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Asamer, Beatrix; Lang-Auinger, Claudia [Hrsg.]; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Hanghaus 1 in Ephesos: Funde und Ausstattung — Forschungen in Ephesos, Band 8,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.52049#0017
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VORWORT DES GRABUNGSLEITERS

Mit dem nunmehr vorliegenden Band VIII/4 der FORSCHUNGEN IN EPHESOS, der sich die Bearbeitung aller aussagekräftigen Ausstat-
tungselemente des Hanghauses 1 in Ephesos zum Ziel gesetzt hat und den bereits publizierten Baubefund (FiE VIII/3) ergänzt, wird ein lang-
jähriges Desiderat der ephesischen Archäologie eingelöst. Der Gebäudekomplex wurde von Fritz Eichler und Hermann Vetters in den 60er
Jahren des 20. Jahrhunderts freigelegt, Nachuntersuchungen erfolgten in den frühen 90er Jahren, großteils unter der delegierten Verantwor-
tung von Frau Claudia Lang-Auinger, die schon den Baubefund bearbeitet hat und deshalb mit der Herausgabe dieses Bandes beauftragt wur-
de. Damit sind nach mehr als vierzig Jahren seit der Entdeckung des Hanghauses 1 auch seine Ausstattung sowie die für die Interpretation
relevanten Fundgattungen der Fachwelt zur Verfügung gestellt.
Die Fundvorlage aus einer Grabung, die vor so langer Zeit begonnen wurde, bringt Einschränkungen mit sich, die aus der seinerzeitigen Gra-
bungsmethodik und dem damit zusammenhängenden Dokumentationsstand resultieren. Dieses imperfectum muß offen ausgesprochen wer-
den und erklärt auch den Aufbau des Werkes. Die Gliederung erfolgte nach Fundgattungen, die von jeweils verschiedenen Autorinnen bear-
beitet wurden, und entspricht innerhalb dieser Kapitel der Raumabfolge im Baukomplex. Diese Vorgangsweise ist das Resultat intensiver
Diskussionen zwischen den Mitarbeiterinnen und macht trotz der gegebenen Ausgangssituation die Bearbeitung des Fundgutes mit zeitge-
nössischen Fragestellungen und heutigen Methoden auf jeden Fall zu einem wissenschaftlichen Gewinn.
Zahlreiche Erkenntnisse zu den einzelnen Fundgattungen bzw. hervorragenden Einzelstücken sind lege artis aufbereitet und erweitern den
Wissensstand zur Funktion einzelner Räume und zum Ausstattungsluxus römischer Wohnbauten. Dem Fundspektrum entsprechend werden
dabei zahlreiche, auch bislang wenig oder selten berücksichtigte Fundgruppen aus dem römischen Haushalt bekannt gemacht und erstmals
im östlichen Mittelmeergebiet alle aus einer Grabung bekannten Ausstattungselemente und das rekonstruierbare Mobiliar eines römischen
Wohnkomplexes vorgelegt. Den einzelnen Kapiteln ist jeweils ein Katalog angeschlossen, wobei Vollständigkeit angestrebt wurde und ein
Register die Auffindung der verschiedenen Objekte in der raumorientierten Anordnung erleichtert. Der Tafelband besteht aus einer detaillier-
ten graphischen und photographischen Dokumentation, sodaß die Nachvollziehbarkeit der Erkenntnisse gewährleistet ist. Für den Benutzer
ist damit eine entscheidende Erweiterung des zitierbaren Denkmälerbestandes verbunden und die ansatzweise gelungene Rekonstruktion des
Einblickes in den römischen Haushalt überprüfbar.
Die Publikation ist dadurch hoffentlich sowohl für Spezialisten einzelner Fundgattungen leicht benutzbar, als auch für Interessenten an den
Problemen des römischen Wohnbaus ein Gewinn, weil mit der Vorlage neuer Materialien auch neue Grundlagen für weiterführende sozio-
ökonomische Studien im Rahmen der Wohnbauforschung geschaffen wurden.
Die keramischen Komplexe sind das Gerüst neuer chronologischer Ansätze in der Bebauungsgeschichte dieses prominenten Siedlungsplat-
zes im Zentrum von Ephesos. Es konnte hier erstmals belegt werden, daß der Nordhang des Bülbül-Dag bereits im späten 3. Jahrhundert
v. Chr. eine Bebauung erhalten hat. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die urbanistische Entwicklung der hellenistisch-römischen Stadt unter
entscheidend neuen Rahmenbedingungen zu betrachten. Die Arbeit bringt auch andere Revisionen zu bislang gültigen Datierungen sowie
neue Funktionsinterpretationen. So konnte die Zerstörungszeit des späthellenistischen Peristylhauses in tiberische Zeit gesetzt werden, die
große DOMUS mit der Ausrichtung auf die Kuretenstrasse entstand dagegen erst im beginnenden 2. Jahrhundert n. Chr. Auf die Erdbeben-
serie des 3. Jahrhunderts folgte eine gänzliche Umstrukturierung des Baukomplexes, die großen repräsentativen Anlagen wurden aufgegeben
und an ihrer Stelle kleine Wohnbauten eingerichtet. Zudem konnte nachgewiesen werden, daß jene als frühchristliche Kapelle bezeichnete
Raumfolge im Südosten zweifellos profanen Charakter hatte und die dort gefundenen Architekturteile nicht zu einer sakralen Ausstattung,
sondern einem nahe gelegenen Kalkofen als Rohmaterial zugeordnet werden können.
Die Bearbeitung der Skulpturen bietet neben dem aufschlußreichen Querschnitt zur Ausstattung auch eine Reihe von ganz hervorragenden
Einzelstücken. Besondere Erwähnung verdient der Kopf einer Sphinx (Kat.-Nr. S 122), der bald nach seiner Auffindung verschollen und über
den Kunsthandel als Leihgabe in das Antikenmuseum Basel gelangt war. Es ist der Großzügigkeit und Einsicht des derzeitigen Direktors,
Herrn Professor Blome, zu verdanken, daß dieses hervorragende Stück auf unkomplizierte Weise in die Türkei zurückgeführt und nunmehr in
seinem archäologischen Kontext gewürdigt werden konnte.
Die Erforschung der Hanghäuser war und ist zentrales Thema des Jahrzehnte langen Engagements der Österreichischen Akademie der Wis-
senschaften in Ephesos und hervorragendes Zeugnis der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Archäologischen Institut,
die auch durch die gemeinsamen Publikationsprogramme unterstrichen wird. Die Präsentation dieser abschließenden Bearbeitung des Hang-
hauses 1 scheint der geeignete Ort, den Entscheidungsträgem im Präsidium und in der phil. hist. Klasse für den damit verbundenen großen
personellen und materiellen Aufwand öffentlich zu danken. Wir sind zuversichtlich, daß durch diese Zusammenarbeit in naher Zukunft wei-
tere Arbeiten zum Hanghaus 2 erfolgreich abgeschlossen werden können.

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