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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1922

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Deutsche Gewerbeschau München 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.17995#0282

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DENKSCHRIFT DER DEUTSCHEN GEWERBESCHAU MÜNCHEN 1 9 <2 2

den Rhythmus gibt. Man fühlt ein Grundmaß, wodurch der ganze Bau eine Proportionalität und
Harmonie bekommt, die weit verschieden ist von dem polyphonen Durcheinander, der hinter uns
liegenden Zeit.
Auf einer in Bayern abgehaltenen Gewerbeschau kam naturgemäß der Beitrag fühlbar zur Geltung,
den Volkskunst und ländliche Bauweise dem Siedlerhaus zu geben haben. Schon die innere
Regie des Wohnzimmers mit dem Fenstereckplatz, der den Familientisch mit Bänken enthält, unter-
scheidet sich vorteilhaft von der in den Städten noch immer gewohnten Einrichtungsart, die möglichst
nicht die Sitze, sondern den Tisch zur Hauptsache macht und daher meist die Mitte des Zimmers zum
Nachteil seiner Geräumigkeit verbaut.
Ein schönes Beispiel für die Gesundung in der Bauweise war das Ferienhaus von Richard Riemer-
schmid: ein großer Raum, um dem sich die kleineren Räume wie Kabinen anschlossen, einfache, immer
wiederkehrende Möbeltypen, vor allem also Tische, die sich leicht transportieren und nötigenfalls auch
schnell zusammenbauen lassen, dazu farbige Wirkung durch Stoffe und Geschirr, das Ganze erfrischend
und dirndlhaft, insoweit wir es uns in den Bergen gern gefallen lassen.
Als wichtiges Beispiel des Siedlungshauses dürfte der von Tessenow eingerichtete Bau der Gemein-
nützigen Hausratwerke zu nennen sein. Hier war ein Haus, in dem man sich, im Gegensatz zu manchen
Abteilungen der übrigen Gewerbeschau, einmal sagen konnte, daß auch an die Lebensbedingungen
derer, die nicht zu den neuen Reichen gehören, verantwortungsvoll gedacht wird.
Besondere Erwähnung verdient noch das Bremer Landhaus. Gerade weil es in einem leisen Ge-
gensatz zu dem übrigen System der Ausstellung stand und ein wenig abseits lag, wirkte es so über-
raschend, hier eine kleine gepflegte Welt in Abgeschiedenheit und Harmonie zu sehen. Man begriff den
Reichtum Deutschlands, das auf heimatliche Kulturen gestellt ist und die Fülle einzelner Städteindivi-
dualitäten hervorbringt. Und man begriff die feine Eigenart des Hanseaten und hier besonders auch des
Bremers. Denn er — oder soll man hier Rudolf Alexander Schröder sagen? — vermag in seiner Wohn-
kultur eine wirkliche Atmosphäre zu schaffen, ein wunderbares Zusammengehen von Bauwillen, For-
mung und Stimmung. Das zeigte sich im Bremer Haus, trotzdem es einen dilettantischen Unterton nicht
ganz vermieden hatte.
In der Erinnerung wirkt wohl vor allem die Geschichte, die hinter diesem Versuche stand: Leo Bier-
mann, der Vertrauensmann des deutschen Werkbundes in Bremen, hat mit Aufbietung einer ihm wie
wenigen Menschen eigenen Energie die Aufstellung dieses von Stoffregen-Bremen gebauten Hauses er-
möglicht. Er wollte darin ein Bild der Bremer Kultur geben, und es ist, als ob die Vorahnung seines
Todes, der ihn in München ereilte und wohl als eine Folge der durch diese Arbeit geforderten Über-
anstrengung anzusehen ist, treibend hinter dieser Verwirklichung gestanden hätte. Es spricht für die Kraft
dieses körperlich schwer gehemmten Menschen, daß er ein solches Stück Verwirklichung einer kultu-
rellen Atmosphäre an den Schluß seines Lebens stellte.
Die Dombauhütte
Das Jahr 1922 bot mancherlei Beispiele dafür, daß die Probleme der religiösen Kunst erneut in den
Vordergrund getreten sind. Rückblickend wird man dabei die Dombauhütte der Deutschen Gewerbe-
schau als besonders wichtig und anregend nennen müssen, obwohl sie so stark vom Kampf der Mei-
nungen umstritten war.
Es liegt ein Stück Tragik darin, daß damit gerade die Abteilung der Gewerbeschau am meisten
Gegnerschaft und Mißverständnis fand, die sich in hohem Maße gemüht hatte, ihre Arbeit auf eine
Gemeinschaft zu stellen und neuen Problemen entgegen zu schreiten.
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