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Jobst, Werner; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Die Hanghäuser des Embolos — Forschungen in Ephesos, Band 8,2: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.52050#0035
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TOPOGRAPHIE

Die Talsenke zwischen den beiden ephesischen Stadtbergen wird von einem Teil des alten, um den Panayir-Dag führenden
Prozessionsweges markiert, der sich bis heute zum größten Teil in der sogenannten Kuretenstraße erhalten hat (Abb. 1-3). 1-3
Der Verlauf dieses Hauptverkehrsweges weicht von dem rechtwinkeligen, nach hippodamischem Muster angelegten Straßen-
system der hellenistisch-römischen Stadt so ab, daß alle der bisher freigelegten Straßenzüge am Südabhang des Panayir-Dag
und am Nordabhang des Bülbül-Dag mit spitzem Winkel in die Kuretenstraße münden. Dieser Umstand wirkte sich auf die
Verbauung des „Embolos“ insofern maßgebend aus, als in den meisten Fällen nicht rechteckige bzw. rechtwinkelige, son-
dern trapezförmige Grundrißformen entstanden sind (Abb. 3). 3
Während die Nordseite der genannten Straße vorwiegend von öffentlichen Profan- und Kultbauten begleitet wird, erheben
sich an der Südseite umfassende Wohnhausanlagen, die in terrassenförmiger Bauweise mit 4 bis 5 Erdgeschoßhöhen an den
Nordabhang des Bülbül-Dag gelegt sind (Abb. 3). Dazu ist jeweils mindestens ein Obergeschoß zu berücksichtigen. Diese Wohn- 3
komplexe, deren zwei seit 1958 systematisch freigelegt werden, haben die Form von Insulae mit trapezförmigem Grund-
riß, der auf die genannten Verhältnisse in der Anlage des Straßennetzes zurückzuführen ist. Die Insulae werden jeweils an
der Ost-, Süd- und Westseite von den hippodamisch angelegten Hangstraßen rechtwinkelig begrenzt, an der Nordseite jedoch
von der Kuretenstraße schräg geschnitten (vgl. Plan). Die östliche Insula führt die Bezeichnung Hanghaus 1, die Plan
westliche ist als Hanghaus 2 bekannt. Beide Insulae enthalten Wohnungen, die - besonders im Falle des H 2 - reich
mit Fresken1 und mit Mosaiken ausgestattet sind.
Das dem Hadrianstempel gegenüberliegende H 1 ist vollständig ausgegraben und hat die Maße 74,70 m im Westen entlang
der Stiegengasse 1, 54,60 m im Osten entlang der Stiegengasse 2, 46,50 m im Süden entlang der Hanghausstraße und 50,10 m
im Norden entlang der Kuretenstraße. Die ganze Westhälfte dieser Insula wird von einer großen, aus zahlreichen Räumen
mit Obergeschoß bestehenden domus eingenommen, während sich der übrige Teil aus Kleinwohnungen von 80 bis 120 m-,
Größe zusammensetzt2.
H 2 dagegen besteht durchwegs aus großen Peristylwohnungen, deren Grundrißschema während der ganzen römischen
Kaiserzeit und später noch bis zur endgültigen Zerstörung am Beginn des 7. Jh. n. Chr. beibehalten worden ist. Die fünf bisher
freigelegten Wohneinheiten erreichen eine durchschnittliche Größe von 450 bis 950 m2, wenn man Unter- und Obergeschoß
zusammenzieht. Daß allein nach diesen Maßen an Luxuswohnungen gedacht werden kann, beweist schließlich die reiche
innenarchitektonische und dekorative Ausgestaltung mit Fresken und Mosaiken.
Der Gegensatz zwischen H 1 und H 2 kommt insbesondere in der unterschiedlich gut erhaltenen Raumdekoration zum Ausdruck,
sowohl im Fresken- wie auch im Mosaikschmuck. Während nämlich in H 1 nur zwei Räume mit Mosaikfußboden erhalten blieben,
ist in H 2 fast jeder Raum - insgesamt 750 m2 - mit Bodenmosaik ausgestattet, drei Räume besitzen Gewölbemosaik.
Eine über 5 m tiefe Säulenhalle, die nach einer Architravinschrift die Bezeichnung Alytarchenstoa führt, war den beiden Insulae
vorgebaut worden (Plan, Abb. 38). Sie reicht von der Stiegengasse 2 bis zur Mitte des H 2 und diente als gedeckter Schutzbau Plan. 38
für die durchlaufende Tabernenfront. - Die zeitliche Dauer beider Insulae reicht über mehrere Jahrhunderte. In den ältesten
Schichten läßt sich die Verbauung bis in das späte 1. Jh. v. Chr. verfolgen, während die endgültige Zerstörung beider Wohn-
bezirke nach dem Fund datierender Münzen aus dem Brandschutt im ersten Viertel des 7. Jh. n. Chr., spätestens jedenfalls nach
den ersten Araberangriffen nach der Jahrhundertmitte erfolgte. Daß innerhalb dieser weiten Zeitspanne, insbesondere infolge
gewaltsamer Zerstörung durch feindliche Anstürme oder durch Naturkatastrophen zahlreiche bauliche Veränderungen statt-
gefunden und zu einem Wechsel der Raumdekorationen geführt haben, liegt nahe. Dieser Umstand erschwert in einzelnen
Fällen die scharfe Scheidung verschiedener Bauperioden erheblich. Um so willkommener ist daher die Kenntnis von drei
zeitlich gesicherten Ereignissen, in deren Folge sich Umbauten nachweisen lassen.
Im frühen 1. Jh. n. Chr. erfolgte nach einem Erdbeben der tiberianischen Zeit ein durchgreifender Umbau, der sich vor allem
in H 1 grundlegend auswirkte3. Die Plünderung von Ephesos durch die Ostgoten im Jahre 262 n. Chr. kann als weiterer Anlaß
für Erneuerungsarbeiten auch außerhalb des Artemisions gelten. Aus dem 4. Jh. n. Chr. schließlich kennen wir drei Erdbeben-
katastrophen - 358, 365 und 368 n. Chr. -, denen wie überall in Ephesos so auch in den Hanghäusern ein offensichtlich groß-
zügiger Wiederaufbau gefolgt war, in welchem sich trotz des Niederganges Roms die unbeugsame Lebenskraft dieser Stadt
anschaulich spiegelt4. Zwischen diesen Fixpunkten liegen natürlich zahlreiche Umbauphasen und -perioden, deren zeitliche

1 V. M. Strocka, Die Wandmalerei der Hanghäuser in Ephesos, FiE 4 Benndorf, FiE I (1906), 100 ff.; Keil, Führer, 22 f.; Erdbeben-
VIII/1, Wien 1977. berichte: Amm. Marc. 17, 17, 1-13; 26, 10, 15-18; Libanios, or. 18,
2 Vetters, Stockwerkbau, 73 ff.; s. o. S. 17 ff. 291-293; Orosius 7, 32; Chronicon Paschale, PG 92, 755; Cedrenus,
3 Vetters, Stockwerkbau, 74 f. Zum Erdbeben vgl. CIL III 7096 = PG 121, 591, 599; vgl. Goodchild, Libya ant. 3-4, 1966-1967, 203ff.
Dessau, ILS 156.

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