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Neue Viegesblätter.

Notizbuch eines Neutralen.

11.

Es stellr sich bei genauerer Betrachtung herauö, daß in dem großen
und emsigen Dcmschland manche Berufe sich noch zu wenig um die
Möglichkeiten kiimmern, die ihnen der Krieg bietet. Zum Beispiel
schlr es immcr noch an Zeitschriften, dic sich mit der Tarsache aus-
einandersetzen, daß es augenblicklich Krieg gibr.

Solche Zeirschriften, soüte man meinen, würden wohl AuS-
sichten auf Erfolg eröffnen. Tatkräftigen Unternehmern müßre man,
zunächst unrcr dem Siegel der Verschwiegenheir, die originelle Idee
einstüftern, daß ein Krieg auch kriegerische Unterhaltungsblätter verlangt,
zumal einige Versuche aus diesem Gcbier ermunternd wirken konnten.
Freilich müßre man die Sache etwas feiner anpacken, als sie bisher
angepackt worden ift. Der plebejischen Kurzangebundenheit gewisser
Zeichner-Flugblärrer muß man nicht nachstreben. Erlesenere Elemente,
Auöstattungsästhereu und Kunft-Bunrdruck-Feintechniker, mllßten um
ihrc Mirwirkung geberen werden, und Kunstgewerbe-Fachleute, die
Redakteure werden wollen, haben hicr neue Gebiere vor sich, schön und
viclversprechend wie ein Preiöwettbewerb zur Erlangung eines schön
gedeckten TectischcS.

Der Redaktcur muß zum Dekoratcur werdcn, das ift es, und der
Dekorateur muß sich endlich dieses Krieges annehmen, wenn der Krieg
nicht ohne einc Spur der Bereichcrung für unseren Einrichtungs-
Geschmack vorübergehen soll. Der Dekorateur-Rcdakteur gebe unö doch
endlich das Blatr, das uns übcr diesc wichrigfte Seirc der Er-
eignisse beruhigt. Er lasse unS nicht länger im Ungewiffen darüber,

wie man die ein wcnig krirische Angelegenheit der blutigen Köpfe
und der zum Erbrechen reizenden Bomben (geschmacklich ist daö noch gar
nicht richrig gelöft!) als dekorativer Ästher anzusehen hat. Der Krieg muß
Sril bekommen. Was nützen mir alle Sicgcsrelegramme, abgesehcn
von ihrem Inhalt, der aber in diesem Zusammenhange gar nicht so
wesentlich ist, wenn ich inncrhalb des DekorS meiner Inneneinrichtung
nichtS mit ihnen anzufangen weiß! Der Dekorateur fehlt mir, der mir
darauS einen elegantcn Gegenftand für mcin Empfangszimmer macht!

Ich habc einen Ein.fass . . . Acht große quadrarische Seiten,
rauhes Hadernpapier . . . Scharf geschnittene eleganre Frakturtype.. .
Der Tirel (aber, bitte, keine Schlußfolgerungen!) „Roland" . . .
Druck- und buchtechnisch natürlich daö Beste, Korrekteste . . . DaS
„Feinste" auf jeden Fall . .. Breiter Papierrand und liebenswürdig
komponierter Bildschmuck . . . Neuester modischer Kleiderschick im Bunde
mir Feldgrau . . . Ein paar zartfarbige bunte Blätter (o, zarte
Bunrheir eineö modernen Schlachrfeldes!) und veilchenblauc Tirel-
schmuckftücke . . . So denke ich mir diese Gründung, und wenn ich
nun cinen Urlauber sehe, mit verwildertem Bart, mit Tornifter, mit
Schützengrabenerlebniffen, bin ich immcr in Versuchung, ihm die neueste
Nummer einer solchen Zeirschrift zu überreichen, damit er sie in seinem
Quarrier im Felde auf einem mir blumigem Kreton bedeckten Tisch
(daö Muster muß aber narürlich dazu ftimmen!) auölcge . . . Soviel
über Zeirschriften im Kriege.
 
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