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Baier, Christoph; Forstenpointner, Gerhard; Galik, Alfred; Prochaska, Walter; Schindel, Nikolaus; Vapur, Özlem; Weissengruber, Gerald E.; Österreichische Akademie der Wissenschaften / Verlag [Contr.]
Die Palastanlage oberhalb des Theaters von Ephesos (1): Textband — Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2023

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66553#0494
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VII.2 Der Sockelbau oberhalb des Theaters

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Den geeigneten Ort für die regelmäßigen Treffen des Landtags oder der höchsten religiösen
Vertreter der Provinz - ob nun für festliche Bankette oder politische Beratungen - mag ange-
sichts der Funktionen dieser Institution hypothetisch gerade der oberhalb von Ephesos thronende
Versammlungssaal geboten haben. In seiner ungemein prominenten Position, die auf eine hohe
Bedeutung des Gebäudes für die Gemeinschaft verweist, seiner Bezugnahme auf die Via sacra
und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zum vermuteten Sitz des Statthalters der Provinz* 1089
scheinen sich die sakrale und die politische Dimension des Provinziallandtags in kohärenter
Weise zu spiegeln. Ob die fünf gleichförmigen Abteilungen des wohl in spättrajanischer oder
hadrianischer Zeit errichteten Saals dabei den fünf obersten Vertretern des Koinon Asias entspra-
chen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ab hadrianischer Zeit den Neokorietempeln in Pergamon,
Smyrna, Ephesos, Sardeis und Kyzikos vorsaßen1090, kann freilich angesichts der derzeitigen
Befundlage und der mangelnden epigrafischen Beweise nur als spekulative Frage formuliert
werden. Eine konzeptionell ähnlich enge räumliche Verbindung zwischen einem Palast und einer
Anlage für den Herrscherkult ist aus hellenistischer Zeit bereits in Pergamon belegt. Das wohl
im späten 3. Jahrhundert v. Chr. errichtete Temenos für den Herrscherkult unmittelbar südlich
unterhalb des Burgtors des Palasts diente vermutlich zunächst dem Kult der Attaliden und später
dem Kaiserkult1091. Enge Bezüge zu Stätten des Kaiserkults kennzeichnen darüber hinaus auch
die bekannten Statthalterpaläste in den römischen Provinzen1092.
Angesichts der gemeinsamen Verbindungen zum Kaiserkult wäre eine Verwendung des ephe-
sischen Saals für festliche Bankette oder politische Beratungen des Provinziallandtags wohl auch
mit der vorgeschlagenen Nutzung durch dionysische Kultvereine vereinbar1093. Wenngleich es
die Lückenhaftigkeit der Befunde ratsam erscheinen lässt, das Gebäude, wie bereits von der
älteren Forschung vorgeschlagen, weiterhin allgemein als Versammlungsbau zu bezeichnen, darf
festgehalten werden, dass insbesondere die stadträumlichen Bezüge des Gebäudes auf seine hohe
gemeinschaftliche Bedeutung und einen möglichen sakralen und politischen Charakter der mit
ihm verbundenen Handlungen hinweisen.
VII.2 DER SOCKELBAU OBERHALB DES THEATERS
Knapp südöstlich oberhalb des Theaters ragen die Reste eines Monuments, in dem mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein wichtiger Bestandteil der memorialen und sakralen Topografie von Ephe-
sos erkannt werden darf, mehr als 5 m hoch aus dem Gelände (Plan 2; Taf. 2. 314-315). Die Aus-
richtung des Baus weicht um etwa 37,85° von der geodätischen Nordrichtung ab und entspricht
damit nicht dem hellenistisch-römischen Planungsraster der Stadt. Vielmehr verläuft sie parallel
zu jenem Abschnitt der Prozessionsstraße entlang des Panay irdag, der zu einem unklaren späteren
Zeitpunkt vom Theatervorplatz überformt wurde (Taf. 314, 3)1094. Trotz seiner herausragenden
Lage fand der im Jahr 1899 freigelegte Bau in der bisherigen Forschung kaum Beachtung1095.
Eine fachgerechte Bauaufnahme fehlt bislang und konnte auch im Rahmen der Untersuchungen
zur Domus nicht durchgeführt werden.

uneinig. Vgl. dazu Vitale 2012, 61 mit Anin. 297.
1089 Vgl. dazu näher Kap. VIII.2.2. Zur Einflussnahme der Provinzstatthalter auf den Kaiserkult vgl. Burrell 2004, 370 f.
1090 Zu den fünf Asiarchen des Koinons vgl. Burrell 2004, 347 f. Wie Kyzikos dürfte auch Sardeis die erste Neokorie
spätestens unter Kaiser Hadrian verliehen bekommen haben (vgl. Burrell 2004, 100).
1091 Vgl. dazu Schwarzer 1999, 272-278; Schwarzer 2002, 225-231; Emme 2013, 187-198. 354 mit Datierung in das
ausgehende 3. Jh. v. Chr. Während Schwarzer 1999, 275 f. einen privaten Herrscherkultverein als Bauherren des
Temenos ansieht, erkennt Emme ein »von königlicher Seite unterstütztes Bauvorhaben sakraler Bestimmung«
(Emme 2013, 197).
1092 s. dazu Kap. VIII.2.2.1, Abschnitt E.
1093 So konstatiert etwa bereits Schwarzer 1999, 278 für das hellenistische Pergamon »ein enges neben- und oft auch
miteinander Agieren der privaten und staatlichen Herrscherkultinstitutionen«.
1094 Zum Verlauf der Via sacra in diesem Abschnitt vgl. Groh 2006, Abb. 10. 21.
1095 Wesentliche Teile der schriftlichen Aufzeichnungen zum Gebäude im Grabungstagebuch des Jahres 1899 sind bei
Muss - Bammer - Büyükkolanci 2001, 62 wiedergegeben.
 
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