Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Loga, Valerian von; Kühne, Ernst; Fischel, Oskar [Hrsg.]
Die Malerei in Spanien vom XIV. bis XVIII. Jahrhundert — Berlin: G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, 1923

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53058#0228
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
216

DIE NEUEN FÜHRER UND DER ITALISMUS

dergrunde „hingegossene“ Frau rief bereits Waagen vor dem Bilde den Namen
Veronese ins Gedächtnis. Die Technik und Farbe — dazu mag freilich der gelbe
Firnis beitragen — sind noch ganz tizianisch, wenigstens viel mehr, als die an-
deren um dieselbe Zeit in Rom entstandenen Gemälde des Meisters. Email-
artig erscheint jetzt der Farbenauftrag, und eine quattrocentistische Buntheit
herrscht vor. Giulio Clovio’s Deckfarbenmalereien haben offenbar diese Wand-
lung in Greco’s Technik angeregt, und der Sohn des Macedoniers mag auch
jene Vorliebe für langgestreckte Proportionen und kleine Köpfe, das charak-
teristische, aber bei ihm besonders stark hervortretende Merkmal für
römische Hochrenaissance, das in der ganzen Welt nachgeahmt worden ist,
unausrottbar in seines Landsmanns Künstlerschaft übertragen haben. Neben
römischen Eindrücken springt in der Heilung des Blindgeborenen Tintoretto’s
lockere Kompositionsweise ins Auge1). Der reflektierende Fliesenfußboden
kommt, wie die Vorliebe für kaltes Blau, ebenfalls von diesem großen Hexen-
meister der Farbe. Will man bei Greco Reminiszenzen an die griechische
Heimat finden, so überrascht mehr als jene byzantinische Starrheit einzelner
Köpfe2) auf seinen späteren Werken das Statuarische einzelner Gestalten und
die durchaus neue Art, wie er auf der Heilung des Blindgeborenen und noch
auf der Toledaner Trinität und der Himmelfahrt Mariä die nackten Unter-
schenkel seiner Figuren modelliert. Auf so edel geformte Füße und so schlanke
Knöchel haben nur jene archaischen Bildhauer der Akropolis die „jonischen
Tanten“ gestellt. Für die menschliche Hand freilich, der er in seinen späteren
Werken eine Seele zu geben pflegte, war von ihm damals noch nicht der Ideal-
typus gefunden.
Clovio’s Schützling, dessen Selbstbildnis jener pries, porträtierte damals
seinen Gönner. Das mit griechischen Lettern bezeichnete Gemälde ist mit der
farnesischen Erbschaft in das Museum zu Neapel gelangt (Cossio Nr. 357)
(Abb. 119). Es besitzt noch wenig von Greco’s späterer spiritueller Auffassung,
an Jacopo Bassano’s beste Arbeiten wird man erinnert. Daß der Dargestellte
wirklich Clovio ist, beweist ein anonymer Stich. Zum Überfluß läßt sich in
dem aufgeschlagenen Buch das Missale, welches jener für den Kardinal Farnese
gemalt hat, erkennen. Bei diesem Porträt dominiert die plastische Modellierung
des Schädels. Die scharfen Schatten und die stark hervorspringende, wie aus
Holz geschnittene Nase geben dem Kopf des Greises ein Übermaß von Energie
und Strenge. Die Hände, obwohl nicht minder ausgearbeitet, sind kräftig,
breit, mit knochigen Fingern gebildet, noch weit entfernt von jener Idealhand
des späteren Greco. Am Daumen und im Gelenk des Zeigefingers fällt der
fast wie ein Überbein vortretende Knochen auf. Diese harte Modellierung
des Antlitzes, vor allem die eigentümliche Bildung der Hände mit dem un-
gewöhnlichen Daumengelenk findet sich auf dem Bildnis des Magisters
1) Man vergleiche das Wunder des heiligen Markus im Museum zu Brüssel, das man
auch Greco zugeschrieben hat.
2) Jose R. Melida, El arte antiguo y el Greco. Bolet. de la Soc. Esp. de Excurs. 1915,
XXIII, p. 103 u.f.
 
Annotationen