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Schiller un H

hibsches Wcdder Heide. Der Mai läßt sich gut an, Herr Enge-
mann." — „Ja," sag' ich, „diesen Mai ham mer mehr oder
weniger schccn alle Jahre wieder; awcr ach!" — un hier
fiehlt' ich, wie meine Stimme ins Ziddern gcricth — „des
Lcwcns Mai, der blicht blos ecmal un dann nich wieder!"

Da stutzt' er zum zwceden Male. — „Herr Engemann,"
sagt' er, „nehmen Sc mersch nich iwcl, awcr Sie sin ja ein
— ein — na, wie soll ich mich gleich ausdricken? Sic stecken
ja dorch un dorch voller Bocsie! Das Hamm Sc mer wie aus
der Seele gesprochen."

„Ja, Schiller," sag' ich un richde mich zwee Zoll hcehcr
uf, „einigermaßen bin ooch ich in Arkadjen geboren."

„Ja ja," sagt er, „das merk' ich. Un da Sic so gut
in Arkadjen Bescheid wissen, so is Ihnen vermuthlich ooch
jenes Gefielst nich gans fremde gebliewen, welches de Menschen
mit den Namen Liewe bezeichnen."

„O," fall ich ihn ins Wort, „daß sic doch ewiglich
grienen un blichen bliewe die holde Zeit der schccnen Liewe!
Das Ooge sieht gewissermaßen in den off'ncn Himmel 'nein;
denn wo das Strenge mit'n Zarden, >vo Starkes sich un
Mildes baardcn, begommt man einen hellen Klangk! Wer
awer sich ficr immer bindet, solldc niemals vcrseimcn, sich vorher
zu iwerzeigen, ob sich das Herz zum Herzen findet. Denn:
die Rei' is korz, der Wahn is langk!"

„Engemann! Mensch!" brillt pletzlich Schiller un backt
mich kramfhast bei'n Arme, „soll Ich oder wollen Sie de
Glocke schreiwcn?" — „Schiller," sprech ich gelassen, „was
wollen Sic damit sagen?" — „Ä, ich hadde da," mccut er,
„so ä Plänichen zu ä Gedichde. 'S solldc nächstes Jahr in
Musen-Almenache erscheinen •- un jetzt nehmen Sic mer de
besten Gedanken dcrzu vor'n Munde weg. . . Herr Engemann,
da gommt mer cnne Idee — : Sie zichn mit nach Weimer,
un mer arwciden zesammcn!" — „Nee," sag' ich, „Schiller,
dadrans wärd ec- fcr allemal nischt. Leibzig bleibt Lcibzig! Un
wenn ooch villcicht de Dhomasschnlc nach mir ü andern Uswärder
finden würde, da mecht' ich doch wißen: wo soll de Welt noch
ü Baar clegandc Sticfelhelzer herkricgcn, wenn Engemann geene
mehr fawriziren wolldc? Haw' ich Recht oder haw' ich nich
Recht, Schiller?" — „Hm," macht' er, „dadergegen läßt sich
freilich nischt sagen." — „Außerdem, erlowen Sc ämal, daß ich
Ihre ccgncn Wordc gebrauche," sag' ich, „außerdem gann ich
dorchaus mich nich entschließen, Färschdcndiener ze sin," sag'
ich. — „Ach," spricht Schiller, un seine Dogen leichdcn, „Sic
scheinen meinen Wallenstecn bereits aus'n Fnndamende ze
gennen?" — „Ihren Dong Garlos!" wcrf' ich mit ä Blicke
des leisen Borworss derzwischen. — „Richdig, richdig — Dong
Garlos! Was will ich denn? Awcr Se dürfen mer das würklich
nich so Iwcl nehmen, Herr Engemann! Schn Se, wenn
eener wie ich schönste so ü ganscs halwcs Dutzend solche Dinger
geschricwcn hat, da. .. Awcr was ich eegentlich sagen wollde:
Herr Engemann, Sic zirnen, daß ich so viel mit'n Wcimcr-
schcn Hofe vergchre? Denn das meenden Se doch wohl vorhins
mit den Wordc Färschdendicncr?" — „Nee, Schiller, miß-
verstehen Sc mich nich. Was sich fer'n Uswärder an der

err Engcmann.

Dhomasschule nich schickt, das geziemt sich doch fcr ü Mann
wie Ihnen. Soll doch," so fahr' ich mit erhowcner Stimme
fort, „soll doch der Dichder mit'n Großherzoge gehen, sie
logircn bccdc ns der Menschhcct Heehcn!"

Da reißt mei Schiller den Rock ns un holt mit ziddcrn-
dcn Händen ü Nodizbiechelchen aus der Seidcndasche.

„Wollen Sc mer nich bcrscenlich nach Weimar folgen, so
sollen mich doch Ihre Gedanken begleiden. Se sin mehr wohl
nicht bccse, Herr Engcmann, wenn ich mer diese Worte ä
bischen ufschreiwe? In Vertrauen gesagt, nrwcide ich jetzt
nämlich gerade an ü ncicn dramat'schen Dheadersticke „De
Jungkfrau von Orlejangs," und sehn Se, wic's eenen nu
manichmal geht: gleich in der zwccdcn Jene blciw' ich stecken
un gann un gann nich weider. Ihre Wordc,. verehrdcster Herr
Engcmann, hawen mir ä ncicn — tvie soll ich sagen? —
ä ncicn Jmbuls gcgcwcn. Wenn Se mer gcstaddcn, dieselwcn
an der betreffenden Stelle einzufiegen, so is meine Jnngkfrau
schon so gut wie ze Ende gedichtet." — „Schreiwcn Sc's
ruhig hin," sag ich; „meine Lorbeern wachsen uf ü andern
Gebicdc." — „Herr Engemann," spricht Schiller geriehrt un
greift mit seinen bccden Händen nach meinen. Sie Hamm mich
da ans cnncr großen Verlegcnheet gerissen. Wie gesagt: in
Sic steckt ä ganser Dichder. Wenn Sic nur wolldcn, Sic
Schwercnccdher! Wenn Sic nur wolldcn!" —

Pletzlich awcr reißt er die Uhr aus der Weste.

„Sabbcrment!" ruft er, „'s is ja schon de hcechste Zeit!
In zwansig Minndcn fchrt die Gclwc Gutsche ab. Lewen Sc
mer scheene wohl, dheicrschdcr Herr Engemann! Was wärd
sich meine Scharlodde freien, wenn sc heert . . . Awcr das
missen Se mer erlowen, Herr Engcmann, daß ich nächstens
ämal an Sic schreiwe!"

„Schreiwcn Sc soviel wie Sc wollen," sag' ich, „un
wenn ich bidden därf, empfehlen Sc mich Ihrer Frau Gemahlin
gans gchorschamst."

„Me," fingk Schiller wieder an, „der Abschied geht mer
doch näher als ich dachte! Lassen Se sich umarmen, Herr
Engemann!" — Un dabei wischt' er sich cnne Thrünc mit'n
Rockärmel aus'n Oogn.

„Fassungk!" sag'ich, „Fassungk, Schiller! Der Schmerz
is korz, doch ewig währt de Frcidc!" . . . un damit riß ich
mich gewaltsam aus seinen Armen un gingt ruhig meiner Wege.

Awcr nach zwansig Schriddcn gönnt' ich's nich mehr
iwersch Herze bringen — ich gnckdc mich noch ämal um.
Richdig halt' er wieder sei Biechelchen bei'n Wickel un nodirtc
sich was! Dann saust' er mit eiligen Schriddcn den Ran-
städter Dhore zu.

Na, der Sommer gam 'ran, der Herbst verstrich, 's Jahr
war um, un ich sah un Heerde nischt von meinen Schiller.
Endlich in Frichjahre achzehnhundert denk' ich, de willst'» doch
ämal ä frcindschaftlichen Ribbenstoß gcwcn, mache mich also
dran un deichsele ä Baar Sticfelhelzer zesammcn, wie sc de
Welt vorher un nachher nich gesehen hat; massiv von Machoni
un mit ächt vcrgold'ten Handhawen! Dann setz' ich mich
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