdiener des Hauses das
Bild seiner Neuerkorenen zeigend): „Nun, wie gefüllt Dir meine
Braut?" — Kammerdiener: „Die muß aber reich sein,
Herr Graf." _