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Rr. 45. Seite S

Haut abmalen läßt, und das nennst Du dann Kunstanschau-
ung? Sollen das die Erfolge unserer Erziehung sein? Jch
könnte weinen. Ist die Person jung? Hat ste denn keine
Eltern? Oder warst Du... nein, ich kann es von Dir nicht
glauben. Liebling, male Landschaften. Vertiefe Dich in die
Natur, und Du wirst sehr glücklich sein..

Bis zu dieser Stelle kamen die zwei Kameraden, dann
lachte der Hauptmann eine Tonleiter von oben nach unten.

„Zehn Kronen, ich gratuliere."

Heiliger saß tonlos und beklommen.

„Die stlberne Haut hat keine Wunder gewirkt."

„Auch deine hinreißende Nachschrist nicht."

„Bestimmung, mein Lieber."

„Und nun?"

„Ölmalerei ist jedenfalls zu Ende."

Klee wies heiter bewegt auf den Grazer Brief: „Laß ihn
einrahmen, er hat Erinnerungswert."

„Lach' nicht, sondern hilf mir," drängte Heiliger.

Da hielten ste abermalige Beratung und waren ernst und
von dem Jnhalte dieser Minuten so durchdrungen, als hätten
sie ein hinreißend schönes Fest zu veranstalten.

„Du mußt die Widerstrebenden zu Graz in einem neuer»
lichen Briefe hinreißen; machen wir vielleicht eine Anleihe
bei Goethe. Sagen wir: Du fliehst nach Jtalien, wenn man
dich in deiner Kunst behindert."

„Ich will deine Hilfe und nicht deinen Spott."

Endlich rang stch Klce durch seine Heiterkeit zu einigem
Mitgeftihl, und sie wogen nun die Worte für den neuen Brief
wie köstlichen Safran und der in künstlicher Begeisterung zu-
sammengetragene war wert, in einer zeitgenösstschen Samm-
lung bewahrt zu bleiben, denn er nannte Böcklin, Anselm
Feuerbach, Menzel, überhaupt, er war einfach großartig.

Den beiden Offizieren aber tropfte der Schweiß von den
Denkerstirnen, und in dem Fähnrich stak die Hoffnung so leicht
verwehbar wie Löwenzahnsamen auf der Blütenkugel.

„Brüderlosigkeit ist ein Fluch," gestand Heiliger; ehe ihn
aber der Hauptmann um die Bedeutung hieses Seufzers stagen
konnte, stürmte Leutnant von Amrain zur Türe herein wie ein
aufgeschreckter Greif. Jn einer Hand flatterte helles Papier,
und es verhieß nach dem Anblick Amrains, der in einen
Seffel sank, kaum eine beglückende Botschaft.

„Alle heiligen Nothelferl" sagte der Leutnant sehr be-
kümmert.

„Bist du verückt?" stagte Klee.

„Glaub' ich selber. Da!" Und er wies die Papicre hin.

„Beschriebene Blätter," erkannte der Fähnrich fröstelnd,
denn ihm grauste davor seit dem letzten Erazer Briefe. Klee
las vor und immer vergnügter ward sein Gesicht.

„Lieber Richard! Mama und ich sind bereits in Klagen-
furt, also kaum eine Stunde mehr von Dir entfernt. Wir er-
holen uns von der Reise noch einige Augenblickchen und kommen
dann. Wir treffen Dich doch aus aller Gefahr? Von Baro-
nesse Leyden erfuhren wir erst, daß Du bedenklich krank bist.
Wir bringen Dir auch eine Überraschung mit. Auf Wieder-
sehen! Papa."

Da saßen sie stumm wie geschnitzte Kirchenheilige, und das
Spiel in ihren Eestchtern war wenig geistreich. Klee stieß als
erster wieder siegreich sein Lachen heraus.

„Das wird ja eine nette Komödie."

„Eine überraschung künden ste mir an, als ob ste nicht
selber die allergrößte wären."

über die Leidgenoffen, Leutnant und Fähnrich, sandte der
Hauptmann den austeizenden und in dieser Stunde nur spotten-
den Ruf: „Freut euch des Lebens!"

„Hätte ich doch bedacht, daß das Linzerhuhn Bericht nach
Wien geben könnte. Aber daß der Herr Papa Bezirkshaupt-
mann in diesen Zeiten Urlaub haben dürfe, wäre mir in keinem
Traume eingefallen."

„Hübsche Pastete," bestätigte der Hauptmann.

Die hatten sie, ja, und ste war sehr bitter.

„Der Besuch kann jeden Augenblick zu Stein einkehren,

denn oielleicht folgten fie dem Boten, den ste sandten, bald.
Ach, du liebliche Bescherung."

Und er hüpfte auf einem Beine einen komischen Tanz der
Verzweiflung.

„Den Kommenden alles erklären? Unmöglich. Da wäre
alle gute Meinung auf immer dahin. Zwar: jener der Baro-
neffe zu Linz würde ich nicht nachtrauern, aber doch hinge
ich um den Namen derer von Amrain eine Narrenschelle."

„Das Lustspiel wird zu Ende gespielt werden müffen,"
erklärte Klee.

Der Leutnant war Lber alle Maßen verwirrt, verwünschte
die unseligen Briefe in alle Winde und verband stch mit
Heiliger gegen den unbekümmerten Hauptmann zu Ärger und
einigen Vorwürfen. Klee aber fragte boshaft und unerbitt-
lich: „Willst du deinem Paar erklären..."

„Nein."

„Gut; dann bist du also krank."

„Sagen wir, halb genesen."

„Der Besuch muß dich noch im Bett antreffen."

Hauptmann und Fähnrich legten ihn mit wenig zarter
Behandlung in die weiße Bettwäsche hinein und hielten dann
Generalprobe.

Klee, der behauptete, daß auch Kranksein gelernt sein
wolle, kam zu Besuch.

„Wie geht's, Herr Leutnant?"

„Danke; etwas beffer."

„Schrei nicht so, die Stimme muß ein bißchen zittern,
das wirkt besser. Dann zeige nicht zu viel deine roten Hände,
überhaupt: deine Krankenfarbe ist schändlich gut. Jch gratu-
liere zu dem Lustspiel."

„Hol' alles zusammen der..."

„Leise, leise, du bist ja krank."

„Ach, wie sehr ist doch der selige Uhland mit seinem
,G»ten Kameraden' Dichtung. Jch glaube die Sorte ift aus-
gestorben. Du zum Beispiel machst dich lustig über mich, Klee."

Der Leutnant hatte wohl recht. Sehr viel Schelmensteude
stak in Klee und Heiliger, denn diese Anekdote versprach, när-
risch ohne Ende zu werden, und ste sannen neugierig schon
über ihren Beschluß.

„Sei tapfer, mein Lieber," predigte der Leutnant und
ihm kam diese Predigt sehr leicht vom Herzen; „sorge für einen
hübschen, annehmbaren Ausgang. Laß die Tunke nicht bis
zum Geist im obersten Stocke steigen."

Da sprach der Leutnant mit dem Spötter nicht mehr
weiter, der lächelnd und besteit über dem Mißgeschick der zwei
andern schwebte. Aber den Fähnrich warb er: „Jch bitte dich
um einen Liebesdienst. Wär' ich ein König, so schenkte ich
dir dafür ein Königreich. Nimm das Peperl beiseite und
weihe ste ein; eine Ewigkeit wird mein Paar nicht hier bleiben.
Sie muß die kleine Rolle spielen."

„Sie wird nicht, denn sie ist zu ehrlich."

„Sag' ihr, der Leutnant bitte sie bei seiner Seligkeit."

Vor dem Gasthaustor unten rollte ein Wagcn an, und
der Räderklang stieß erschreckend in den von Amrain.

„Empfange sie, Heiliger, ste dürfen sonst mit nicmandem
sprechen," schrie der Leutnant.

Samt dem blühweißen Bettzeug sprang er zum Fenster,
die überraschung wühlte in ihm. Aber er flog in einem
schönen Bogen wieder ins Bett, weniger durch den Stoß des
Hauptmanns als durch einen großen, unbändigen Schreck. Und
was jetzt in ihm rang, war eine wirkliche Ohnmacht.

„Klee!" hauchte er.

„Ia?"

„Sie ist da."

„Wer?"

„Die überraschung."

„Was für eine überraschung?"

„Die Linzer Baronesse."

„Jch gratuliere. Ade, mein Lieber, bei der Begrüßung
möchte ich aber nicht zugegen sein. Jch wünsche dir gute
Unterhaltung." lSoitsetzung solgt.i

V Beim Kamickelvater. Ein Erlebnis von Wilhelm Kaiser. R

Jn den ersten Ferientagen hatte ich meinen Rucksack her- wäldcrn war es kühl und staubfrei. Es war wirklich eine

vorgeholt, um wieder einnial durch den geliebten Harz zu Frcude und ein Eenuß, auf den nwosigen Waldwegen dahin-

wandern. Jm flachen Lande sengte die Hundstagshitze die zuschreiten, und ich durchquerte das ganze Gcbirge. Mit der

schon gelb werdenden Roggenbreiten; aber in den Berg- Verpflegung freilich mußte man öfters einmal eincn Pflock

S3. Jahrg. Rr. jtz.
 
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