Fliegende Blätter (94.1891 (Nr. 2371-2396))

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1492.

Jahre 1492 eigentlich ereignete. „Ha!" ruft der Gummi-
mensch. Erstaunt betrachten ihn die Andern, ob er etwas Be-
sonderes entdeckt habe.

„Entdeckt? Freilich was entdeckt — die Zahl hängt mit
der Entdeckung Amerikas zusammen."

„Richtig, in jenem Jahr hat Columbus Amerika erfunden!"

Nun ist's gewonnen! Herr Dämpfte braucht sich nur zu
merken, daß Columbus im Jahre 1492 Amerika entdeckt hat
und er wird sein Coup» spielend wieder finden.

Ein Seufzer der Erleichterung fliegt bei'm 62. Kilometer
gen Himmel. Herr Dämpfte dankt den Reisegenosseu aus
ganzem Herzen und die Jahreszahl der amerikanischen Ent-
deckung will er in Wien gleich in die Lotterie setzen — vielleicht
hat er in Oesterreich so viel Glück wie Columbus in Amerika!

Die Dampfpfeife ertönt; rasselnd fährt der Zug in Rosen-
heim ein. „Also 1492 Entdeckung von Amerika!" rufen die
Reisenden dem aufgeregten Dämpfle zu, der eben das Coups
verläßt und durch den Bahnsteigtunnel nach der Restauration
hastet. „Einsteigen nach Salzburg, Wien — höchste Zeit!" Klapp,
klapp, stiegen die Wagenthüren zu; der Beamte vom Tages-
dienst sieht nach der Uhr, der Stundenpaß des Zugführers ist
visirt, der Zug wird jeden Augenblick aus der Halle dampfen.

Da pustet Herr Dämpfte mit einem Kranz von Regens-
burger Würsten und einem Maßkrug beladen die Treppe herauf.
„Rasch, rasch!" ruft der Condnctenr. „Wo ist Ihr Coups?"

„Ja wisset Sie das nit?"

„Rasch, rasch!"

„Erlaubent Sie, Herr Conducteur, i' Hab' die Wagennummer
vergesse... aber könnet Sie mir nit sage, wann Columbus
Amerika entdeckt hat?"

„Sind Sie verrückt?"

„Noi . . . aber sage Sie mir um Himmelswillen, wann
hat Columbus Amerika entdeckt?"

Unwillig wendet sich der Schaffner ab und besteigt den
j Dienstwagen. Aengstlich sucht Herr Dämpfle mit den Augen
die Zugreihe ab, ob denn die drei Reisegenossen nicht zum
Fenster heraussehen, dann wäre sein Coups leicht gefunden.
Aber die schlechten Menschen — traue der Kuckuck einem
Musterreisenden! — schauen wie zum Trotz nicht heraus, und
Herr Dämpfle kann sich auf die Jahreszahl der Entdeckung
Amerikas absolut nicht besinnen... Ha! ein Gedanke! Er stürzt
auf einen Beamten zu und fragt: „Entschuldigen, Herr Ex-
peditor, könnet Sie mir nit sage, wann Columbus Amerika
entdeckt hat?"

Der Beamte blickt Herrn Dämpfle ganz kurios an und
winkt mit der Hand. Drei scharfe Schläge, ein schriller Pfiff
des Obcrschaffncrs, ein Dampspfiff und fort ist der Zug.

„O mein lieb's Herrgöttle, jetzt ischt '§ Zügle fort mit
meiner ganzen Bagasch!" jammert Herr Dämpfle zum Stein-
erweichen. Einige Kofferträger treten hinzu — halb aus Mit-
leid, halb aus Neugierde. „Warum der Herr nicht eingestiegen
war' bei Zeiten? Und ob der Herr wenigstens die Wagen-
nummer wisse, dann könnte nach Salzburg wegen des Gepäcks
telegraphirt und selbes aus dem betreffenden Wagen genommen
und aufgehoben werden!"

„Ja, wegen der Malefiz-Wagennummer Hab' i' ja den
Zug verpaßt!" jammert Herr Dämpfle. . . . „Aber wissent die
Herren vielleicht, wann Columbus Amerika entdeckt hat?"

„ Was? . . . Du, der ist verrückt!" sagen die Bahn-
bediensteten und führen den consternirten Reisenden zum Ex-
peditor. Jetzt wird auch der wackere
Schwabe ärgerlich — er will mit
Gewalt wissen, wann Columbus
Amerika entdeckt hat. Mehr ist aus
ihm nicht herauszubringen. Die Be-
amten wissen nicht mehr, was mit
dem curiosen Menschen ansaugen, bis
der Bahnamtsvorstand erscheint, der
Herrn Dämpfle fragt, warum er
gerade diese Jahreszahl wissen
möchte.

„Weil sie meine Wagennummer
im Zügle hat!"

Heureka! Sofort geht eine Depesche
ab: „Bahnamt Salzburg, Effecten des
zurückgebliebenen Reisenden Dämpfle
aus Waggon Nr. 1492 Coups D
herausnehmen, aufheben!"

Mit dem nächsten Postzug Wagen-
nummer 22984 rollt Herr Dämpfle
dem Schnellzug nach. — Die Jahres-
zahl der Entdeckung Amerikas hat er
nimmer vergessen.