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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Funken
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0784

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FUNKEN

BERLINER AUSSTELLUNGEN. Uber die beiden
hiesigen Sezessionen etwas sagen zu müssen,
ist sdrmerzlich; jede ihrer Ausstellungen beweist es
neu, daß es skh hier um Organisationen handelt,
deren Daseinsberechtigung nicht mehr deutlich wird,
daß eine Sache nidrt sdron deshalb noch lebendig sein
mu|, wenn sie • schematisch weiterbetrieben wird von
einem Jahr zum andern. Die historisdr-funktionelle
Bedeutung der Sezession, die ungeschmälert und un-
vergessen bleiben mu|, war eigentlich schon er-
schüttert zugleich mit ihrer, wohl unvermeidlichen Spal-
tung im Jahre 1913, man merkte es: ein neuer über-
berliner, überdeutscher Geist, eine revolutionäre Fähigkeit
des Sehens und Gestaltens podite donnernd an die
Tore. Während nun die „alte", um Corinth sidr
scharende, die „Berliner Sezession" sidr aus einer An-
zahl mittlerer, mittelmäßiger Malbegabungen zusammen-
schloß, die indessen eines gewissen Einheitscharakters
nicht ermangelten, litt die revolutionär auftrumpfende
„Freie Sezession", die M. Liebermann zu ihrem Ehren-
präsidenten erhob, von vornherein unter dem Fluch
der Unreinlichkeit, der Halbheit, der Inkonsequenz,
wenn sie auch die weitaus stärkeren Naturen zu den
Ihrigen zählte, die allerdings inzwischen entweder nadr-
gelassen oder sidr zurückgezogen haben, jedenfalls
(da ohne das starke Vertrauen früherer Jahre) nidrt
mehr Säulen des Hauses, Vorkämpfer der Genrein-
schaff, nidrt mehr unmittelbar am Werke tätig sind.
Auch hier hat sidr infolge wachsender innerlicher Un-
sicherheit die Disziplin gelockert, Mittelbegabungen
haben sidr eingeschlichen und sdrließlidr das Uber-
gewidrt erlangt; d. h. der künftige Zusammenbruch ist
unvermeidlich geworden. — Was zunächst die Veran-
staltung der alten Sezession betrifft, die sidr diesmal
auf Graphik und Plastik beschränkt, so weiß ich
wirklich nichts zu nennen, was als starke Leistung
irgendwelche ernstere Beachtung beansprudien dürfte.
Es fehlt natürlich nidrt ganz an Arbeiten, die man
anständig nennen kann, dodr es lohnt nidrt, sie auf-
zuzählen. Man macht den hier Versammelten ja
garnidrt zum Vorwurf, daß sie altmodisch seien im
Hinblick auf die Allerjüngsten, — die Äußerungsform
der Kunst ist sdrließlidr weit weniger wichtig, als man

gewöhnlich behaupten hört, — nur daß Kunst da
sei, wenn auch nur ehr Funken der geheimnisvollen,
wcltverwandelnden Kraft und Wahrheit, wenn audr
nur in wenigen, ja einem einzigen Beispiel, das hätte
man wohl erwarten dürfen. Noch am höchsten stehen
die Aquarelle eines bisher unbekannten Zeichners Fritsdr
und einige Gouacheblätter von Kohlhoff und Kraus-
kopf, die man beide lieber als Graphiker, denn als
Maler sieht. — Jeder Beschreibung spottet die soge-
nannte Plastik, es ist seichteste akademische Ware.
Wäre nidrt der köstlich-kühle Sezessionsgarten, dessen
melancholische Stimmung eine Reihe dieser Plastiken
überschattet, so ginge man nrüd und gebrodren nach
Haus.
Die Kunstschau der „Freien Sezession", bei deren
Eröffnung ein Teil der hiesigen Tagespresse in ein
unerklärlidr wütendes Geschrei ausbrach (man las wie
in früheren Jahren als leßfe Zuflucht sogar wieder die
Phrase von Nervenerkrankung und Tollhaus!) ist in
Wirklidrkeit eine Sadre, vor der man sidr nicht zu
fürchten braudrt, niemandem braudrt bange zu sein
um seine heiligsten Güter. Indessen handelt es sidr
hier um eine merkwürdig sdrledrte Ausstellung, sdrledrt
schon deshalb, weil sie alles andere ist als Ausdruck
eines starken, zielbewußten Wollens, sdrledrt, weil man
sich nidrt geschämt hat, nach allen Seiten hin Ver-
beugungen zu machen und eine Sowohl-als - auch-
Politik verfolgt; sdrledrt geordnet, nämlich nicht nach
höheren Gesichtspunkten, sondern ganz schematisch,
äußerlich; und sdrließlidr sdrledrt im Hinblick auf das
Allgemeinniveau. Um dem Verdacht einer mißgünstigen
Darstellung zu entgehen, lasse idr eine Ubersidri der
Säle folgen. Saal 1: Liebermann, Slevogf, v, Kar-
dorff, F. Rhein, Orlik, Weiß, H. Hübner usw. Saal
2: Kollektivausstellung Friß Klinisch. Saal 3: Werke
von Franz Marc, Aug. AAacke und Campendonk.
Saal 4: Hofer, Otto Lange, G. Kolbe, Chagall und
andere. Saal 5: Schmidt-Rottluff, Heckei, Otto Müller,
Gleidrmann, Felix Müller. Saal 6: O. Moll, Kersdr-
baunrer und einige junge Berliner. Saal 7: Paula
Modersohn, Degner, Domscheit, Kokosdika, Dresdrer.
Saal 8: Curt Herrmann, Partikel, Skrustin.
Saal 9: Heuser, Röhridit, Beyer, Böckstiegl usw.

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