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Nr. 25. Seitr 5

begonnen haben, das bleibt unsere Abstcht.* Man vergeste
nicht, daß der Angelsachse über austergewShnliche ZSHigkeit
verfügt; also diese Absicht wird auch sernerhin maßgebend
bleiben. All das Gerede von Belgien, den Rechten der kleinen
Nationalitäten, der Unantastbarkeit internationaler Berträge,
dem preußischen Militarismus hatten nur den Zweck, urteils-
losen Menschen gegenüber die tatsächlichen Beweggründe zu
verschleiem. Der Weltkrieg wird im Jntereffe des englischen
Handel; geführt, wie alle früheren, die das ränkevolle Jnsel-
volk entweder anzettelte. durch andere ausfechten ließ, kaum
datz es, selten genug, sich daran beteiligte. So war es seit
den Zeiten der „lungsräulichen Königin," der Seeräuber Francis
Drake, Morgan und aller der Unmenschen, die, fromme Worte
auf den Lippen, verabscheuungswürdige Hadgier im Herzen,
ohne die Spur eines edlen Gedankens unsägliches Elend über
die gebracht haben, deren Besitz John Bull rauben wollte.
Es kann denen, die sich darüber belehren wollen, ein Buch
empfohlen werden, daß ein Holländer verfaßt hat, der selbst
zeitweise und gezwungen zu den Räuberbanden gehört hat,
die Westindien und Mittelamerika unsicher machten. Es ist
betitelt: „The Bucaneers of America", von Iohn Esquemelung
(London Swan, Sonnenschein und Co.). Es wurde in die ver-
schiedensten Sprachen übersetzt. Ein Stoff für schwachner-
vige Menschen ist es nicht. Der englischen Uebersetzung
ist eine Einleitung vorausgeschickt, in der hervorgehoben wird,
daß es sich in den Schilderungen um Taten handle,
die beispiellosen Heldenmut zeigten und alles in Schalten
stellten, was von Alerander dem Eroßen oder Cäsar gerühmt
werde, und jedem Briten als Vorbild dienen sollten, der be-
rusen sei, seinem Lande mit der Waffe zu dienen. Die ge-
schilderten Bestien in Menschengestalt werden noch heute in
England als Nationalhelden verehrt, und auch bei ihren
Lebzeiten stnd sie durch Adclsverleihungen «nd hohe Stellungen
belohnt worden; Geld hatten sie genug zusammen geraubt.

Es ist auch stets Englands Streben gewesen, seine poli-
tischen Ziele mit einem Mindecmaß eigener, namentlich dlutiger
Berluste zu erreichen. Bci der Armee Wellingtons besanden
sich unter 95Ü0Ü Mann nur 32000 Engländer, also ein
Drittel, und ähnlich stand es bei Belle-Alliance. Jmmer haben
andere Bölker sich sür britische Intereffen opfern müssen, und
trotz aller Lehren der Geschichte ist es den englischen Staats-
männern immer wieder gelungen, „die dnmmen starken Kerle"
Bismarcks zu finden, die ans ihre Ratschläge hin sür England
fochten. Auch im Weltkriege sollte es ähnlich werden. Frank-
reich, Rußland, Scrbien, Bclgien, Montenegro, später auch
Jlalien und Rumänien hatten Millionenheere auszubringen;
England wollte sich am Landkriege mit 160000 Mann betei-
ligen und durch seine Flotte unter Ausnutzung der günstigen
Lage der britischen Inseln die Bevölkerung der Mittelmächte
aushungern. Aber die britische Flotle sollte nicht einmal
eingejetzt werden; man trug vielmehr dem Risikogedanken des
Großadmirals v. Tirpitz Rechnung. Wie immer in srüheren
Fällen so sollte auch diesmal nach dem Krieg Großbritannien
in ungebrochener Kraft dastehen, während alle übrigen Völker
am Zuiammenbrechen wären, so daß England über Freund und
Feind herrschen könne. Jn dieser Abstcht wurde man auf engli-
scher Seite durch die trüben Erfahrungen bestärkt, die britische
Kriegsschiffe bei Beginn des Krieges machen mußten. Als
sich der Aushungerungskrieg doch nicht als so schnell wirkend her-
ausstellte, wie man gehofft halte, die Fahnen der Mittelmächte
weit ins Land ihrer Feinde getragen wurden, mußte man
notgedrungen die srüher freilich immer durchsührbar gewesene
Taktik aber ausgeben und stch mit dem schmerzlichen Gedanken
vertraut machen, daß es diesmal auch für das Jnselland
bitterer Ernst würde und die gesamte völkische Krast einge-
setzt werden müsse. Kitchener schus die Millionenheere; die all-
gemeine Wehrpflicht wurde eingeführt.

Die Hauptmacht der britischen Flotte lag in Ccapa Flow
der Orkney-Eruppe massiert und bedursre eines ungeheuren
Trosses von Kauffahrern, der ihr alles das zuführte, was sie
an Heizmitteln, Munition, Proviant und sonstigem Material
brauchte. Nach Millionen von Tonnen zählt die Tragfähigkeit
der hierfür erforderlichen Dampfer. Wäre die starke deutsche
Hochseeflotte nicht oorhanden gewesen, so hätte keine Veran-
laffung vorgelegen, die britische yegen die Angriffe der Deut-
schen in den weit abgelegenen Fiorden zu stchern. Sie HStte
iu den zahlreichen englischen tzäfen ihre Vorräte ergänzen
können und wäre mit einem kleinen Troffe ausgekommen.
Teile der britischen Flotte wären gegen die deutschen Küsten,
in erster Linie gegen die Ostsee vorgegangen, hätten die ihren
Geschützen erreichbaren Städte zusammengeschoffen, durch Lan-
dungen bedeutende Truppenmaffen im nördlichen Deutschland
aebunden. Alle Städte, die weniger als 30 Kilometer vom
schiffbaren Meere entsernt liegen, denn so weit reicht ein
neuzeitliches, schweres Geschütz, wären gefährdet gewesen, und
von Hadersleben bis Memel lägen ste iegt wahrscheinlich in
Trümmern. Daß das nicht geschah, danken wir dem Kaiser
und dem Großadmiral von Tirpitz, die die Hochseeflotte
schufen. Die deutschen Tauchboote allein hätten «in planoolles

Vorgehen der britischen Flotte, die in den russischen HSfen die
ihr nötigen Stützpunkte gefunden hätte, nicht zu hindern ver-
mocht. Man hal allerhand gemutmaßt, daß solche Adstchten dem
Erscheinen der »Grand Fleet" Ieüicoes zugrunde gelegen
hätten, ob ein Eindringen in die Ostsee, die Unterstützung
einer Landung in Jütland oder etwas anderes ins Auge gefaßt
gewesen sei. Wir wiffen nichts darüber und werden vielleicht
auch niemals darüber zuverlässige Kunde erhalten. Was es aber
auch gewesen sein mag: das Vorgehen der deutschen Hochsee-
flotte und die Seeschlacht vor dem Skagerrak hal jedensalls
zur Folge gehabt. daß diese Pläne durchkreuzt wurden. Die
Briten verschwanden nach ihrem »größten Siege seit Trafalaar",
den sie — nach meiner Rechnung — mil mindestens 230000 Ton-
nen besten Kriegsschiffsmaterials, mit l l 0M Toten, einer unbe-
kannten, aber jedenfalls beträchtlichen Zahl von Verwundetcn
und 117 Gefangenen bezahlten lder deutsche Verlust detrug
ungefähr den v«erten Teil), schleunigst wieder nach Scapa
Flow, wo sie ungefähr zur gleichen Zeit eingetroffen stnd,
wie die deutsche Hochseeflotte in ihren wesentlich näher ge-
legenen Stützpunkten Es kann aber wohl kaum einem Zweisel
unterliegen, daß Ende Mai 1916 irgend etwas Eroßes seitens
der Engländer geplant gewesen ist. Darauf läßt auch der
Umstand schließen, daß Lord Kitchener zur gleichen Zeit mit
seinem mehr als dreihundert Köpfe zählenden Stabe ums
Leben gekommen ist. Es ist für uns völlig gleichgiltig. ob
das oben im Norden westlich der Orkney Jnseln beim Unter-
gange des Panzerkreuzers »Hampshire- geschehen ist oder,
wie manche vermuten, während der Seeschlacht selbst. Diese
stützen sich dabei auf die Tatsache. daß auf englijche Veran-
lassung nach der Leiche des Feldmarschalls an den jütischen
Küsten gesucht worden ist, was doch wenig aussichtsvoll ge-
wesen wäre, wenn er tatsächlich 2ö0 Seemeilen nordwestlich
sein Leben durch Ertrinken eingebüßt hätte. Hier sollte nur
nachgewiesen werden, daß die deutsche Hochseeflotte die briti-
fche verhindert hat, die deutschen Küstenstädte in Asche zu
legen und die britische Flotte nebst ihrem Riesentroß gebunden
hat. Vielleicht gibt es unter uns auch heute noch manche, die
nicht werden glauben mögen, daß ein so unmenschliches und
gänzlich zweckloses Vorgehen seitens der Engländer nie ge-
lchehen wäre. Solchen Menschen ist nicht zu helsen, und ihnen
ist nur zu erwidern, daß die Geschichte lehrt, daß dieBriten nicht
wie wir an Sentimentalität leiden. Als der Seekrieg gegen
die französische Republik begann, erhielten die Admirale der
britischen Flotten den lakonischen Besehl „8iok. buru sack
ckestro>- «Versenke, verbrenne und zerstöre). Der Weltkrieg
hat gezeigt, daß sich seitdem in der englischen Aussassnng
über die Anwendung von irgendwelchen Machtmitteln nichts
geändert hat. Es sei des weiteren daran erinnert, daß die
englischen Behörden, wo ste das konnten, in England und
Übersee davor nicht zurückschreckten. das Privateigentum jedes
Deutschen zu beschlagnahmen, die Kontobücher der deut-
schen Geschäftsleute zu verbrennen. Das ist doch wahrlich
Beweis genug. Durch ihr bloßes Vorhandensein und durch
ihr Eingreifen hat die deutsche Flotte jedenfalls erreicht, daß
ein beträchtlicher Teil der englischen Kauffahrtei gebunden und
der Versorgung Englands und seiner Verbündeten entzogen
wurde, daß die deutschen Küstenstädte erhalten blieben, die
deutsche Armee entlastet wurde, da die Gesahr einer Lan-
dung in Norddeutschland beschworen war und die obcrste
tzeeresleitung keine Trüppen gegen dort austretende seindliche
Maffen bereit zu halten brauchte. Wie derartige Unterneh-
mungen wirken, auch wenn ste nur das Merkmal von Hand-
streichen ttagen, lassen die Angriffe der deutsche» Lustjchiffe
gegen England erkennen. Taujende von Geschutzen mit ent-
sprechenden Munitionsmengen und der nach vielleicht Hundert-
tausenden zählenden Bedienungsmannschasten müffen fur deren
Abwehr an den oerschiedensten Punkten Englands dauernd
bereit gehalten werden, denn niemand kann wiffen, wo und
wann der Vorstoß erfolgen und gegen welche Punkte er
sich richten wird.

Das bloße Borhandensein der deutschen Hochseeflotte hat
aber noch Weiteres zur Folge gehabt. Britische Schlacht-
schiffe in der Ostsee hätten Stützpuntte nötig gehabt. Die
russischen Häsen kommen dafür nicht in Frage, sie sind zu
entlegen. Dagcgen sind die Schwedens und der dänischen Ge-
wäffer dafür wie geschaffen. Auch für die Etappenstraße
nach der Nordsee und den Weg nach England doten die
Ankerplätze an der Westküste Schwedens und die Schären
Südnorwegens sichere Unlerkunft. Ob diese Rejche willig
waren, die ersorderlichen Puntte zur Verfügung zu stellen,
war gleichgiltig. Das Vorgehen Nelsons gegen Kopenhagen.
die Beschießung der Stadt 1807, die Behandlung
Griechenlands im Weltkriege laffen erkennen. wie das see-
gewaltige Albion vorgeht und auch hier vorgegangen wäre,
wenn es seinen Willen durchsegen will, jede Regung von
Widersetzlichkeit zu brechen. Es hätt« alsdann seinerseits auch
keiner großen Mehranstrengung dedorst, um Schweden zu
zwingen, die Durchfuhr des sür Rußland nötigen Kriegsmate-
rial« zu .gestatten". Daß e» auch dazu nicht gekommen ift.

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