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Flugblätter für Gemälde-Kunde — 1.1923

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Nr. 1 (15. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55088#0002
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Seite 2

Flugblätter für Gemäldekunde

Nr. 1

wogegen das Wasserzeichen undeutlich ist) gemalt und
erst später mit Holz (es ist Eiche) unterlegt worden ist,
gewinnt es für die Gemäldekunde doppelte Bedeutung.
In erster Linie aber ist auf die überaus lebensvolle
Auffassung und sichere, zielbewußte Ausführung -in
stilvoller Einfachheit hinzuweisen, weiche den hohen
Rang dieses Galeriebildes ausmachen. In Beziehung
auf die Benennung schließe ich mich der Meinung des
Herrn Direktors Eigenberger an, der den A n-
thony Mor (Antonio Moro) als Urheber des Bildes

annimmt. Durch Henry Hymans Bemühungen hat man in
einem Buch eine lange Reihe von zuverläßig benannten
Werken Anton Mor’s vorgeführt erhalten, wodurch ver-
gleichende Studien sehr erleichtert sind. Man hat auch
andere Benennungen des Bildes versucht, denen ich
nicht beistimmen kann.
Jedenfalls muss man der Staatsgalerie Glück
wünschen, daß sie ohne alle Kosten zu einem solchen
Meisterwerk alter Kunst gekommen ist.

SJTleine ßitdnissanimtung.
Von Hof rat Konstantin D anhelovsky, Wien.

Hoffentlich werden die Leser dieses Hufsatzes
nicht enttäuscht sein, wenn sie erfahren, daß darin
nicht von Oelporträten eines Görard, Gainsborough,
Winterhalter, oder von Miniaturen eines Richard
Cosway, Isabey, Daffinger und Konsorten, sondern
nur von photographischen Bildnissen aus früheren
Jahrzehnten die Rede sein wird. Gewiss, die
künstlerische Wiedergabe des menschlichen Hnt-
litzes durch die Oelfarbe lässt uns im Schöpfer
eines Bildnisses nicht allein einen Wundertäter im
Reiche des leuchtenden Kolorits, einen treffsicheren
Meister in der Führung der Linie, sondern auch
den glücklichen Erfasser der letzten Geistigkeits-
phasen erkennen, durch die dem Darzustellenden
recht eigentlich erst der Stempel seiner Wesen-
heit aufgedrückt wird. Dass hiebei Schwankun-
gen zwischen allzu idealer oder realer Huffassung
und Herausbringung auf Kosten der Naturtreue
platzgreifen können, wird wohl aus dem Grunde
zugegeben werden müssen, dass hier doch nur
eine mählich schaffende Menschenhand im Spiele
ist. Viel eher wird die photographische Platte mit
ihrer Fähigkeit, den Hbzukonterfeienden rasch
nach der Natur zu erfassen, zur untrüglichen
Wahrheitskünderin werden. Die solchermassen
festgehaltene äußere Erscheinung bestimmter Per-
sönlichkeiten kann jedenfalls viel dazu beitragen,
dass man sie in ihrer ungekünstelten Echtheit auf
eindringlichste kennen lerne, sowohl für Zwecke
der Gemäldekunde, als auch vom rein mensch-
lichen Gesichtswinkel her betrachtet.
Ich darf wohl in diesem Sinne behaupten,
dass meine seit einem Menschenalter liebevoll zu-
sammengetragene Sammlung von photographischen
Bildnissen berühmter Personen aller Hrt - im
ganzen etwa 20.000 Stück — als eine Fundgrube
für die unterschiedlichsten Porträtinteressenten be-
trachtet zu werden verdient. Demgemäß haben
auch zahlreiche Hutoren, Verleger, Illustrations-
Unternehmungen, Bildnisaustattungen, Privatper-
sonen u. s. w. meine Porträtbestände besichtigt,
beziehungsweise Stücke daraus zu Wiedergabs-
zwecken sich oft und oft erbeten.
Welche Personen, Berufs- oder Gesellschafts-
klassen in meiner Sammlung vertreten sind ?
Darauf antworte ich pflichtschulaigst: aller und
jeder, der in früheren Tagen als berühmt, inter-
essant, aus irgend einem Grunde vielgenannt oder
auch nur als berüchtigt gegolten hat. HU diese
Personen, die nach alten Gemälden, Stichen oder
nach der Natur photographisch festgenagelt sind,
haben sich bei mir zusammen gefunden, was
nicht wenig besagen will, wenn man bedenkt,
dass die Photographie nach dem Dahindämmern
ihrer Vorgängerin, Daguerrotypie, seit den 1840er
Jahren eine ungeahnte Verbreitung fand. Dem-

nach sind also in meiner Sammlung vertreten:
alle Herrscherhäuser der Welt (auch asiatische,
afrikanische, dann amerikanische Staatspräsidenten)
Staatsmänner, Politiker, Dichter, Musiker, Ge-
lehrte, bildende Künstler, Hristokraten, Geistliche,
historisch und literarisch berühmte Frauen, Wiener
Gesellschaftsfiguren, Volkssänger, Zirkusreiter,
Taschenspieler, Verbrecher und ihre Opfer, wobei
natürlich auch der Scharfrichter pünktlich beige-
stellt ist. Und noch viel andere merkwürdige
Personen in wahllosem Kunterbunt.
Den größten Eifer aber entwickelte ich hin-
sichtlich des Zusammenbringens von Bildnissen
gefeierter und nicht gefeierter Bühnenkünstler jeg-
lichen Genres aus dem In- und Huslande. Das alte
Burgtheater, die ehemalige Hofoper nebst den Vor-
stadttheatern Wiens, auch der nicht mehr existenten
(Harmonietheater in der Wasagasse, Quaitheater
am Morzinplatz, Stadttheater auf der Seilerstätte
usf.), sind durch ihre Bühnendarsteller zumeist in
Rollenbildern reichlich Vertretern. Hiebei sind all
meine Sammelstüdce ohne Husnahme auf der Rück-
seite der Bilder mit schriftlichen Hngaben biogra-
phischen oder sonstigen Inhaltes von meiner Hand
versehen. Die erforderlichen Daten aus allerhand
Behelfen, wie Bücher, Zeitungen, mündlichen Mit-
teilungen früherer oder gegenwärtiger Zeitgenossen,
zusammengetragen, erlesen, erhorcht oder sonstwie
in Erfahrung gebracht, enthalten eine Fülle inter-
essanter Nachrichten über die abgebildeten Per-
sonen, wie man sie in der Schnelligkeit kaum mehr
zu erlangen vermag.
Eine Hufzählung auch nur eines Teiles dieser
Bildnisgruppen, die kategorienweise in Pappkar-
tonen oder verschnürten Faszikelchen ruhen, ist
hier wohl nicht möglich. Zwei stattliche Kataloge
sorgen hiefür durch sachliche und alphabetische
Verzeichnung des Stoffes. Huf gut Glück seien nur
einige Dinge daraus besprochen. Interessant sind
hauptsächlich die Porträte der schon in den 1850er
Jahren heimgegangenen Berühmtheiten, also von
Menschen, die in der Zeit, da die photographische
Kunst erst ihre Gehversuche unternommen hatte,
noch Gelegenheit fanden, im Wege der Lichtbild-
nerei nach der Natur aufgenommen zu werden.
So z. B. die Dichter und Schriftsteller Lenau, Ale-
xander Baumann, Saphir, Marschall Radetzky,
Staatskanzler Clemens Fürst Metternich, dann spä-
terhin noch allerlei andere Zelebritäten, wie Hebbel,
Hdalbert Stifter, Grillparzer, die alten Hofschau-
Spieler Ludwig Löwe, Fichtner, Beckmann, La
Roche, Dawison, Christine Hebbel, Haizinger, die
Operngrößen des Kärntnertheaters, so der ver-
götterte Tenorist Ander, Rosa Csillag, Staudigl,
die Komiker Nestroy und Treumann, Matras, Knaack,
Blasel in all ihren berühmten Rollen. Charlotte
 
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