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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 3. Kriegsjahrgang.1916-1917

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Hefte 60-63, Februar 1917
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s

ver ehampagne-llamerad

Nr.«l

va draupen, da vorn . . .

Da draußen, da vom, da rollen
Jn feuerlchnaubender Wut
Die Höllenhunde, die tollen,

Und lechzen und brüllen nach Blut.

Da drautzen, da vorn, da blitzen
Durch wolkenverhängie Nacht,

Durch alle Himmelsritzen

Die Lichter der mordenden Schlacht.

Da drautzen. da vorn, da starben

Aus ihres Leibes Scheiben
Springt schäumend der Geister Flut.

Und wieder grollen und rollen
Die Wetter der rasenden Schlacht.
Und hüben und drüben siöhnen
Die Sterbenden durch die Nacht.

KXII.

Beispirls unter sehr vielen gleichortigen — der

vr. Otto Glauning,

München, im Januar 1917.

Lieber Freund!

Deinem Wunsche, den Du kürzlich aussprachst,
Dir und Deinen Kriegsgenossen von der KriegS'
sammlung unserer Slaatsbivliorhek zu erzählen,
komme ich natürlich gerne nach.

Du erinnerst Dich vielleicht an Meister Ober-
länders lustige Geschichie, in der ein kleiner Teufel
wegen mangelhaften Verhaltens mit einer recht
teuflischen Srrafe gezüchligt werden soll. AIs
Ergebnis langer Beratung befördert ihn ein Tritt
Luzifers an die Erdoberfläche. wo er lesen mutz,
was alles innerhald eines Jahres in Deutschland
gedruckr wird. Auf dem beigegebenen Bild sieht
man ihn -dann, dem dicke Schweitztropfen von
der Stirne rinnen, in der Nähe von Leivzig in
weiler Ebene mitlen unter unabsehbaren Bücher-
haufen sitzen, die von seinen grinsenden Mitteufeln

Unser neuer Unterstand.

Wir gruben ihn mit saurem Schweitz,

Jetzt haben wir der Mühe Prets,

Der Arbeit uns'rer harten Hand,

So lang' wir drin sind, nur ein Lachen

Gönnt unser sicheres Ee*ühl

Dem längst gewohnten Kampfgewühl.

Gilt es — die Waffen sind zur Hand
Acht Meter unterm Grabenrand ^

2n der Champagne.

Wir sprechen oft von Kind und Weib,

Wir treiben manchen Zeitvertreib,

Und wird 'mal finster unser Blick,

Dcmn hilft uns schnell die Hausmusik,

Und schön träumt sich's, vom Heimatland
Acht Meter unterm Grabenrand
Jn der Champagne.

Wie and're warf's uns hin und her,

Bald leicht die Herzen und bald schwer;
Was kommt, wir warten's ruhig ab,

Ob Friedei^sglück, ob Heldengrab.

Nur Sieg gönn' uns des Höchsten Hand
Wie überall in Feindes Land
In der Champagye.

Lt. Junghann«.

beauftragt sind.

Du kennst ja unser grotzes Haus in der
Ludwigsstratze. Darin sitze ich in einem Saal,
15'/, Meter lang, 7 Meter breit. Zu ebener Erde
emhalten Schränke auf enggestellten Brettern die

denen die^untere mit Büchernbbereits vollgestellt
ist. Es sind über 6000 Einheiten. von denen gar
manche ntcht blotz eine einzelne Nummer oder
.nm linz.nm Bm., Bn. n n nn IN

Gesamlheit sMer doch etn ganz lebendiges Bild
der Haltung der Auslandspresse geben und werden
so für die Zeit des Weltkrieges die von uns
regelmätzig gehaltenen ausländischen Zeitungen
zu ergänzen imstande sein.

Daneben ruhen in meterhohen Budeln mit
breiten Schubern Hunderte von Maueranschlägen,
meist aus dem Feld, aber auch aus der Heimat.
Aus ersteren spricht mit unmittelbarer Frische die
ganz auherordemltche Vielseitigkeit des mili-
tärischen Verwaltungsdienstes, von dem ich Dir
nichts weiter zu schreiben brauche. denn Jhr lebt
darin Tag für Tag; uns aber bringen diese
Blätter in allen Farben und allen Giötzen einen
Hauch aus der Welt der Kämpfe in unsere stillen
Schreibstuben. ^

Endlich sind hier noch etliche dickgeschwollene
Mappen untergebracht, ge'üllt mit losen Blättem
und Blättchen jeglicher Art, Auftufe und Flug-
blätter der verschiedensten Stellen sür die ver-
schiedensten Zwecke, Fliegerblätter von Freund
und Feind, Vortragsfolgen von Theater- und
Musikaufführungen, Lieder, Gedichte, Gebete in
buntester Reihe. Das einzelne Stück mag fteilich
seinem Vorbesitzer oft wertlos genug erschienen
sein, und doch, hier, wo sie sich in grötzerer An-
zahl zusammenfinden, wo sie zu Gruppen ge-
schteden und vereinigt werden können, vermögen
diese gewöhnlich nur kurzlebigen Zeugen in

vilder aus der champagne.

Dle Sappe.

Ein schmaler Schlih beengt meinen Blick.
Lätzt mich einen Ausschnitt sehen der frischen,
grünen Wiese, zeigt mir Erashalme, die im
Sonnenschein gleitzen. Mitten aus dem Erün
lachen lustige Eänseblümchen. Zwischendurch ein
wirres Gerank von Drähten. Alle Farben, alle
Tönungen. Vom blitzenden, glänzenden Silber
zu mattem Stahlgrau, vom grellen Rostrot zum
schwarzdunklen Braun. Dahinter, scheinbarachtlos
aufgetürmt, wte von einem spielenden Knaben,
ein Haufen Sandsäcke. Obenauf neue: braune
und graue. Weiter unten ältere, vom Kreide-
schlamm gebleicht. Hie und da sind sie ge-
borsten. datz der weitze Jnhalt herausquillt. Von
der Altersschwäche wohl, oder von einer Kugel.

Stille ringsum.

Hinter der Höhe, drüben, hört man Hämmern
und Klopfen. Jm Grase zirpt eine Grille. Und
jetzt hebt drüben ein halblautes Singen an.
Eine wehmürige Weise, ein Heimatslied viel>
leicht. Schwermütiges Träumen will mich über-
kommen. Doch hart und fest umfasse ich meine
Waffe.

Drüben singt der Tod!

Ein kurzer, jäher Wille jenes Sängers,
sekundenlanges, ruhiges Ztelen, etn leiser Finger-
druck — und ich bin nicht mehr. Wie schon so
mancher meiner Freunde! Seine Kameraden

späteren Tagen gar manchen sonst verwischten Zug
des Kleinlebens in grotzer Zeit wieder sichtdar
werden zu lassen.

Denn dies ist ja Ziel und Zweck unserer wie
der anderen Kriegssammlungen, das gesamte,
Schrifttum des Wettkrieges zu sammeln, um nach
dem Sturm der Eceigniffe die Summe der übrr-
wältigenden Leistungen unseres ganze)r Volkes
zu ziehen, die unerhörten Kämpfe drauhen,
unserer Streiter zu Land, auf dem Waffer und
in der Luft, wie in der Heimar, die zähe Arbeit
hinter dem Pflug, am Schraubstock und in den
Schreibstuben uns wieder zu vergegenwärtigen
und der völkischen Geschichtsschreibung die Mittel
zu einer lebendigen Darstellung des grötzten
Waffenganges unseres Volkes bereit zu stellen.

Ueber unseren letzten grotzen Krieg von 1870/71
besitzt auch die Staatsbtbliothek eine Sammlung
von Schriften aller Art. Jn den seitdem ver-
gangenen 45 Jahren ist sie auf zwölfeinhalb.
hunoert Werke angewachsen. Die Sammlung,
die jetzt im Entstehen begriffen ist, umfatzt heute
schon das Fünffache dieser Zahl, wobei die oben
erwähnten Sondergruppen noch gar nicht mit.
gerechnet sind. Der Krteg ist eben diesmal nicht
wie seiner Zeit ein vorwiegend militärisches
Unternehmen, das die Heimat so gut wie un.
berührt lätzt. sondern er hat alle Gebiete unseres
völktschen Lebens ergriffen und auf ihnen alle
Fragen von gewaltiger Tragweite und Schwierig.
keit zur Lösung gestellt. Dadurch wird auch der
auherordentliche Umfang und die erstaunltche
Vielseitigkeit des Schrifttums bedingt, das wir .
zu sammeln haben.

Die Schriften über die militärischen Ereigntffe
des Weltkrieges, die an Zahl die gleichartigen in
der Kriegssammlung von 1870/71 übertreffen,
spielen im Rahmen der heutiaen Kriegvliteralur
keine so überwiegende Rolle, sondern btlden nur
mehr einen Teil dieses Schriftttnns. Wie damals
sind auch jetzt schon eine Menge Tagebücher und
Erlebniffe von Kriegsteilnehmern und Bericht.
erstaitern, manche Versuche vorläufiger Darstellimg
der Vorgeschichte und des bisherigen Verkmfe»
erschienen, die wenigstens das erste Bedürfnis des
stch Rechenschaftgebens über die mit unerhörier
Gewalt und Schnelle dahinstürmenden Ereigniffe
zu befriedigen unternehmen. Auch Kriegschroniken,
Verlustlisten, Humoristisches, Aneküoten.Predigten,
Erbauliches, Liedersammlungen erscheinen wie vor
einem guten Menschenalter, aber bei aller Arhn-
lickkeit besteht doch der sogleich in die Augm
fallende Unierschied 1n der Zahl. Es ist erstaun'
lich, welche Maffen gerade der zuletzt genanntm
Arten von Schriften den Kriegern drautzen vrm
den verschiedenen Seiten her zugeführt werden,
um sie im Sinne bald dieser. bald jener Welt«
anschauung zu beeinfluffen, bei aller Abweichung

töieten sie, vielleicht auch er, dessen Zauberlied
mich jetzt lockt!

Landgraf, werde hart!

Jch hebe langsam das Gewehr. Jm schwanm
Winkel der Kimme wiegt sich das weitze Köpsw«
einer Eänseblume. Genau dahinter, ln der
Sandsackburg verborgen. ein schmaler, dunkler
Streifen: die feindliche Schietzscharte.

Lustig njckt das Gänseblümchen.

Doch das spitze, dunkle Korn verdrängt es.
Ein scharfer Knall. Drüben ein helles Peng.
Wie berstendes Metall, wenn ein Stahlschild

Sttlle, Totenstille.

Vorsichtig luge ich hinüber. Das Blld tft
unverändert. Nur das weitze Blumenköpfchen
fehlt und deutlich hebt sich vom dunklen Schlitz
der feindlichen Schietzscharte ein feiner, grüner,
kopfloser Stiel ab.

Und im Grase zirpt eine verlorene Grille...

Zwischen den Graben.

Unser Kampfgraben liegt auf einer Höhkj
der Feind kann die rückwärtigen Gräben ntcht
einsehen. Daiu ist es sehr neblig; also braucht
man weder Fesselballons noch Flteger zu fürchten.
Jch klettere aus dem zweiten Graben und gehe
ins Vorgelände. Durch breite Drahtverhaue
strebe ich nach den weitzen Kreideaufwürfen des
Kampfgiabens, die mit rostigen Konserven«
büchsen, zerbrochenen Flaschen und allen erdenk-
 
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