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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Neumann, ...: Werkstoffbearbeitung: Tafelglasschliff
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0085

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das Glas an den Siein andrücken, auch allerlei
gebogene sowohl tiefe als flache Spulen schleifen.

III. Die flache Schleiffläche des Steines er-
zielt bei rechtwinkligem Ansatz des Glases ein
Quadrat (Nr. 6), bei Verlängerung ein Recht-
eck (Nr. 7). Wird das Glas schräg an den
Stein gedrückt, oder — wie der Fachmann
sagt — rechtsseitig oder linksseitig eingesetzt,
so ergibt sich die halbovale, rechts oder links
scharf eingesetzte Kante (Nr. 8). Zwei solche
Halbovale mit der Kante zusammengesetzt, bil-
den eine Olive mit scharfem Gral (Nr. 9).
Werden die Ovale wieder durch Drehung der
Hände gebogen, so entstehen Mondsicheln, die
man z. B. S-förmig mit einander verbinden
kann. In Nr 10 ist links die Kante unten,
rechts oben.

IV. Endlich kann die Schleiffläche keilförmig
sein. Das rechtwinklig angesetzte Glas zeigt dann
den in Nr. 11 abgebildeten, bei Verlängerung
den in Nr. 12 abgebildeten Kanelschnitt.

Das sind die Grundformen, die sich aus der
Technik selbst ergeben und die nur geometrisch
sein können. Man kann durch Kombinationen,
wie bereits angedeutet, die Schliffe endlos vari-
ieren. Jeder Schliff läßt sich jedoch zu einer
dieser Grundformen zurückbringen.

Damit ist die Technik allerdings kaum er-
schöpft. Durch Anbringung eines Rohres auf
der Achse des Schleifzeuges könnte man z. B.
durch flaches Ansetzen des Glases, diesmal nicht
parallel, sondern rechtwinklig zur Achse, Ringe
in allen Größen schleifen. Diese Neuigkeit findet
aber noch keine Anwendung.

Es braucht hier wohl nicht besonders betont
zu werden, daß man durch Abwechslung von
hellgeschliffenen und polierten Flächen noch zu
besonderen Wirkungen kommen kann.

Abb. 3

Schwab, Schliffenster aus gewischtem, blauem
Antiküberfangsglas

Neben den Möglichkeiten, die aus der Technik
selbst herauswachsen, kann die künstlerische Lei-
tung einer Schleiferei je nach dem Raum, für
den das Schliffenster bestimmt ist, auch noch
mit dem Material selbst allerlei erreichen. Ne-
ben Spiegelglas kann man z. B. Anlikglas
verwenden. Der polierte Schliff wird sich hier
ganz besonders von dem mit Bläschen, Schlie-
ren, Sandkörnchen durchsetzten Grund abheben,
namentlich, wenn dieser überzogen und gewischt
ker hervortritt. Weitere Möglichkeiten ergeben
sich durch Verwendung von Ueberfangglas in
allen Farben. Besondere Wirkungen lassen sich
erzielen mit Silbergelb und aufgeschmolzenen
Lacken.

Die technischen Vorgänge sind, wie aus dem
oben Gesagten hervorgehl, verhältnismäßig ein-
fach. Die Schwierigkeil liegt in der Lösung der
künstlerischen Probleme. Die Entwürfe müssen
vollkommen in und aus der Technik heraus und
in und aus dem Material heraus gedacht und
empfunden sein. Sie müssen von Schleifern
ausgeführt werden, die nicht nur ihr Fach voll-
kommen verstehen, sondern auch die Fähig-
keit haben, sich in einen Entwurf einzufühlen.
Wenn der aufgepausten Zeichnung sklavisch ge-
folgt wird, so zeigt der Schliff das unerfreulich
Aengslliche, Zitterige und Unsichere, ähnlich wie
bei der Nachahmung einer fremden Handschrift.
Hat der Schleifer dagegen künstlerisches Ver-
ständnis und Gefühl für die Bewegung der
Linien, so wird der Schliff frei und geläufig,
sicher, flott und selbstverständlich. Die in den
Abbildungen 3 und t\ gezeigten Beispiele ent-
stammen den Werkstätten von Puhl & Wag-
ner, Gottfried Heinersdorff in Treptow.

Dr. Neumnnn

Abb. 4

Nach Angaben von E. Fahrenkamp, Düsseldorf
Teil eines Schliffensters aus gelbem Überfang-
glas, teilweise mit Silbergelb hinterlegt.

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