Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

DOI Artikel:
Häring, Hugo: Wege zur Form
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0010

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sprachen, je besser sie denen an einer
reinen Zweckerfüllung entsprachen, und
daß zudem der Ausdruck dieser Dinge
einer neuen Geistigkeit entsprach. Wir be-
kannten uns zu dem Ausdruck, den Ma-
schinen, Schiffe, Autos, Flugzeuge und
tausend Geräte und Instrumente haben. Mit
dieser Entdeckung beginnt ein neuer Ab-
schnitt in der Geschichte der Gestaltwer-
dung der Dinge.

Wir suchen nunmehr unsere Ansprüche
an den Ausdruck nicht mehr der Zweck-
erfüllung der Dinge gegengerichtet zu be-
haupten, sondern suchen sie ihr gleich-
gerichtet auf den Weg zu bringen. Wir
suchen unsere Ansprüche an Ausdruck in
Richtung des Lebendigen, in Richtung des
Werdens, in Richtung des Rewegten, in
Richtung einer naturhaften Gestaltung gel-
tend zu machen, denn der Gestaltungsweg
zur Form der Zweckerfüllung ist auch der
Gestaltungsweg der Natur. In der Natur
ist die Gestalt das Ergebnis einer Ordnung
vieler einzelner Dinge im Raum, in Hin-
sicht auf eine Lebensentfaltung und Lei-
stungserfüllung sowohl des Einzelnen
wie des Ganzen. (In der Welt der geo-
metrischen Kulturen ist die Gestalt der
Dinge gegeben durch die Gesetzhaftigkei-
ten der Geometrie.) Wollen wir also Form-
findung nicht Zwangsform, Gestaltfindung
nicht Gestaltgebung, so befinden wir uns
damit im Einklänge mit der Natur, in-
dem wir nicht mehr gegen sie handeln,
sondern in ihr.

Damit fordern wir für die Dinge nur
dasselbe, was wir auf vielen anderen Ge-
bieten des Lebens bereits seit langem for-
dern. Diese Wandlung unseres Anspruches
an die Dinge ist also nicht eine Resonder-
heit eines begrenzten Gebiets, sondern die
Wirkung einer ganz allgemeinen Umwäl-
zung in der Planwirtschaft unseres geisti-
gen Lebens überhaupt. Es ist also schließ-
lich richtiger zu sagen, daß wir eine Wand-
lung in den Planbegriffen und Plansetzun-
gen unseres geistigen Ordnens, Rauens und
Schaffens überhaupt durchmachen und
daß diese Wandlung, die wir an einzelnen
Dingen bereits feststellten, eben ihre Ur-
sache hat in dieser allgemeinen Umwälzung.

Wir entnehmen die Planfiguren, die wir
unseren schöpferischen Gestalten zugrunde
legen, nicht mehr der Welt der Geometrie,
sondern der Welt der organhaften For-
mungen, weil wir die Einsicht gewonnen
haben, daß der Weg des gestaltenden auf-
bauenden, schöpferischen Lebens nur der-
selbe sein kann, den die Natur geht, der
Weg organhafter Planbildung, nicht der
Weg der Geometrie.

Alle Rewegungen unseres geistigen Le-
bens liegen in diesem Planwandel begrün-
det, und die neue Ordnung der Dinge, die
wir durchzuführen unternommen haben,
geschieht und vollzieht sich aus neuen Plan-
begriffen heraus und in bezug auf sie. Der
Drang zu ordnen, der Drang zu gestalten,
der Drang zu bauen, bedarf eines Planes,
um handeln zu können. Unsere Sorge ist
es, diesen Plan zu finden. Denn was wir
auf und über diesem Plan errichten, muß
in diesem Plane selbst schon enthalten sein.
Über der Plansetzung eines Kreises läßt
sich keine Pflanze errichten, wohl aber
finden sich auf dem Wege, auf dem die
Gestalten der Natur entstehen, Planfigu-
ren ein, die identisch sind mit dem Kreis.
Das heißt: es gibt einen Gestaltungsweg,
auf dem alle Dinge, auch die geome-
trischen Figuren gleichenden und die kri-
stallgleich gebildeten, als Gestalten aus in-
dividuellen Planbegriffen werden, während
auf jenem anderen Wege den Dingen eine
Form von außen gegeben wird, die ihrer
inneren Gestaltwerdung entgegensteht. Wir
entnehmen daraus, daß die Fruchtbarkeit
unseres bauenden, schaffenden Tuns in der
Fruchtbarkeit unserer Planbegriffe bereits
beschlossen liegt. Handelt der anfängliche
Mensch ohne Wissen um Planbegriffe in
Identität mit der Natur und also naturhaft,
handelt er somit auch immer schöpferisch,
so handelte der Mensch der geometrischen
Kulturen mit dem überbetonten Planwillen
und den begrenzten Planbegriffen nur so
lange fruchtbar, bis seine lebendige Kraft
in die Formen der Geometrie nach allen
Regeln und Gesetzen gegossen und ver-
packt und damit abgetötet war, also nur
so lange und so weit, als diese Figuren
ihrem Drange nach Entfaltung Lebens-

4
 
Annotationen