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213

Die Vergangenheit.

sich doch gewiß nichts vorzuwerfen. Und kleine Thorheiten begeht
am Ende jede geistvolle Frau."

Klara sah mich mit ihren großen, schonen Augen entsetzt an.

Erinnerte sie sich, daß dies dieselben Worte waren, die sie zu
Selica gesprochen?

Und sonderbarerweise rief mein armes Opfer, Herr Emil:
„Vetter, Sie sind ein ganz patentes, altes Haus! (Ich mußte ans
die Lippen beißen, um nicht laut aufzulachen.) So ist cs recht!
Wer wird auf die Vergangenheit eifersüchtig sein?"

„Ja, das ist eine Thorheit!" bestätigte ich. „Ich verlange
auch gar nicht, daß Klara, che sie mich kannte, für mich geschwärmt
haben soll; ich wünsche auch nicht, ihr, wie Graf Wetter von Strahl
seinem Käthchcn, oder Lohengrin seiner Elsa, im Traume genaht zu
sein, ich bin es zufrieden, wenn sie mich nur jetzt recht herzlich liebt!"

Klara sah mich erstaunt an. Es schien, als begänne ihr eine
Ahnung aufzudämmern, wo ich eigentlich hinauswollte.

„Also", fing der Vetter an, „Ihre liebe Frau war in ihrer
Kinderzeit und als erblühende Jungfrau sehr fromm!"

„Das freut mich! Frömmigkeit ist eine Zierde der Frauen!"

„Ja, aber ich glaube, sie besuchte die Kirche mehr um eines
langen, trockenen Candidaten willen!"

Klara war aufgebracht. — „Wie können Sie nur so etwas
sagen?" fuhr sie den unglücklichen Vetter an. „Sie werden auch
Ihrem Leben nie gescheidter!"

„Aber, liebes Kind, ereifere Dich doch nicht! Laß den Vetter
ruhig erzählen!"

„Ja, Vetter, nehmen Sie mich nur in Schutz!" quäckte Emil,
„lieber unsere Asfairen ziehen die Damen immer her, aber von
de» ihrigen soll nie ein Sterbenswörtchen gesprochen werden!"

„Nun, Vetter Emil, das Ganze ist doch auch nicht schlimm!"

„Erlauben Sic, es kommt aber noch besser!"

„So, Sie machen mich neugierig!"

„Die erste Liebe Klaras sind Sie eigentlich nicht!"

„Die wie vielte denn?"

„Emil!" rief Klara in unmuthsvollcm Tone — aber der
©portsman ließ sich nicht abhalten.

„Da war ein Student — ja, ja, Cousine, es muß Alles an
dan Tag —“

„Gott", unterbrach ihn meine Fra», „den Unsinn anhören und
dazu schweigen zu müssen!"

„Da war ein Student", fuhr Emil fort, „Namens Fritz
Schuhmacher. An den hatte sic als fünfzehnjähriges Mädchen schon
Veilchen geschickt!"

„Das ist nichts Schlimmes!"

„Hören Sie, Cousine Klara, das ist nichts Schlimmes! — Was
tyabcit Sie für einen galanten Gatten!"

„Soll ich etwa ein kindliches Gefühl, das liebend und verehrend
Zugleich zu einem gebildeten Manne ausblickt, schelten?"

„Cousine — Philosoph! — Was sagen Sic! — Philosoph!"

»Ich dächte, Emil, Sie brächen jetzt von diesem Thema ab,
mir zu Liebe!"

„Aber wozu, liebe Klara? — Der Vetter spricht ja ganz ver-
nünftig. Und vor Allem werde ich, der ich in einem gläsernen
Hanse wohne, doch And're nicht mit Steinen werfen! — Also fahre»
©te nur fort, Vetter!"

„Na, eigentlich sollte ich nicht, denn wenn die Cousine sagt:
mir zu Liebe, dann müßte ich schweigen. Sie wissen gar nicht,
>cbcr Karl, was ich thun kann, wenn eine Frau, eine schöne Frau,

°gt: mir zu Liebe! Das ist für mich Musik, das sind Sphären-
Uängei"

„Ei, ei, Emil, Sie werden ja ganz poetisch! Nun ja, da Sie

— wie Sie sagten — in meine Frau verliebt gewesen sind, so ist
mir das erklärlich!"

„Und wie!"

„Emil, Sie werden mich zwingen, das Zimmer zu verlassen!"

„Aber, Klara, wenn er Dich liebt, was geht's Dich an? Deß-
halb brauchst Du ihn doch nicht wieder zu lieben!"

Emil unterbrach mich. „Ach, theure Cousine, da habe ich Ihnen
eigentlich noch eine Sünde zu beichten. Im vergangenen Jahr beim
letzten Maskenball da — da —“

Er stockte. Klara wurde roth und aufmerksam.

„Da habe ich Ihnen im Namen des Studenten einen gefühl-
vollen Brief geschrieben, in welchem ich Ihnen mittheilte, daß ich
im himmelblauen Domino am Feste theilnehmen würde!"

„Emil!" — Klara schlug die Hände zusammen und schaute
entsetzt ihren Vetter an, der etwas kleinlaut wurde.

„Ja, es war unrecht", fuhr er fort. „Als wir uns nun am
Abend trafen und in der Fensternische, dicht neben der Büste von
Moltke standen, da sagte ich Ihnen, daß ich Sie liebe, daß ich Sie
nie vergessen hätte, und bat Sic um einen Kuß!"

„Nun ist's genug!" braust^ ich zum Entsetzen der beiden
Anderen auf. „Sie sind ja ein Jntriguant ersten Ranges, Herr
Baudickel Sie verführen junge Damen durch gefälschte Briefe!"

„Erlauben Sie, Karl, ich habe den Kuß ja gar nicht bekonimen;
Klara wollte keine Maske küssen, und vor zwölf Uhr mußte ich mich
aus dem Staube machen, denn wenn die Cousine dahinter gekommen
wäre, welchen Streich ich ihr gespielt —"

„O, sie wird es schon gewußt haben", rief ich, von: Stuhl
aufstehend und ihn bei Seite schleudernd. „Sie kokettirte mit Ihnen,
wie Sie mit ihr! Und nun kommen Sie hierher, um Ihr frivoles
Spiel fortznsetzen! Jetzt wollen Sie, weil es Ihnen nicht gelang,
das junge Mädchen zu verlocken, Ihre Jntriguen bei der Frau
von Neuem beginnen!"

„Aber, Vetter, so hören Sie doch!" quäckte Emil.

„Der Kuckuck ist Ihr Vetter!"

„Aber, Karl, so nimm doch Vernunft an!" rief Klara erregt.

„Die brauche ich jetzt nicht! — Sie dachten, mein Herr, durch
Ihre unwiderstehliche Schönheit mich, der ich bedeutend älter bin,
bei meiner Gattin auszustcchen! Und ich Thor biete Ihnen noch
Gastfreundschaft an! O, ein Betrug, der ohne Beispiel ist! Ich
bin von dem eigenen Weibe vcrrathcn!"

Und damit sank ich theatralisch auf einen Sessel, rollte die
Augen und stützte den Kopf in die Hand.

Klara hatte bei der Erwähnung von Emils unwiderstehlicher
Schönheit ihr Taschentuch vor 's Gesicht genommen, so daß ich nicht
scheu konnte, welche Miene sie zu meinem Spiele machte. Sicher-
lich weinte sie.

Emil war aufgestanden und zu mir getreten.

„Erlauben Sie", fing er ängstlich an, „Sie erregen sich unnütz

— die Sache ist ja nicht so schlimm, wie Sie denken. Ich gebe
Ihnen mein Wort —"

Und so sprach er eine ganze Zeit ohne Sinn und Verstand
weiter. Ich unterbrach ihn in dumpfem Tone: „Herr Baudickc, Sie
werden als Gentleman cinschen, die Sache kann nur mit Blut
gesühnt werden. Wir müssen uns schlagen!"

„Gerechter Himmel", schrie der Unglückliche ans, „warum denn
eigentlich?"

„Das wissen Sic nicht?" rief ich wüthcnd. „Das wissen Sie nicht?"

„Ja, ja, ich weiß es schon!" stammelte Emil, und sank ver-
nichtet auf einen Stuhl. — „O mein armes, junges Leben!"
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