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IX. GEFÄSSE
Im Artemision kamen eine Reihe bronzener Gefäße verschiedener Art und einzelne Bestandteile solcher zu-
tage, Schalen haben dabei den größten Anteil. Das Vorhandensein von Kesseln ist durch einzelne Fragmente
belegt. Es fanden sich auch zwei Miniaturgefäße, die Beispiele normaler Größe in kleinem Format nach-
bilden.
Die konkrete Funktion der in Heiligtümern gefundenen Gefäße kann meist nicht mehr erschlossen wer-
den960: Sie konnten eine praktische Verwendung, etwa als Koch-, Wasch- oder Speisegeschirr, gehabt oder im
rituellen Zusammenhang bei Trank- oder Libationsopfern gestanden haben. Gefäße wurden aber sicherlich
auch per se der Gottheit als Votivgaben dargebracht. Letztes muss zumindest auf die Miniaturgefäße zutreffen,
die für den praktischen Gebrauch ungeeignet waren. Auch mit Greifenprotomen verzierte Kessel können
wegen ihrer meist monumentalen Form und ihrer reichen Verzierung eindeutig als Weihegaben angesprochen
werden.
IX.l Flache, kalottenförmige Schalen (Kat. 815. 816, Taf. 62)
Die Hache, kalottenförmige Schale Kat. 815 ist aus einem kräftigen, zum Rand hin dünner werdenden Blech geformt. Der Boden
ist rund gewölbt und bildet keine stabile Standfläche. Durch den unregelmäßig verlaufenden, scharfkantigen Blechrand erscheint
die Schale ungleichmäßig hoch.
Kat. 816 ist das Randfragment einer flachen, kalottenförmigen Schale etwas kleineren Durchmessers als Kat. 815. Die Wandung
der Schale ist außerordentlich dünn und verstärkt sich nur etwas zum Rand hin.
Henkellose, flache Schalen mit gerundetem Umriss kommen in griechischen Heiligtümern regelmäßig vor961.
Eine genaue Bestimmung ihrer Funktion ist wegen der einfachen Form ebenso schwierig wie eine stilistische
oder chronologische Einordnung. Um sicher stehen zu können, benötigten Schalen dieser Form einen Stand-
ring oder einen Untersatz anderer Art. Möglicherweise wurden sie aber auch als Spendeschalen zum Aus-
gießen von Flüssigkeiten verwendet. Für zwei der Schale Kat. 815 unmittelbar vergleichbare, aus kräftigem
Blech gebildete Exemplare aus dem samischen Heraion schlägt U. Jantzen eine Verwendung als Lampenauf-
satz kyprischer Kandelaber vor, von denen eine größere Zahl im Heraion zutage kam962. Eine derartige Ver-
wendung wäre auch für die Schale Kat. 815 denkbar. Das dünnwandige Gefäß Kat. 816 wird am ehesten als
Spendeschale zur Aufnahme von Flüssigkeiten oder Pulver gedient haben.

IX.2 Oinphalosschalen (Kat. 817-825)
Omphalosphialen - fuß- und henkellose Schalen, deren Unterseite halbkugelformig nach innen gewölbt ist
und so ein problemloses Halten und Neigen mit einer Hand ermöglicht, - kamen aus dem spätgeometrischen
bzw. früharchaischen Artemision mehrfach und in verschiedenen Gestaltungsformen zutage. Neben sechs
vollständigen Schalen fand sich eine Reihe von Bodenfragmenten mit Omphalos. Von den zahlreichen Wand-
fragmenten mit geradem Rand könnten ebenfalls einige von Schalen dieser Art stammen. Das Fundvertei-
lungsbild innerhalb des Artemisions (Abb. 1) zeigt eine auffallende Konzentration der Omphalosphialen in
dem an den Hekatompedos östlich angrenzenden Bereich - möglicherweise sind die Schalen mit der Benüt-
zung dieser Struktur in Verbindung zu bringen. Zwei weitere Omphalosphialen wurden bei den britischen
Grabungen im Artemision gefunden963.

960 Zur Bedeutung von Gefäßen in Heiligtümern: Simon 1986, 314 ff.
961 z. B. argivisches Heraion: De Cou 1905, 279 ff. Nr. 1892—1901 Taf. 112. Perachora: 1. .1. Dunbabin in: Payne 1940, 155. 159
Taf. 57, 9. 10: 62, 3.
962 Jantzen 1972, 45 f. Nr. 1271. 1350 Taf. 39 f.
963 Hogarth 1908, 152 Taf. 15, 13.
 
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