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Drei Wegelagcrer.
Ei'ne unvcröffentlichte Zeichnung von Max Slevogt
Die sechzehnte Canzone
des Francesco Petrarca
O mein Iralien, ob kein Worr auch heile
Die Wunden, die ich offen
An deinem schönen Leib in Menge sehe,
Dennoch, wie Tiber, Arno, Po es hoffen,
An dem ich schmerzvoll weile,
Will ich in Seufzern kündigen mein Wehe.
O Himmelsfürst, ich flehe,
Daß Mitleid dich zu deinem schönen Lande,
Dem reuern, wie vordem zur Erde, ladc!
Da sieh, o Herr voll Gnade,
Wie grimmer Srreir erwuchs aus kleinem Brande.
Dic Herzen, die in Bande
Mars schlägt und stählt, die blinden,
O löse, Varer, sie! dem Hochmur wchre!
?aß meine Zunge künden,
Wer ich auch sei, hier deincr Wahrheit Lchre!
Uud ihr, in deren Hand das Glück die Zügel
Gelegt dcr schönen Gauen,
Von denen euer Herz sich abgewendet,
Wozu die fremden Schwerter unsern Auen?
Daß Fluren ringö und Hügel
Werdcn von der Barbaren Blut gcschändet?
Von eitlem Wahn geblcndct,
Srht wenig ihr, und meinet vicl zu sehen,
In seilem Herzen suchend Lieb und Ehre.
Wer mehr der Söldncrspecre
Besitzt, hat mehr dcr Feinde zu bestehen.
O Flut, die sremde Höhcn
Und Wüstenei'n uns senden,
Um unsre holden Fluren zu verhceren!
Wenn von den eignen Händen
Unö solcheö kommt, wer soll uns Heil gewähren?
Wohl sorgte die Namr und ließ einst freundlich
Sich zwischen uns erheben
Und deutschem Grimm der Alpen hohe Säulcn;
Doch blinde Gier, mit unheilvollem Streben
Gcgen sich selber feindlich,
Schuf dem gesunden Leibe Beul' an Bculen.
In einem Käfig wcilen
Nun wild' und zahme Heerden als Genoffen,
Daß immerdar die Bessercn verzagen,
Und — was noch mchr zu klagen —
Von einem rohcn Volke jen' entsproffen,
Dem so die Seit' erschloffen
Einst Marius, wie wir lesen,
Daß — noch ist'S dem Gedächtnis nichr entsunken -
Des Durst's cr zu genesen
Mehr Blut als Wasser auö dem Strom getrunkcn.
Ist dieS das Land nicht, das zuerst ich schaure?
Das Nest nichr, daö mich hegre,
Um süße Kost dem Hungrigen zu reichen?
Ist'S nicht die Mutter, dic mich sorgsam pflegre?
Der licbcnd ich vertrautc?
Die zärrlich dcckr der Eltern teure Leichcn?
llm Gott, laßr dicS erwcichen
Doch euer Herz, und mir Erbarmcn schet
DeS armen Volkcs Tränen und Bedrückung,
DaS nur von euch Erquickung
Nächst Gorr crwarrer! O nur cinmal stehcr
Nicht kalt und unerflchct!
Und gegen Wut wird Tugend
Sich rüsten, bald der Kampf zum Zicl gelangen;
Ist in Iraliens Iugend
Ia noch dcr alte Mut nicht uutcrgangen.
Bedcnkt, ihr Herren, wie die Tag' enrfliegen,
Wie schnell die Iahr' enrgleiren,
Und wie der Tod uns immerdar im Rücken!
Noch seid ihr hier; dcnkt an die Rcis' in Zciten!
Einft an dcn dunllcn Sticgen
Wird nackt und cinsam sich die Sccl' crblicken.
Hinweg mir Haß und Tücken!
Nicht dürfen euch im Erdenrale schändcn
Die Stürmc, die deö LcbenS Heirre schwärzen.
Die Zeit, zu Andrer Schmerzen
Vcrgeudct, mögt ;u Veff'rem ihr verwenden
So mir Verftand als Händcn,
Zu löblich schöncn Dingen,
Zu cinem gutcn ehrenhafren Streben!
DaS wird hier Freud' euch bringcn,
Und machr den Himmelöpfad euch leicht und eben.
Ich rare dir, Eanzone,
Sag' höflich dcine Meinung; denn zu Leuten,
Die stolz und übermütig, geht die Reisc,
Die sich nach alter Weise
Und bösem Brauche immcrfort bereitcn,
Die Wahrheit zu beftreiten.
Doch besser wirst du fahren
Bci wen'gen Edeln, die des Böscn müde.
„Wer wird", sprich da, „mich wahren?
Ich gch' und rufe: Fricde, Friede, Friede!"