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Pülz, Andreas; Forstenpointner, Gerhard; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Das sog. Lukasgrab in Ephesos: eine Fallstudie zur Adaption antiker Monumente in byzantinischer Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 4,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47141#0182
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9. ZUSAMMENFASSUNG

Im Zuge der zwischen 1997 und 2004 durchgeführten Nachuntersuchungen am sog. Lukasgrab wurde eine Viel-
zahl von neuen Informationen gewonnen. Zusammenfassend seien folgende zentralen Punkte hervorgehoben:
Entgegen der bisher gültigen Auffassung, das römische Monument wäre ein Heroon oder ein Tempel
gewesen, kann der kaiserzeitliche Bau nun definitiv als Brunnenanlage interpretiert werden. Geklärt werden
konnte auch der Bautypus, wobei der zu rekonstruierende Monopterosbrunnen eine nach heutigem Kenntnis-
stand nur selten gewählte Brunnenform darstellt, deren Blütezeit nach Ausweis der wenigen bekannten Bei-
spiele im 2. Jahrhundert n. Chr. lag. Allerdings stellt das sog. Lukasgrab eine besondere Variante dar, da die
erhaltenen Architekturglieder eine hypäthrale Anlage erwarten lassen, während der Großteil der bekannten
Vergleiche mit einem Zeltdach eingedeckt gewesen ist. Während sowohl der Zulauf als auch die Ableitung
des Wassers archäologisch gesichert ist, kann die Gestaltung der eigentlichen Brunnenanlage auf dem Podium
nur aufgrund von Vergleichen erschlossen werden. Die zeitliche Einordnung des Baues in das dritte Viertel
des 2. Jahrhunderts n. Chr. ergibt sich zum einen aus den stratigraphischen Informationen der elf Sondagen,
die im und am Rundmonument angelegt worden sind. Zum anderen ist aber auch die dem Monopterosbrunnen
zuzuordnende Bauornamentik für die Datierung sehr aufschlussreich, da sie in direktem Zusammenhang mit
dem inschriftlich datierten Vediusgymnasium gesehen werden kann. Zudem finden sich zahlreiche Vergleiche
im gesamten kleinasiatischen Raum, die das sog. Lukasgrab als einen in der Tradition kleinasiatischer Stil-
formen stehenden Bau erweisen.
Konkrete Informationen wurden aber auch zu den umgebenden Hallen gewonnen. Sie waren im Laufe des
20. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten und daher in den wissenschaftlichen Betrachtungen der letzten
Jahrzehnte stets unberücksichtigt geblieben. So sind nun nach Abschluss der Arbeiten sowohl die Größe der
Hofanlage als auch die Ausdehnung der umlaufenden Portiken bekannt, wobei allerdings besonders im
Norden Unsicherheiten wegen fehlender Untersuchungen im Bereich des modernen Parkplatzes zu konstatie-
ren sind. Dennoch war es möglich, einen neuen Vorschlag zur Größe der gesamten Insula, in der die Qua-
driportikus und das sog. Lukasgrab zu liegen kamen, zu erarbeiten.
Besonders hervorgehoben sei schließlich, dass auch die Funktion des Ensembles Quadriportikus - Hof-
Monopterosbrunnen mit großer Wahrscheinlichkeit determiniert werden konnte. Zahlreiche epigraphische und
bautypologische Indizien sprechen nämlich für eine Deutung als öffentliche Marktanlage, wobei diese Inter-
pretation zudem durch das Fundmaterial gestützt wird.
Ebenso zahlreich sind auch die neuen Erkenntnisse zur byzantinischen Nutzungsphase des sog. Lukas-
grabes. Die Ergebnisse der Untersuchungen erlauben nunmehr besonders im Bereich der Unterkirche die
Unterscheidung von mehreren Umbauphasen sowie eine zumindest grobe zeitliche Einordnung. Demnach
scheint der ehemalige Brunnen - es fanden sich keinerlei Hinweise auf eine zielorientierte Zerstörung des
kaiserzeitlichen Monumentes zur Errichtung der Kirchenanlage - um die Mitte bzw. im Laufe der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. adaptiert worden zu sein. Bautypologisch handelt es sich um einen Zen-
tralbau, dessen aufgehende Architektur allerdings nur mehr aufgrund des zu erschließenden Grundrisses zu
rekonstruieren ist. Dagegen ist das Aussehen der Unterkirche, die anstelle des östlichen Kammersektors des
kaiserzeitlichen Brunnens in das Podium gesetzt worden ist, gesichert. Wenige Reste polychromer Malerei
gewähren Einblick in die ehemals prächtige Ausstattung des liturgischen Raumes. Besonders die Anlageart
der Unterkirche, die über zwei getrennte Eingänge verfügte, gibt Anlass zu der Vermutung, dass es sich bei
dem Bau um eine Pilgeranlage gehandelt haben könnte. Konkrete Hinweise auf den/die hier verehrte/n
Heilige/n, eine bestimmte Reliquie oder ein besonderes Ereignis, das mit diesem Ort verbunden worden wäre,
konnten allerdings nicht gefunden werden. Die Durchsicht der literarischen Quellen ergab lediglich, dass die
neuzeitliche Bezeichnung ,Lukasgrab4 unzutreffend und eine Interpretation als Grabmonument des Evangelis-
ten Lukas auszuschließen ist.
 
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