gender Helligkeit. In dem Sonnenglanz der letzten Florentiner Zeit triumphiert doch
nicht bloß ein neues technisches Gelingen, vielmehr neuer Ausdruck von Milde, Heiter-
keit, von innerem seelischen Leuchten, wie es über der Madonna Colonna liegt und
triumphierend um die Madonna de! baldacchino einst hat fluten sollen. Hier wäre der
Halbkuppelraum, aus dessen geheimnisvoll durchleuchtetem Duft die Gestalten sich lösen,
die schönste Anwendung für die Lehren aus Lionardos Grottenmadonna geworden,
wie es auch die wenigen gut erhaltenen Werke seines Freundes, des Frate ahnen lassen.
Raphael konnte sich als Pieros della Francesca Enkelschüler fühlen, dessen Kunst er
eben in den besten Jugendwerken des Perugino bei den Gesuati wieder begrüßte.
Aus dieser Fülle von Licht und inneren Wallungen entsteht ein ganz neuer Stil der
Zeichnung. Erst jetzt wird Raphael der universelle Maler: Die kirchliche Monotonie der
umbrischen Glasfensterfarbigkeit ist nicht ersetzt durch Florentiner Sonnigkeit, sondern
mit dem flutenden Licht wächst dem Poeten nur eine neue Stimmung zu, und er ge-
winnt damit eben jene allseitige Beherrschung der Natur, die dem inneren Reichtum
des tiefsinnigen großen Menschen erst den Ausdruck geben kann.
Das neunzehnte Jahrhundert hat in Raphael, künstlerisch wie geschichtlich nur die
formale Leistung bewundert. Daß alles in seinem Schallen durch Empfindung bestimmt
war, blieb dieser Betrachtung verschlossen. So hat man Raphael als Maler und darum
eben auch als Zeichner verkennen können. Dieses umfassende Wollen des dichterischen
Malers konnte sich mit dem Ausdruck, den ihm bisher die Linie gewährte, nicht be-
gnügen. Wo die Form vom Licht getroffen wird, reißt der Kontur, seine Reste zittern
gegeneinander oder fliehen sich wie Sprengstücke; leichte flirrende Schatten huschen
wie Wölkchen über die Formen; und im gleichen Augenblick tauscht er die Feder
mit dem Bisterpinsel, um nur noch in Goldtönen der Lavierung die Figur zu formen
und zu bewegen.
Schon die Madonna im Grünen wurde in einer ganz flüchtigen Pinselstudie vorbereitet
(Tf. 118): die Konturen nur noch an den Gritfeispuren im Papier zu erkennen, die Biegung
im Oberkörper der Mutter, das Vorwärtskommen ihrer Arme, die zuckenden Bewegun-
gen der Kinder im sonnigen Raum, verklingende Glieder sind mit virtuoser Leichtigkeit
in breiter Bisterlavierung hingesetzt. Nur aus solcher Vision von Sonnigkeit erklären
sich die tiefen Schatten der Federstudie zum Kind der belle jardiniere in Oxford. Es ist
bezeichnend, wie diese malerischen Spiele zurücktreten, wenn die formalen und plasti-
schen, echt florentinischen Motive seine Gruppierung beherrschen, wie in den Entwürfen
zur hl. Familie, aus denen die Madonna Canigiani entstand oder in den Studien zur
mühseligen Komposition der Grablegung; dann werden seine Federzüge scharf und
metallisch (Tf. 130, Windsor), sie scheinen polierte Marmorglieder und steinerne Falten
um glatte Formen modellieren zu wollen, genau wie in den ausgeführten Bildern,
eben der Madonna Canigiani und der Grablegung das Inkarnat glasig, die Gewandung
blechern wirkt und die Gefahr des Akademischen nahe droht.
Wahrscheinlich ist es das rechte und volle Erlebnis von Lionardos, die ganze Er-
scheinungswelt umspannender Kunst gewesen, das in ihm diese Malerei zur Entbindung
brachte. Mehr als irgendeine andere Komposition hat ihn die Madonna del baldacchino
gegen Ende seiner Wanderjahre beschäftigt. Was schließlich blühend und räumlich
weich wirken sollte, beginnt zuerst mit dem Motiv der Mutter bis zum Knie, an deren
Brustsaum das Kind eben noch übermütig und jetzt halb träumerisch herausblickend
hängt; daraus entwickelt sich die sonnige Halbfigur der Madonna Colonna. Dies Motiv,
vom Thron umfaßt, gedachte er zu flankieren durch würdige Heiligenpaare oder
andachtsvoll Herandrängende; beide Möglichkeiten erwog er auf einer nur in Kopie
überlieferten Skizze. Aber dann durchdringt sich dieser architektonische Aufbau der
Gruppe, ein Motiv, das er wie anderes mit Fra Bartolommeo teilte, mit dem höheren
nicht bloß ein neues technisches Gelingen, vielmehr neuer Ausdruck von Milde, Heiter-
keit, von innerem seelischen Leuchten, wie es über der Madonna Colonna liegt und
triumphierend um die Madonna de! baldacchino einst hat fluten sollen. Hier wäre der
Halbkuppelraum, aus dessen geheimnisvoll durchleuchtetem Duft die Gestalten sich lösen,
die schönste Anwendung für die Lehren aus Lionardos Grottenmadonna geworden,
wie es auch die wenigen gut erhaltenen Werke seines Freundes, des Frate ahnen lassen.
Raphael konnte sich als Pieros della Francesca Enkelschüler fühlen, dessen Kunst er
eben in den besten Jugendwerken des Perugino bei den Gesuati wieder begrüßte.
Aus dieser Fülle von Licht und inneren Wallungen entsteht ein ganz neuer Stil der
Zeichnung. Erst jetzt wird Raphael der universelle Maler: Die kirchliche Monotonie der
umbrischen Glasfensterfarbigkeit ist nicht ersetzt durch Florentiner Sonnigkeit, sondern
mit dem flutenden Licht wächst dem Poeten nur eine neue Stimmung zu, und er ge-
winnt damit eben jene allseitige Beherrschung der Natur, die dem inneren Reichtum
des tiefsinnigen großen Menschen erst den Ausdruck geben kann.
Das neunzehnte Jahrhundert hat in Raphael, künstlerisch wie geschichtlich nur die
formale Leistung bewundert. Daß alles in seinem Schallen durch Empfindung bestimmt
war, blieb dieser Betrachtung verschlossen. So hat man Raphael als Maler und darum
eben auch als Zeichner verkennen können. Dieses umfassende Wollen des dichterischen
Malers konnte sich mit dem Ausdruck, den ihm bisher die Linie gewährte, nicht be-
gnügen. Wo die Form vom Licht getroffen wird, reißt der Kontur, seine Reste zittern
gegeneinander oder fliehen sich wie Sprengstücke; leichte flirrende Schatten huschen
wie Wölkchen über die Formen; und im gleichen Augenblick tauscht er die Feder
mit dem Bisterpinsel, um nur noch in Goldtönen der Lavierung die Figur zu formen
und zu bewegen.
Schon die Madonna im Grünen wurde in einer ganz flüchtigen Pinselstudie vorbereitet
(Tf. 118): die Konturen nur noch an den Gritfeispuren im Papier zu erkennen, die Biegung
im Oberkörper der Mutter, das Vorwärtskommen ihrer Arme, die zuckenden Bewegun-
gen der Kinder im sonnigen Raum, verklingende Glieder sind mit virtuoser Leichtigkeit
in breiter Bisterlavierung hingesetzt. Nur aus solcher Vision von Sonnigkeit erklären
sich die tiefen Schatten der Federstudie zum Kind der belle jardiniere in Oxford. Es ist
bezeichnend, wie diese malerischen Spiele zurücktreten, wenn die formalen und plasti-
schen, echt florentinischen Motive seine Gruppierung beherrschen, wie in den Entwürfen
zur hl. Familie, aus denen die Madonna Canigiani entstand oder in den Studien zur
mühseligen Komposition der Grablegung; dann werden seine Federzüge scharf und
metallisch (Tf. 130, Windsor), sie scheinen polierte Marmorglieder und steinerne Falten
um glatte Formen modellieren zu wollen, genau wie in den ausgeführten Bildern,
eben der Madonna Canigiani und der Grablegung das Inkarnat glasig, die Gewandung
blechern wirkt und die Gefahr des Akademischen nahe droht.
Wahrscheinlich ist es das rechte und volle Erlebnis von Lionardos, die ganze Er-
scheinungswelt umspannender Kunst gewesen, das in ihm diese Malerei zur Entbindung
brachte. Mehr als irgendeine andere Komposition hat ihn die Madonna del baldacchino
gegen Ende seiner Wanderjahre beschäftigt. Was schließlich blühend und räumlich
weich wirken sollte, beginnt zuerst mit dem Motiv der Mutter bis zum Knie, an deren
Brustsaum das Kind eben noch übermütig und jetzt halb träumerisch herausblickend
hängt; daraus entwickelt sich die sonnige Halbfigur der Madonna Colonna. Dies Motiv,
vom Thron umfaßt, gedachte er zu flankieren durch würdige Heiligenpaare oder
andachtsvoll Herandrängende; beide Möglichkeiten erwog er auf einer nur in Kopie
überlieferten Skizze. Aber dann durchdringt sich dieser architektonische Aufbau der
Gruppe, ein Motiv, das er wie anderes mit Fra Bartolommeo teilte, mit dem höheren