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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Bagier, Guido: Brücken
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0045

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wie sehr sie dieser Verschwägerung abhold sind und nur eines ersehnen: in Ruhe
und Abgeschlossenheit ihren inneren Stimmen zu folgen, in mystischer Abkehr
einen ganz, ganz anderen Zeitstil zu schaffen. Die Sammlung der Geister
muh beginnen, damit endlich das Individuum sidr wieder über die Masse er-
hebe, über die Masse, die heftig nach einem Führer verlangt. Sehen wir selbst
nicht mehr unseren eigenen Besih, wir armen, reichen Verzweifelten? In Holland
bewundert man die ansteigende Flut deutscher geistiger Kraft, in Schweden
verlangt man nach deutscher Kunst als Inkarnation frischer germanischer Jugend,
Italien staunt über die Leistung eines besiegten Volkes, — und wir selbst
sollten uns haßerfüllt in die Augen starren, anstatt uns Hand in Hand zu erheben?
Verstreut überall, aber dem Wissenden glückhaft bewußt, halten hier am Rhein,
dann in den bayrischen Bergen, dann in der Mitte Thüringens die Künstler, jung
nicht mehr, sondern zu schmerzlicher Reife gediehen, sich verborgen, um in ein-
facher Einsamkeit ihr Werk zu tun. Ist es Unrecht, daß ihnen Schlesien, Ost-
preußen und Versailles fremd sind? Sie kümmern sich nicht darum, wohl aber
um die Seelennot dieser Zeit! Graue Häupter, Einzelne, Einsichtige, beginnen,
unser Wesen, das Wesen jener Einsamen zu ahnen. Ganz, ganz wenige nur sind
es, die den Fuß auf die Brücke von Vergangenem zu wahrhafter Zukunft sehen.
Sollen wir wirklich zu hoffen wagen? Ein heißes Drängen pocht in uns: Ja! Ja!!,
— dämmen wir es zurück, — es mödrte zu früh sich unserem Innern entringen!

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