im Spirituellen verankert war. Seit dem Einfluß der niederländi-
schen Malerei im fünfzehnten Jahrhundert hatte die Eroberung
der Wirklichkeit Fortschritte gemacht. Auch in der Plastik. Die
naturalistische Erfahrung der Bildhauer der Spätgotik ist unge-
mein, sie kommt nur nicht zur Geltung, weil der Naturalismus die
Folie ist für eine neue Idealität. Dann, weil nicht die einfache, son-
dern die erlebte Wiedergabe des Natürlichen, der packende Aus-
druck Ziel ist. Man kann den Christuskörper als Beispiel nehmen.
Nicht mehr der schöne Gott mit der typischen, zierlichen Körper-
lichkeit, an der Einzelzüge naturalistischer Beobachtung zusam-
mengetragen sind, der ausgelitten hat und ruhig am Kreuze hängt,
ist das Ideal der neuen Zeit, sondern der sterbende Gott im Todes-
kampfe, der anatomisch durchgefühlte, in allen Wirkungsmöglich-
keiten zu einer packenden Gesamtcharakteristik verarbeitete Kör-
per. Die kolossale Wucht und innerliche Größe des sterbenden
Heilands auf Grünewalds Isenheimer Altar bezeichnet den Höhe-
punkt, der in der Plastik allerdings nicht erreicht wurde. Den ver-
krampften Körper im letzten Röcheln vor dem Erstarren, der das
Furchtbare des Leidens erst recht zum Bewußtsein bringt, hat Lein-
berger in Moosburg dargestellt; ähnlich, aber noch nicht so zu-
Abb.43 sammenfassend Veit Stoß. Aus der gleichen Gesinnung ist auch
die Vorliebe für das Detail geblieben, die wir überall finden. Wenn
auch hier der Naturalismus noch einseitig gerichtet ist, er hat doch
den Weg geebnet, der zu einer neuen Sachlichkeit führt, er hat den
Sinn für das Organische geweckt. Von der Beobachtung des Na-
türlichen, der Beschneidung des Überflüssigen bis zum tektonischen
Aufbau der Figur, der natürlichen Anordnung des Gewandes ist
der Weg nicht so weit. Peter Vischer hat ihn in der Kleinplastik
ohne die italienische Renaissance gefunden.
* 16 *
schen Malerei im fünfzehnten Jahrhundert hatte die Eroberung
der Wirklichkeit Fortschritte gemacht. Auch in der Plastik. Die
naturalistische Erfahrung der Bildhauer der Spätgotik ist unge-
mein, sie kommt nur nicht zur Geltung, weil der Naturalismus die
Folie ist für eine neue Idealität. Dann, weil nicht die einfache, son-
dern die erlebte Wiedergabe des Natürlichen, der packende Aus-
druck Ziel ist. Man kann den Christuskörper als Beispiel nehmen.
Nicht mehr der schöne Gott mit der typischen, zierlichen Körper-
lichkeit, an der Einzelzüge naturalistischer Beobachtung zusam-
mengetragen sind, der ausgelitten hat und ruhig am Kreuze hängt,
ist das Ideal der neuen Zeit, sondern der sterbende Gott im Todes-
kampfe, der anatomisch durchgefühlte, in allen Wirkungsmöglich-
keiten zu einer packenden Gesamtcharakteristik verarbeitete Kör-
per. Die kolossale Wucht und innerliche Größe des sterbenden
Heilands auf Grünewalds Isenheimer Altar bezeichnet den Höhe-
punkt, der in der Plastik allerdings nicht erreicht wurde. Den ver-
krampften Körper im letzten Röcheln vor dem Erstarren, der das
Furchtbare des Leidens erst recht zum Bewußtsein bringt, hat Lein-
berger in Moosburg dargestellt; ähnlich, aber noch nicht so zu-
Abb.43 sammenfassend Veit Stoß. Aus der gleichen Gesinnung ist auch
die Vorliebe für das Detail geblieben, die wir überall finden. Wenn
auch hier der Naturalismus noch einseitig gerichtet ist, er hat doch
den Weg geebnet, der zu einer neuen Sachlichkeit führt, er hat den
Sinn für das Organische geweckt. Von der Beobachtung des Na-
türlichen, der Beschneidung des Überflüssigen bis zum tektonischen
Aufbau der Figur, der natürlichen Anordnung des Gewandes ist
der Weg nicht so weit. Peter Vischer hat ihn in der Kleinplastik
ohne die italienische Renaissance gefunden.
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