170 Die „Farw".
Agent --- mittäglich so stramm in die Stammzelle des
Rathskellers tritt, kann man in ihm den Sechziger nicht
vermuthen. Keine Falte furcht sein Gesicht, Haupt- und
Barthaar ist ohne jeglichen Silberfaden, und wie ein
Jüngling blickt er mit seinen treuherzigen blauen Augen,
in denen sich der Schalk nur mühsam verbirgt, frisch in
die Welt hinein.
Viel hat unser Freund in jüngeren Jahren, bevor
noch die Eisenbahn ihni ein schnelles und bequemes Reisen
ermöglichte, erlebt, selten erzählt er etwas, aber wenn er
sich in Positur setzt, die Cigarrenasche abstreift und nach
leichtem Räuspern mit seinem üblichen: „Also, als ich"
beginnt, dann herrscht plötzlich Ruhe, auch unter den
Alten; die Staats- und Stadtpolitik ist vergessen, Jeder
stärkt sich schnell noch einmal, und dann lauscht Alles
gespannt der Rede unseres Nestors.
„Also, als ich", begann er letzthin, „noch als junger
Mann hier lebte, erschien eines Morgens mein Jugend-
freund Bernhard aus Pommern in meinem Zimmer,
weckte mich und rief mir zu: „Junge, stah' up!" Wie
im Traume sah ich Frack und weiße Binde, ermunterte
mich schnell und fragte ganz erstaunt: „Mein Gott, Bern-
hard, wat is denn mit Di' los?"
, „Ja", antwortete er, „stah' schnell up, ick will mi'
verloben; det Brutbouquet is bestellt, die Gäste sind taum
groten Middageten von minen taukünftigen Swigervader
gebeten, mit mine Brut bin ick so wiet einig, dat det
man blos verkünnigt tau werden brukt, und de will'n
wi Beiden ollen Frün'n noch vörher 'n Buddel up gued
Glück drinken!"
„Mi is det recht", sagte ich, „denn möten wir aber
noch Krischen Brandten holen laten — de möt mitholl'n!"
Dies geschah denn auch, und so zogen wir in fröh-
lichster Stimmung in die gastliche Weinstube des alten
Kühn. Zwei Flaschen guten Rothspohn hatten wir ge-
leert und bei jedem Glase auf „gutes Glück" angestoßen,
da erhob sich Bernhard, um den verhängnißvollen Gang
anzutreten. „Junge, wo willst Du denn all hen?" riefen
wir ihm zu und drückten ihn auf seinen Stuhl zurück,
„det geiht doch nich.. Du sähst ganz blaß nt un hast noch
nich de richtige Farw — de mötst Du Di ierst noch
andrinken. . . Herr Obersaalkellner/ noch 'n Buddel!"
Eine Flasche nach der anderen kam, und bei jeder mußten
wir dem angehenden Bräutigam versichern, daß die
Farbe immer noch nicht stimmte.
Unterdessen warteten Schwiegereltern, Braut und Gäste
lange auf die Hauptperson und — vielleicht warten sie noch.
Endlich hatte Bernhard die „Farw" — mit ihr aber
auch fidele Beine und einen großen Affen.
„Junge, nu is et Tied, nu geh — Du sähst jetzt so
hübsch roth ut; det werd Dien Brut gefallen!"
Und er segelte ab, der arme Schelm, aber nicht in
den Vorhafen der Ehe, sondern direkt nach dem Hotel,
von da in die Bahn nach Hause in den alten Junggesellen-
stand zurück — dem er auch heute noch treu geblieben ist."
Touristen-Seufzer.
„Wie schade, daß Salzburg nicht Regensburg
I heißt!" _ .
Theure Neigung.
Ich kaufe alles bei Herrn Maier Mir ist die Ladnerin zu theuer —
Und nehm' es ungehandelt fort: D'rum ist mir nichts zu theuer dort!
Schlau.
„Du, Sepp, dees laß' i' Dir fein net so hingeh'n, daß D' der
Lener Kathl so schön 'than hast — a' Buß muaß sein — aba nur a'
kleine!" — „No, so gib ma' halt a' Bußerl!"
Treffend.
„Verdammte Bestien", ruft wüthend ein Sonntagsjäger, der fortwährend
auf Hasen schießt, ohne daß einer liegen bleibt. — „Da können Sie lang
schimpfen, Herr Baron", meint boshaft der Oberförster, „die fühlen sich halt
nicht getroffen!" _
Zu verlockend!
Präsident: „Wie kamen Sie dazu, einzusteigen?" — Angeklagter:
„Herr Präsident: in der Nacht um zwei, kein Wächter da, in der Näh' ein
offenes Parterrefenster — da wären Sie auch emgestiegen!"
Agent --- mittäglich so stramm in die Stammzelle des
Rathskellers tritt, kann man in ihm den Sechziger nicht
vermuthen. Keine Falte furcht sein Gesicht, Haupt- und
Barthaar ist ohne jeglichen Silberfaden, und wie ein
Jüngling blickt er mit seinen treuherzigen blauen Augen,
in denen sich der Schalk nur mühsam verbirgt, frisch in
die Welt hinein.
Viel hat unser Freund in jüngeren Jahren, bevor
noch die Eisenbahn ihni ein schnelles und bequemes Reisen
ermöglichte, erlebt, selten erzählt er etwas, aber wenn er
sich in Positur setzt, die Cigarrenasche abstreift und nach
leichtem Räuspern mit seinem üblichen: „Also, als ich"
beginnt, dann herrscht plötzlich Ruhe, auch unter den
Alten; die Staats- und Stadtpolitik ist vergessen, Jeder
stärkt sich schnell noch einmal, und dann lauscht Alles
gespannt der Rede unseres Nestors.
„Also, als ich", begann er letzthin, „noch als junger
Mann hier lebte, erschien eines Morgens mein Jugend-
freund Bernhard aus Pommern in meinem Zimmer,
weckte mich und rief mir zu: „Junge, stah' up!" Wie
im Traume sah ich Frack und weiße Binde, ermunterte
mich schnell und fragte ganz erstaunt: „Mein Gott, Bern-
hard, wat is denn mit Di' los?"
, „Ja", antwortete er, „stah' schnell up, ick will mi'
verloben; det Brutbouquet is bestellt, die Gäste sind taum
groten Middageten von minen taukünftigen Swigervader
gebeten, mit mine Brut bin ick so wiet einig, dat det
man blos verkünnigt tau werden brukt, und de will'n
wi Beiden ollen Frün'n noch vörher 'n Buddel up gued
Glück drinken!"
„Mi is det recht", sagte ich, „denn möten wir aber
noch Krischen Brandten holen laten — de möt mitholl'n!"
Dies geschah denn auch, und so zogen wir in fröh-
lichster Stimmung in die gastliche Weinstube des alten
Kühn. Zwei Flaschen guten Rothspohn hatten wir ge-
leert und bei jedem Glase auf „gutes Glück" angestoßen,
da erhob sich Bernhard, um den verhängnißvollen Gang
anzutreten. „Junge, wo willst Du denn all hen?" riefen
wir ihm zu und drückten ihn auf seinen Stuhl zurück,
„det geiht doch nich.. Du sähst ganz blaß nt un hast noch
nich de richtige Farw — de mötst Du Di ierst noch
andrinken. . . Herr Obersaalkellner/ noch 'n Buddel!"
Eine Flasche nach der anderen kam, und bei jeder mußten
wir dem angehenden Bräutigam versichern, daß die
Farbe immer noch nicht stimmte.
Unterdessen warteten Schwiegereltern, Braut und Gäste
lange auf die Hauptperson und — vielleicht warten sie noch.
Endlich hatte Bernhard die „Farw" — mit ihr aber
auch fidele Beine und einen großen Affen.
„Junge, nu is et Tied, nu geh — Du sähst jetzt so
hübsch roth ut; det werd Dien Brut gefallen!"
Und er segelte ab, der arme Schelm, aber nicht in
den Vorhafen der Ehe, sondern direkt nach dem Hotel,
von da in die Bahn nach Hause in den alten Junggesellen-
stand zurück — dem er auch heute noch treu geblieben ist."
Touristen-Seufzer.
„Wie schade, daß Salzburg nicht Regensburg
I heißt!" _ .
Theure Neigung.
Ich kaufe alles bei Herrn Maier Mir ist die Ladnerin zu theuer —
Und nehm' es ungehandelt fort: D'rum ist mir nichts zu theuer dort!
Schlau.
„Du, Sepp, dees laß' i' Dir fein net so hingeh'n, daß D' der
Lener Kathl so schön 'than hast — a' Buß muaß sein — aba nur a'
kleine!" — „No, so gib ma' halt a' Bußerl!"
Treffend.
„Verdammte Bestien", ruft wüthend ein Sonntagsjäger, der fortwährend
auf Hasen schießt, ohne daß einer liegen bleibt. — „Da können Sie lang
schimpfen, Herr Baron", meint boshaft der Oberförster, „die fühlen sich halt
nicht getroffen!" _
Zu verlockend!
Präsident: „Wie kamen Sie dazu, einzusteigen?" — Angeklagter:
„Herr Präsident: in der Nacht um zwei, kein Wächter da, in der Näh' ein
offenes Parterrefenster — da wären Sie auch emgestiegen!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schlau"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 94.1891, Nr. 2389, S. 170
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg