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Der glückliche Gewinner.

jedem das gleiche Abkommen auf die Hälfte des Gewinnes
getroffen hatte, fühlte er sich schon im Besitze eines halben
Schweines und sah deßhalb mit Gemüthsruhe dem Preiskegel-
abend entgegen.

Der große Festtag kam heran. Eine Damenkaffeeschlacht
hatte schon am Nachmittag die Festlichkeiten eröffnet, und als der
Abend herankam und sich auch die Herren eingefunden hatten,
begab sich Alles auf die mit Guirlanden und Emblemen reich
geschmückte Kegelbahn.

Dicht neben derselben konnte man einen Bretterverschlag
wahrnehmen, worin die Prämie aus dem Bakonyer-Wald
grunzend ihre Anwesenheit verrieth.

Zunächst that nun Jeder einen Wurf, gemäß dessen Resultat
man die Reihenfolge der Schieber bestimmte. Daß Förster
Schatte dabei der Letzte wurde, fanden Alle begreiflich, hin-
gegen mußte es Verwunderung erregen, daß die launische Glücks-
göttin heute den Doktor zum Vorletzten machte.

Das Preiskegeln Begann. Trotzdem die Mitglieder des
Clubs — schon der vollzählig erschienenen Damen wegen, nicht
minder des in Aussicht stehenden Schweines halber — alle
Anstrengungen machten, war der üblich ersehnte Ruf des Kegel-
jungen doch ebenso selten zu hören, wie gewöhnlich, bis der
Metzgermeister Fleischer — zweimal „Alle Neune" schob und
dadurch dem Kegeljungen die Zunge löste. Schatte rieb sich
vergnügt die Hände. Schon beglückwünschte man — ob auf-
richtig, mag dahingestellt bleiben — den Metzgermeister all-
gemein, als die Nächstfolgenden wie immer, so auch heute,
mit den Kegeln sehr glimpflich umgingen.

Jetzt kam Doktor Schmidt 'an die Reihe. Hatte man den
Doktor in Folge seines anfänglichen Mißgeschicks heute Abend
für nicht cvncurrenzfähig gehalten, so widerlegte er alle Zweifel
gründlich durch seine kunstgerechten drei Kugeln, mit denen er
den Metzgermeister übcrschob — wenn auch ohne die höchst-
mögliche Nummer, die er sonst gewöhnlich zu erreichen pflegte.
Schatte rieb sich abermals vergnügt die Hände; er freute sich,
dem Glücke, das ihm bisher mit Konsequenz unhold gewesen,
diesmal ein Schnippchen geschlagen zu haben. Mit Gleich-
muth ergriff er dann aus dem Kugelkasten die zunächst liegende
Kugel und wog dieselbe prüfend in der Hand, gleichzeitig die
Distanz mit Kennerblicke.» schätzend. In diesem Moment
hörte er, wie seine Frau in einem ihm nur zu wohl be-
kannten Tone zur Gattin des Stadtsteuereinnehmers Müller
sagte: „Nein, wissen Sie, Frau Steuereinnehmerin, ich

würde ja nichts dagegen haben; wenn aber so ein Mann
von einer Sache rein gar nichts versteht, so ist cs doch ein
Unsinn, wenn er darauf versessen ist." — Der Förster hatte
genug gehört; ingrimmig schleuderte er die Kugel hinaus und
»Alle Neune!" brüllte der Kegeljunge. Allgemeines
Staunen! Schatte jedoch ergriff scheinbar mit größter Seelen-
ruhe die zweite Kugel — — Was war das? Wieder prasselten
die Kegel nach allen Richtungen hin auseinander und triumphircnd
erklang abermals des Kegeljungen „Alle Neune!" — Frau
Schatte wurde aufmerksam. — Jetzt die dritte Kugel ... Schatte
mußte mit dem Teufel paktirt haben, wieder „Alle Neune!"

Der Kegeljunge johlte. Auf einen solchen Ausgang >var wohl
Niemand gefaßt gewesen, am Wenigsten die Frau Försterin;
das >var ja geradezu unerhört, das hätte sie nie geglaubt. Im
Stillen gelobte sie sich, ihrem Manne nie mehr einen Vorwurf
über die Kegelei zu machen.

„Achtung!" rief plötzlich eine rauhe Stimme hinter ihr,
so daß sie erschreckt zur Seite trat. Der Hausknecht rollte ein
großes Faß Bier an Frau Schatte vorüber und beim Anblick
desselben brach der Jubel los: „Ein Hoch! dem gliicklichen Ge-
winner und edlen Spender!" — Einem aufmerksamen Beobachter
wäre cs nicht entgangen, daß sich das Gesicht der Frau Försterin
bei den: Worte „Spender" verlängerte. Aber auch Schatte
selber sah gar nicht wie ein glücklicher Gewinner aus, vielmehr
spiegelte sich in seinem Gesichte im schnellsten Wechsel Aerger
und Verlegenheit sichtlich wieder, als der Doktor mit einem
vieldeutigen Lächeln zu ihm sagte: „Mein lieber Herr Schatte,
ich freue mich ungemein Ihres heutigen Erfolges und wünsche,
Sie möchten recht oft solche glückliche Tage haben!" Die
Ironie, die in diesem Glückwünsche lag, entging Schatte gänzlich
— vielleicht deßhalb, weil in diesem Augenblicke die Försterin
mit dem Metzgermeistcr Fleischer an die Beiden herantrat.

„Höre, Schatte", sagte Fleischer, dem Förster freundschaft-
lich auf die Schulter klopfend, der erschreckt zusammeufuhr,
„was willst Du mit dem halben Schweine? Wie wär's, wenn
ich's Dir abkaufte — nnt Deiner Frau habe ich bereits darüber
gesprochen." Schatte blieb sprachlos, nur seine Blicke irrten
ängstlich umher und blieben dann wie hilfesuchend auf de»,
Doktor haften. Dieser wandte sich an Fleischer: „Meister, ich
darf wohl annehmen, daß Sie auch auf die mir gehörige Hälfte
reflectiren?" Fleischer lachte: „Da8 ist komisch, meiner Ansicht
nach hat das Schwein nur zwei, nicht drei Hälften."

„Das will ich auch nicht behauptet haben", entgegnetc der
Doktor, „der Herr Förster wird mir aber bestätigen, daß nach
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"Der glückliche Gewinner"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsdatum
um 1886
Entstehungsdatum (normiert)
1881 - 1891
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 85.1886, Nr. 2145, S. 74
 
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