Feistel-Rohmeder, Bettina: Das Frauenbildnis in der venezianischen Renaissance (Leipzig: Friedr. Rothbarth, 1906)

62 Das Frauenbildnis
flächlichkeit; denn man glaubt ihnen ihre Ideale
nicht, und ihre rauschenden Farben scheinen
nicht Schönheit, sondern Dekoration. Sie unter-
werfen die Frau dem Typus, den sie Tizian
entlehnen.
Da ist Palma vecchio, der Geister des leuch-
tenden Fleisches, der Schöpfer ungezählter „Hei-
liger Unterhaltungen" in der Landschaft und
so fruchtbarster Ausbeuter giorgionesker Güter.
Es ist bezeichnend für ihn und den Wandel
der Zeit, daß es nicht mehr genügt, schöne
Menschen in die Landschaft zu stellen, schon
muß wieder der fromme Vorwand einer „hei-
ligen" Szene Mitwirken. Seine übervollen
Frauengestalten können trotz aller idealen Al-
lüren den Wunsch, die Sinne zu erregen, nicht
verbergen. Vielleicht trägt der veränderte Ge-
schmack daran Schuld, daß uns das unerbitt-
liche Schema seiner Frauenköpfe auf die Nerven
fällt; denn sonst ist manches Starke in seiner
Kunst, und die hl. Barbara in Sa. Maria
Formosa macht uns sogar das sonst Unver-
ständliche verständlich, daß Palma, der Maler
all der blonden Haremsdamen in Wien,

ffs-
O
Lk
Kif,
W!»
ts
«D