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Die Mauer: Feldzeitung — 1917 (Juni-Dezember)

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Hefte 22-25, November 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2814#0141
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MGGOOGGGGGGOOGOOOOGOOSKOOGGOGS

Starle des Charakters v»d Erleuchtimg desKopfes
müssen fich vereinigen, wenu politische Freiheit iu
großem Maße vorhanden sein soll, ohne eine
Nation zu Grunde zu richten.

Hentz, Politisch« Freiheit.

Der orgmisicrtk Haß.

Der Haß ist kein böses Ding, solange er Mensch gegen
Mensch geht. Böse und verhängnisvoll wird örst der Haß,
her Volk gegen Volk treibt, der organisierte Haß.

Der einzelne Mensch haßt ebenso wie er liebt, leidenschast-
lich. Er wirft etwa seinen Haß auf eine kreischende Türangel,
die ihm das Trommelfell zersägt, oder aus einen unbekannten
Menschen, der immer so höhnisch und zweideutig grinst, so ost
«r ihm auf der Straße begegnet.

Dieser Haß wird eine Entladung suchen. Er wird der
Lür einen Fußtrittgeben, erwird dem grinsenden Unbekannten
«in schweres Wort oder gar eine Ohrfeige an den Kopf werfen.
Dann wird der befriedigte Haß abbrennen wie ein Streichholz,
das grolleude Gemüt ist ausgeschwefelt und strahlt wie der
«ntwölkte Himmel. Oder wenn es eines Tags der klugen
Hausfrau einfällt, die kreischende Angel zu ölen, oder der
grinsende Mensch macht plötzlich ein ernstes Gesicht, sogleich
schwindrn die Haßgefühle. Der Haß überdauert weder Leiden-
schast noch Ursache.

Anders der organisierte Haß. Wie kann's geschehen, um
nur das Beispiel gleich zu nennen, das seit vierzig Monaten
unsere fassungslosen Herzen erstaunt und ergrauen macht, —
daß drei Viertel der sogenannten zivilisierten Welt uns Deutsche
haffen? Hunderte Millionen hassen siebenzig Millionen, und
«s sind vielleicht fünfzigtausend unter ihnen, denen einmal im
Leben Unrecht von einem Deutschen widerfahren ist, das nicht
gesühnt würde. Greulich ist dieser Völkerhaß, weil er grund-
los ist und ohne wahre Leidenschast. Es sind ja nicht die
Mütter gefallener Söhne, die uns hafsen, nicht die Witwen
und Waisen, nicht die wirtschaftlich durch den Krieg Ruinierten —
Ler Haß war vor Tod und Verwüstung des Krieges.

Der Haß der Engländer, Franzosen, Rufsen, Portugiesen,
Amerikaner, Australier, Kanadier, Brasilianer, Kubaner, Uru-
guyaner und wie sie alle heißen, zielt auch nicht auf einen
Deutschen, auf den oder jenen, sondern auf uns alle, die wir
von Memel bis Mühlhausen unsern Kohl bauen. Der Haß
zielt auf das deutsche Wesen, auf den deutschen Namen. Greulich
ist dieser feindlose Haß. - '

Alle hassen sie uns. Die Klugen und die Dummen, die
Edlen und die Gemeinen, die Soldaten und die Unabkömm.
lichen, die Hamsterer und die Darbenden, die Besitzlosen und
die Kriegsgewinnler. Alle blasen in das gleiche Horn, alle
bespeien uns, alle wollen uns zertreten wie giftiges Gewürm.

Greulich ist dieser unpersönliche Haß.

Äm Anfang stank die Lüge von den kinderverstümmelndeu
Barbaren zum Himmel, das war wenigstens ein Grund zum
Hassen, wenngleich ein verlogener. Nachdem der Glaube an
das Ammenmärchen erschüttert ist, hört der Haß nicht etwa
auf, er zischt noch wütender als vorher.

Am greulichsten ist dieser grundlose Haß.

Am Anfang wurde der Haß geschürt aus der Leidenschast
der Schlachten. Seit zwei Jahren ist die weite Welt über dem
Rüttelkampf der starren Fronten eingenickt wie über dem
rhytmischen Stoßen des rollenden Eisenbahnwagens. Die Leiden-
schast ist in Narkose übergegangen, aber der Haß bellt weiter.

Am allergreulichsten ist der Haß ohne Leidenschast.

Dieser organisierte Haß ist nämlich eingebildet. BeweiS:
Hat jemals ein deutscher Soldat einen Gefangenen gemacht,
der nicht friedfertig und stoh, aus der Schlachtheraus zu sein,
nach der Melodie npour woi l» guerro ost ünio" nach hinter
wanderte? Oder haben wir nach dem Kampf, wenn alles
vorüber war, unsere gefangenen Tommys gehaßt? Gewiß auf
beiden Seiten hat man, mitten in der Wut des Nahkampfes,
den „hands up's" das Bajonett in die Rippen gerammt, aber
nach dem Kampf? — man schenkt sich Zigaretten und Kaffee.

D«r organisierte Haß ist nicht nur ziellos, grundlo^ und
ohne Leidenschast, er ist blind, unverantwortlich, rechenschastsloS,
unwissend, er ist fanatisch, unersästlich, verlogen, weltstemd,
aber von satanischem Erstndungsgeiste, dem wie die Hydra-'
sAlange immer neue geifernde Köpfe an Stelle der abgehauenen
nachwachsen. Stößt dieser Haß auf den eingebildeten Gegner,
dann erkennt er plötzlich seine aufgeblasene Grundlosigkeit und
zerplatzt wie die Seifenblase.

Eingebildet ist der organisierte Haß, eingetrichterr vou

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