darstellungen erkennen läßt. Gestalterische Gemeinsamkeiten zeigen vornehmlich die
Tympana der französischen Kathedralportale, auf denen die Abführung der nach Sün-
den oder Ständen differenzierten Verdammten als wesentlicher Bestandteil umfangrei-
cher Weltgerichtsdarstellungen durch volkstümlich-derbe oder groteske Bildelemente
bereichert ist, um die Schrecken des drohenden Fegefeuers eindringlich zu schildern.
In mancher dieser Verdammungsszenen, die in Gesamtanlage und Ikonologie natur-
gemäß durch erhebliche Unterschiede gekennzeichnet sind, war ein wichtiges Motiv
vorgegeben, das in der Fedderwarder St. Stephanskirche in nachschöpferischer Um-
bildung und, auf die Gegebenheiten des kuppeiigen Gewölbefeldes übertragen, in me-
148 daillonartiger Verdichtung wiederkehrt: die schwere geschmiedete Kette, welche den
Zug der Verdammten - hier leider nur sehr rudimentär erhalten - umschließt und
durch Teufelsgestalten zusammengehalten wird, von denen die hintere die Schar vor-
antreibt, während sie die vordere dem Höllenfeuer entgegenzerrt.
In der deutschen Miniaturmalerei und der von ihr beeinflußten Kunstübungen lassen
sich dergestalt aufgebaute Verdammungsszenen etwa seit dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts nachweisen, wobei diese frühen Belege in den Buchillustrationen der „thü-
ringisch-sächsischen Malerschule“ gehäuft auftreten. Möglicherweise wurden sie vom
geistlichen Schauspiel und der französischen Portalplastik angeregt. Auch auf diesen
Darstellungen werden die Verdammten an einer Kette von zwei Teufeln ihrem Schick-
sal überantwortet: der vordere zieht sie in die Hölle, der hintere - im Landgrafenpsal-
143 ter wie in der Fedderwarder Szene einen groben Stock zu seinen Häupten schwin-
gend198) - treibt die todgeweihte Schar zur Eile an. Die Hölle wird in diesen Werken
durch ein Tor oder einen weit geöffneten Tierrachen angedeutet; bisweilen fehlt sie
ganz. Desgleichen kann die von Haseloff erwähnte Miniatur in einer Handschrift des
Hamburger Stadtrechts von 1292199) - ähnlich eine Pariser Gesangbuchillustration aus
151 der Mitte des 13. Jahrhunderts200) - der Darstellung in der Fedderwarder St. Ste-
phanskirche zwanglos zur Seite gestellt werden. Hier zerrt ein Teufel die kettengefes-
selten Verdammten in einen weit aufgerissenen zweibeinigen Höllenrachen.
In der szenischen Gesamtanlage weitgehend ähnlich, doch in den motivischen Einzel-
zügen von den Beispielen aus dem nördlichen Deutschland abweichend, präsentiert sich
149 der Zug der Verdammten in einem Brevier der Baseler Diözese (um 1235). Dort sind
die Verdammten mit einem Strick am Hals gefesselt und werden vom Teufel in die
Höllenpforte gezogen; ein schwertbewaffneter Engel treibt den widerstrebenden Zug
145 zur Eile an201). Anders in einem Psalterium der Augsburger Diözese, das gleichfalls
um 1235 entstand. Hier wird die Gruppe der Verdammten von einem schwertschwin-
genden Engel in das Fegefeuer getrieben, das zwar als Höllenrachen ausgebildet ist;
doch andere Einzelheiten fehlen, die für die Ausmalung in Fedderwarden als bildprä-
gend herausgestellt wurden: die Teufelsgestalten und die schwere Kette, von der die
Verdammten umschlungen werden202).
Doch kehren wir zum norddeutschen Kunstkreis zurück, wo diese Bildelemente auf
einem Behang im Brandenburger Dom (um 1290) in einem freilich arg beschädigten
Rundmedaillon unter französisch-thüringischem Einfluß zu einer realistisch gestalte-
ten Szene vereinigt wurden, die sich der Darstellung in Fedderwarden trotz Abwei-
144 chungen in der Gesamtanlage wieder nähert. Die auf dem Behang abgebildete grim-
mige Teufelsgestalt, die „mit weitem Schritt und gestrafften Muskeln die Unglückli-
chen an einer straffgespannten Kette fortschleppt“203), verrät in der Bewegungsinten-
tion eine gewisse formale Gemeinsamkeit mit dem im Höllenschlund verschwinden-
den Teufel des Fedderwarder Gewölbefeldes, der sich ebenfalls dem Widerstand der
Verurteilten mit aller Kraft entgegenstemmen muß.
Werke der mittelalterlichen Monumentalmalerei, die vergleichbare Darstellungen
enthalten, lassen sich eigentlich nur in Ausmalungsprogrammen ausmachen, die west-
fälische und mecklenburgische Kirchen bereichern. So trägt zum Beispiel die Kirche
zu Toitenwinkel (Rostock) im Chorgewölbe als Teil einer umfangreichen Weltge-
richtsschilderung (um 1380), die den Einfluß der sächsischen und englischen Buch-
147 und Monumentalmalerei erkennen läßt, eine Darstellung der Verdammten, die freilich
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Tympana der französischen Kathedralportale, auf denen die Abführung der nach Sün-
den oder Ständen differenzierten Verdammten als wesentlicher Bestandteil umfangrei-
cher Weltgerichtsdarstellungen durch volkstümlich-derbe oder groteske Bildelemente
bereichert ist, um die Schrecken des drohenden Fegefeuers eindringlich zu schildern.
In mancher dieser Verdammungsszenen, die in Gesamtanlage und Ikonologie natur-
gemäß durch erhebliche Unterschiede gekennzeichnet sind, war ein wichtiges Motiv
vorgegeben, das in der Fedderwarder St. Stephanskirche in nachschöpferischer Um-
bildung und, auf die Gegebenheiten des kuppeiigen Gewölbefeldes übertragen, in me-
148 daillonartiger Verdichtung wiederkehrt: die schwere geschmiedete Kette, welche den
Zug der Verdammten - hier leider nur sehr rudimentär erhalten - umschließt und
durch Teufelsgestalten zusammengehalten wird, von denen die hintere die Schar vor-
antreibt, während sie die vordere dem Höllenfeuer entgegenzerrt.
In der deutschen Miniaturmalerei und der von ihr beeinflußten Kunstübungen lassen
sich dergestalt aufgebaute Verdammungsszenen etwa seit dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts nachweisen, wobei diese frühen Belege in den Buchillustrationen der „thü-
ringisch-sächsischen Malerschule“ gehäuft auftreten. Möglicherweise wurden sie vom
geistlichen Schauspiel und der französischen Portalplastik angeregt. Auch auf diesen
Darstellungen werden die Verdammten an einer Kette von zwei Teufeln ihrem Schick-
sal überantwortet: der vordere zieht sie in die Hölle, der hintere - im Landgrafenpsal-
143 ter wie in der Fedderwarder Szene einen groben Stock zu seinen Häupten schwin-
gend198) - treibt die todgeweihte Schar zur Eile an. Die Hölle wird in diesen Werken
durch ein Tor oder einen weit geöffneten Tierrachen angedeutet; bisweilen fehlt sie
ganz. Desgleichen kann die von Haseloff erwähnte Miniatur in einer Handschrift des
Hamburger Stadtrechts von 1292199) - ähnlich eine Pariser Gesangbuchillustration aus
151 der Mitte des 13. Jahrhunderts200) - der Darstellung in der Fedderwarder St. Ste-
phanskirche zwanglos zur Seite gestellt werden. Hier zerrt ein Teufel die kettengefes-
selten Verdammten in einen weit aufgerissenen zweibeinigen Höllenrachen.
In der szenischen Gesamtanlage weitgehend ähnlich, doch in den motivischen Einzel-
zügen von den Beispielen aus dem nördlichen Deutschland abweichend, präsentiert sich
149 der Zug der Verdammten in einem Brevier der Baseler Diözese (um 1235). Dort sind
die Verdammten mit einem Strick am Hals gefesselt und werden vom Teufel in die
Höllenpforte gezogen; ein schwertbewaffneter Engel treibt den widerstrebenden Zug
145 zur Eile an201). Anders in einem Psalterium der Augsburger Diözese, das gleichfalls
um 1235 entstand. Hier wird die Gruppe der Verdammten von einem schwertschwin-
genden Engel in das Fegefeuer getrieben, das zwar als Höllenrachen ausgebildet ist;
doch andere Einzelheiten fehlen, die für die Ausmalung in Fedderwarden als bildprä-
gend herausgestellt wurden: die Teufelsgestalten und die schwere Kette, von der die
Verdammten umschlungen werden202).
Doch kehren wir zum norddeutschen Kunstkreis zurück, wo diese Bildelemente auf
einem Behang im Brandenburger Dom (um 1290) in einem freilich arg beschädigten
Rundmedaillon unter französisch-thüringischem Einfluß zu einer realistisch gestalte-
ten Szene vereinigt wurden, die sich der Darstellung in Fedderwarden trotz Abwei-
144 chungen in der Gesamtanlage wieder nähert. Die auf dem Behang abgebildete grim-
mige Teufelsgestalt, die „mit weitem Schritt und gestrafften Muskeln die Unglückli-
chen an einer straffgespannten Kette fortschleppt“203), verrät in der Bewegungsinten-
tion eine gewisse formale Gemeinsamkeit mit dem im Höllenschlund verschwinden-
den Teufel des Fedderwarder Gewölbefeldes, der sich ebenfalls dem Widerstand der
Verurteilten mit aller Kraft entgegenstemmen muß.
Werke der mittelalterlichen Monumentalmalerei, die vergleichbare Darstellungen
enthalten, lassen sich eigentlich nur in Ausmalungsprogrammen ausmachen, die west-
fälische und mecklenburgische Kirchen bereichern. So trägt zum Beispiel die Kirche
zu Toitenwinkel (Rostock) im Chorgewölbe als Teil einer umfangreichen Weltge-
richtsschilderung (um 1380), die den Einfluß der sächsischen und englischen Buch-
147 und Monumentalmalerei erkennen läßt, eine Darstellung der Verdammten, die freilich
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