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IV ENTWURF UND REKONSTRUKTION
Die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Befunde bilden die Grundlage für eine
theoretische und zeichnerische Wiedergewinnung einzelner Architekturelemente, Räume oder
größerer Raumensembles des Stadthauses. Wenngleich das vergleichsweise geringe Ausmaß und
die unvollständige Dokumentation der Freilegungsarbeiten611 sowie die größtenteils fehlende
Raumausstattung die Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns einschränken, vertiefen die Rekon-
struktionen in Grund- und Aufriss dennoch das Verständnis des Gebäudes unter wesentlichen
Gesichtspunkten. Zum einen bilden sie den Ausgangspunkt bautypologischer Vergleichsstudien
und ermöglichen eine Einordnung in größere architekturgeschichtliche Zusammenhänge612, zum
anderen liefern sie wichtige Informationen zur Zugänglichkeit der Räume und zur Art ihrer
Nutzung, zu Umbauten und Reparaturmaßnahmen nach Schadensereignissen sowie zur Zuord-
nung von Bauteilen mit datierender Ornamentik. Schließlich erlauben sie auch eine Analyse der
Innen- und Außenwirkung des Baus, an die sich in weiterer Folge Überlegungen zum sozialen
Status des oder der Bauherren anschließen613.
IV.l DAS HELLENISTISCHE PERISTYLHAUS
Ungeachtet der erheblichen Überformungen durch jüngere Baumaßnahmen ist an mehreren Stellen
des Gebäudes Bausubstanz erhalten, die aufgrund ihrer Konstruktionsweise und ihrer Relation zu
den anderen Bauelementen als Teil des ältesten Gebäudes identifiziert werden kann. Sie weist den
großen Hof und die anliegenden Gebäudetrakte als ältesten Kern des Stadthauses aus614. Erhebliche
Reste der Terrassen-Substruktionen entlang der Westfassade, die nordöstliche Ecke der Gebäude-
terrasse sowie ein kurzer Abschnitt der südlichen Außenmauer geben Aufschluss zur Ausdehnung
des Hauses, welche mehr als 2400 m2 betrug. Im Norden haben sich darüber hinaus wesentliche
Elemente des großen dorischen Peristyls PV-11 aus Kalktuff sowie der ionischen Marmor-Exedra
PV-02 im Nordflügel desselben Säulenhofes erhalten. Dieser Evidenz lassen sich wesentliche Infor-
mationen zur Grundrissdisposition und zur aufgehenden Architektur entnehmen.
IV.1.1 Überlegungen zum Entwurf des hellenistischen Gebäudes
Die messbaren Elemente des ältesten Peristylhauses erlauben Aussagen zum Entwurf des Gebäu-
des in Grund- und Aufriss und zur verwendeten Maßeinheit. Zur Verfügung stehen zum einen die
Gesamtmaße des hellenistischen Stadthauses, zum anderen die Bauteile des dorischen Peristyls
PV-11 und der ionischen Exedra PV-02. Besonders dem Peristyl als zentralem Element des
ersten Bauzustands kommt für eine Analyse des angewandten Entwurfsverfahrens eine wich-
tige Bedeutung zu. Wenngleich der Entwurf eines Peristylhofes wohl stärker als etwa der eines
Tempels von den Faktoren Bauplatz, Gebäudefunktion und Bauzusammenhang geprägt war615,
legen schon zwei Bemerkungen bei Vitruv nahe, dass auch für repräsentative Peristylbauten mit
sorgfältigen Entwurfsvorgängen in der Art der Tempelentwürfe zu rechnen ist616.
611 In jenen Räumen, die bis auf ihr Fußbodenniveau aufgedeckt wurden, erfolgte keine Dokumentation der Zusam-
mensetzung der Schuttstraten.
612 s. dazu die Kap. VIII. 1.1, VIII.2.1 und VIII.3.1.
613 s. dazu bes. Kap. VIII.4.
614 s. Kap. II.2 zu den Baubefunden und Kap. VI. 1 für einen Überblick.
615 Vgl. auch Coulton 1975, 59 f.
616 Vitr. 5, 9, 3; 6, 3, 7.
IV ENTWURF UND REKONSTRUKTION
Die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Befunde bilden die Grundlage für eine
theoretische und zeichnerische Wiedergewinnung einzelner Architekturelemente, Räume oder
größerer Raumensembles des Stadthauses. Wenngleich das vergleichsweise geringe Ausmaß und
die unvollständige Dokumentation der Freilegungsarbeiten611 sowie die größtenteils fehlende
Raumausstattung die Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns einschränken, vertiefen die Rekon-
struktionen in Grund- und Aufriss dennoch das Verständnis des Gebäudes unter wesentlichen
Gesichtspunkten. Zum einen bilden sie den Ausgangspunkt bautypologischer Vergleichsstudien
und ermöglichen eine Einordnung in größere architekturgeschichtliche Zusammenhänge612, zum
anderen liefern sie wichtige Informationen zur Zugänglichkeit der Räume und zur Art ihrer
Nutzung, zu Umbauten und Reparaturmaßnahmen nach Schadensereignissen sowie zur Zuord-
nung von Bauteilen mit datierender Ornamentik. Schließlich erlauben sie auch eine Analyse der
Innen- und Außenwirkung des Baus, an die sich in weiterer Folge Überlegungen zum sozialen
Status des oder der Bauherren anschließen613.
IV.l DAS HELLENISTISCHE PERISTYLHAUS
Ungeachtet der erheblichen Überformungen durch jüngere Baumaßnahmen ist an mehreren Stellen
des Gebäudes Bausubstanz erhalten, die aufgrund ihrer Konstruktionsweise und ihrer Relation zu
den anderen Bauelementen als Teil des ältesten Gebäudes identifiziert werden kann. Sie weist den
großen Hof und die anliegenden Gebäudetrakte als ältesten Kern des Stadthauses aus614. Erhebliche
Reste der Terrassen-Substruktionen entlang der Westfassade, die nordöstliche Ecke der Gebäude-
terrasse sowie ein kurzer Abschnitt der südlichen Außenmauer geben Aufschluss zur Ausdehnung
des Hauses, welche mehr als 2400 m2 betrug. Im Norden haben sich darüber hinaus wesentliche
Elemente des großen dorischen Peristyls PV-11 aus Kalktuff sowie der ionischen Marmor-Exedra
PV-02 im Nordflügel desselben Säulenhofes erhalten. Dieser Evidenz lassen sich wesentliche Infor-
mationen zur Grundrissdisposition und zur aufgehenden Architektur entnehmen.
IV.1.1 Überlegungen zum Entwurf des hellenistischen Gebäudes
Die messbaren Elemente des ältesten Peristylhauses erlauben Aussagen zum Entwurf des Gebäu-
des in Grund- und Aufriss und zur verwendeten Maßeinheit. Zur Verfügung stehen zum einen die
Gesamtmaße des hellenistischen Stadthauses, zum anderen die Bauteile des dorischen Peristyls
PV-11 und der ionischen Exedra PV-02. Besonders dem Peristyl als zentralem Element des
ersten Bauzustands kommt für eine Analyse des angewandten Entwurfsverfahrens eine wich-
tige Bedeutung zu. Wenngleich der Entwurf eines Peristylhofes wohl stärker als etwa der eines
Tempels von den Faktoren Bauplatz, Gebäudefunktion und Bauzusammenhang geprägt war615,
legen schon zwei Bemerkungen bei Vitruv nahe, dass auch für repräsentative Peristylbauten mit
sorgfältigen Entwurfsvorgängen in der Art der Tempelentwürfe zu rechnen ist616.
611 In jenen Räumen, die bis auf ihr Fußbodenniveau aufgedeckt wurden, erfolgte keine Dokumentation der Zusam-
mensetzung der Schuttstraten.
612 s. dazu die Kap. VIII. 1.1, VIII.2.1 und VIII.3.1.
613 s. dazu bes. Kap. VIII.4.
614 s. Kap. II.2 zu den Baubefunden und Kap. VI. 1 für einen Überblick.
615 Vgl. auch Coulton 1975, 59 f.
616 Vitr. 5, 9, 3; 6, 3, 7.