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Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging.

sehen, daß ich in die topographische oder trigonometrische Ab-
theilung käme."

„Ja, Kauz," sagte ich, „das wäre mir natürlich auch lieber.
Aber werde ich da auch fertig werden?"

„I gewiß, Kreuzschnabel! Du mußt Dir nur die Sache
nicht so schwierig vorstellen. Sobald Du erst einigermaßen
aus die Kurve dressirt bist und Deine Radlinie schlägst, läufst
Du ganz von selbst. Die Hauptsache ist, daß Du das gleich-
schenklige Dreieck verarbeiten lernst und einen richtigen Kegel-
schnitt heraus bekommst."

Da ich nun das Kegelschneiden stets aus dem Grunde ver-
standen habe und mir die Sache mit dein gleichschenkligen
Dreieck auch nicht schwierig vorkam, so beschloß ich demgemäß
zu handeln, warf mich am folgenden Morgen in Wichs und
begab mich in das Generalstabsgebäude, um mich bei dein
Chef in absentia Generallieutenant von T. . zu melden.

„Seien Sie aufs Beste willkommen, lieber Kreuzschnabel,"
sagte die Excellenz, nachdem ich meine Meldung in strammer
Weise geniacht hatte, „ich denke, es soll Ihnen bei uns ge-
fallen. Sie kommen zunächst in die Plankammer, deren selb-
ständige Leitung Sie später übernehmen sollen."

„Nur tapfer, Kreuzschnabel!" rief ich mir zu, und fuhr dann
laut fort: „Excellenz, diese Perspective ist ganz ausgezeichnet,
aber ich glaube, ich bin für diesen Dienstzweig nicht recht ge-
eignet. Gelegenheit, sich auszuzeichnen, ist hier gerade nicht im
Uebermaß vorhanden, und als alter gedienter Soldat bin ich
gewohnt, mich in hervorragender Weise nützlich zu machen. Da
nun in der topographischen und trigonometrischen Abtheilung
noch Stellen offen sind, möchte ich gehorsamst bitten, —"

Der Herr Generallieutenant machte ein ernstes Gesicht und
unterbrach mich mit einer abweisenden Handbewegung.

„Unmöglich, Herr Oberstlieutenant! unmöglich!" — „Meiner
unmaßgeblichen Ansicht nach kann es auf einen Versuch nicht
ankommen, Excellenz. Was ich noch nicht weiß, werde ich
lernen, denn ich habe den besten Willen von der Welt. Mit
dem Kegelschnitt bin ich so ziemlich vertraut. Das gleich-
schenklige Dreieck bietet mir auch keine Schwierigkeiten und
wenn ich erst auf die Kurve dressirt bin und ineine Radlinie
schlage, dann brillire ich so gut wie der beste Topograph von
der Welt." Es war mir, als zucke es blitzartig in den ernsten
Zügen des Vorgesetzten. Wollte er zürnen oder wollte er lachen?
„Kreuzschnabel", sagte er, „Sie sind unverbesserlich. Aber ich
will mir's überlegen. Fragen Sie morgen wieder an. Für
heute ist's doch nichts. Morgen ivollen wir weiter über die
Sache reden."

Ich verabschiedete mich, vollständig mit dem Ausgang dieser
Unterredung zufrieden. Ein Dececnat in der trigonometrischen
Abtheilung konnte mir unmöglich entgehen. Ich hatte es durchgesetzt.

Da ich mich selbstverständlich für mein neues Arbeitsfeld
mächtig interessirte, so attaquirte ich einen alten Kanzleirath,
welcher mit einigen Schriftstücken über den Corridor huschte,
daß er mich ein Bischen in den Arbeitssälen herumführe. Der
alte Herr war auch hierzu bereit, und unter seiner Führung
betrat ich zunächst die Räume, in welchen die Topographen

arbeiteten. Als ich daselbst die Menge Zeichnungen und Pläne
gewahrte, in welche die Arbeiter vertieft waren, dazu die ver-
schiedenen wunderbar construirten Instrumente, überkam mich
ein neues bis dahin nie gekanntes Gefühl. Um es kurz heraus
zu sagen: Mir standen die Haare zu Berge. „Kreuzschnabel!
Sei kein Narr!" suchte ich mich zu ermuthigen. „Diese Leute
sind um kein Haar anders, als Deine Grenadiere. Da ar-
beitet man mit dem Eisenstift und hier mit dem Bleistift.
Das ist der ganze Unterschied." Und darauf fuhr ich mit
einem donnernden „Morrjcn, Topographen!" auf die Gesell-
schaft los- Der Gegengruß siel ziemlich oberflächlich aus. Am
meisten aber verdroß es mich, daß einer der Zeichner mich ganz
verblüfft ansah, als wolle er sagen: „Nanu? Was will denn der
hier?" Eigentlich ivar es ja nicht zuni Verwundern. Mein Gesicht
mochte nicht recht in diese Umgebung passen.

„Sagen Sie mal, Freundchen! Was machen Sie da
eigentlich?" fuhr ich auf den Nächsten los. Der Mann ver-
fehlte nicht, mir in wcitschweifender Weise eine Erklärung seiner
Thütigkcit zu geben.

„Immer Notizen machen, Herr Oberstlieutenant!" wisperte
der Kanzleirath, „immer Notizen machen."

„Der alte Herr hat Recht. Er ist sicherlich ein großer
Praktikus," dachte ich, zog meine Schreibtafel hervor und
schrieb den Salm auf, den der Topograph mir vorkaute.

Und so stöberte ich auch in den andern Abtheilungen umher,
fragte und forschte mit unerhörtem Eifer und machte riesige
Notizen. Der Wahrheit die Ehre. Die braven Leute waren
eben so erpicht, mich zu belehren, wie ich, zu lernen. Sie
buchstabirten mir sogar die Fremdwörter vor. Als ich aber
am Nachmittag verdauend in meiner Bude saß, spürte ich ein
verdächtiges Rumoren in meinem Schädel und gelangte bald
zu der Ueberzeugung, daß es das Mühlrad sei, das sich in
solchen Fällen einzustellen pflegt.

Ich brachte es dadurch zum Stillstehen, daß ich mich aufs
Ohr legte und zu schnarchen begann. In aller Frühe aber
erhob ich mich wieder, fiel sofort über meine Notizen her und
lernte so viel als möglich davon auswendig.

Bald nach dem Frühstück machte ich auf's Properste Toilette,
und da jedenfalls noch einige Meldungen zu machen waren,
mußte mein Bursche die Epauletten anknöpfen. Denn ein
Generalstabs-Osfizier muß vor allen Dingen imponiren. Als
ich in das Generalstabsgebäude trat, kam mir einer der Adju-
tanten des Chefs schon entgegen und sagte:

„Herr Oberstlieutenant! Es gereicht mir zum besonderen
Vergnügen, Ihnen die Mittheilung machen zu können, daß
Ihr Wunsch erfüllt ist. Sie sollen das Pensum des Herrn
Major von Wülsten übernehmen, welcher zum Regiment zurück-
tritt, und wollen Sie sich gefälligst bei dem Präses der topo-
graphischen Abtheilung, dem Herrn Oberst so und so, melden!"

Ich bedankte mich in einer Weise, als verstände sich dies
Alles von selbst, und schritt dann stracks nach dem Bureau
meines neuen Chefs.

Selbiger war ein ernster pflichtstrenger Mann und schien
gegenwärtig stark in Anspruch genommen. Er sah sehr be-
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