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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Henning, Paul Rudolf: Keramik und Baukunst
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0110

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tekten-wie der Werkstättenarbeit mit sich scheidend angefa!3t wurde: das Glas. Mit

bringen würde, könnte dann erwogen der Abkehr von der Lochfassade des Mas-
werden. Die vielfach noch unrationelle sivbaues zieht das Glas als dimensional stark
Herstellung durch Ausdrücken aus Gips- mitsprechender Faktor in die Maßstabs-
formen, besonders bei Beanspruchnng von Verhältnisse der modernen Bauwerke ein.
Hunderten von Metern glatter Stücke, wie Seine spiegelnde Oberfläche muß in ganz
ich sie beim Mosse-Bau erlebte, könnte neuer Art im Baukörper gefaßt werden,
maschinell erfolgen; Uberhaupt ergäbe damit die Einheit des Ganzen gewahrt
sich aus einer solchen breiten Erfassung bleibt. Die Gegensätze in der Material-
der Baukeramik ein intensiveres Studium wirkung des Betons und des Glases bedürfen
der praktischen Ausbaumöglichkeiten. dabei eines Mittlers. Die lichttragende Gla-
Bisher habe ich einen Baufaktor unerwähnt sur der Keramik, die anderseits aber auch
gelassen, dessen Wichtigkeit von allen neu- noch Masse ist, erscheint gerade berufen,
zeitlich empfindenden Baukünstlern ent- dies zu vollziehen.

Ausstellungen

^ie Baukunst-Ausstellung die im November und perioden, eine jugendlich frische, darum vielfach TYPEN

Dezember 1925 in der Mannheimer Kunsthalle noch rohe und ungebärdige zu setzen. Daß dieses kiri irn

stattfand, hatte einen vorwiegend didaktischen prometheische Wagnis nicht zur Unfruchtbarkeit 1'tU trl

Zweck. Einerseits sollte sie ein empfangliches verdammt ist, ergibt die internationale Überein- BAU"

Publikum auf die Möglichkeiten hinweisen, die Stimmung der neuen Baugedanken. Eine solche ^IJMCJ

sich gegenwärtig trotz aller Xot der Baugestal- Bewegungist sicherlich mehr als eine bloßeMode.

tung bieten, anderseits der Fachwelt zeigen, wie \\ enn die Anregungen des Eisens und Iiisen-

bestimmte Bauaufgaben von führenden Person- betons die ersten fmpulse zur Schaltung weiter

lichkeiten angepacktundgelöst werden. Darüber. Räume ohne Stützen und weit ausladender,

wer zum Führer prädestiniert ist, gehen die schwebender Bauteile geben, so spielt das Agens

Meinungen zwar stark auseinander, doch glaubte der starken Persönlichkeit in dem Werden solcher

die Ausstellungsleitung als Legitimation die neuer Formen und Bautypen eine nicht minder

Leistung betrachten zu dürfen. wichtige Rolle. Im Zusammenhang unseres

Aus der neuartigen Durchbildung einer Reihe kulturellen Aufbaues sind viele Ausstellungsob-

von Bautypen ist das moderne Gestaltungsprinzip jekte als „Pfeile der Sehnsucht'' höher zu achten,

abzuleiten. Es ist weder dekorativer noch forma- denn die beruhigten Werke einer auf Tradition

listischer Natur. „Radikal" hat es Walter Gropius gegründeten Routine.

genannt, womit das Zurückgreifen auf die Wurzel Noch ist die Zeit nicht gekommen, in der von
aller formenden Arbeit gemeint ist. Meisterschaft und Schulen auf neuer Grundlage
Sofern die architektonische Form heute — in der die Rede sein kann. Die vorwärtstreibenden
Zeit des Uberganges — als Gebilde schöpferischer Geister suchen noch und tasten, ihre Gebilde
Arbeit Geltung haben soll, entsteht sie aus einer sind vielfach von einer unerbittlichen Strenge
Reihe von natürlichen Bedingungen, von denen und verstandesmäßigen Härte erfüllt, wenngleich
die wichtigsten sind: Werkstoff, Konstruktion, sich ein starker Formtrieb darin ausspricht. Aus
Herstellungsprozeß, Verwendungszweck, (Bau- einem anerkennenswerten Niveau, das durch eine
programm), Sitten und Gebräuche. Über ihnen ungeheure Schaffensenergie gekennzeichnet ist,
steht der souveräne Gestaltungswille. heben sich einzelne Persönlichkeiten heraus,
Ohne tiefgreifende Veränderung dieser natür- denen Werke von seltener Schönheit gelingen,
liehen Vorbedingungen, wie sie sich in unserer So wirken Tradition und Schöpferkraft, Typus
Zeit vollzieht, wäre die Wandlung nicht verstand- und Persönlichkeit zusammen, um das Abbild
lieh, welche die Architektur, diese konservativste unserer Zeit in der Baukunst zu schaffen. Noch
aller Künste, ergriffen hat. Denn alle Tradition sind die kühnen und neuartigen Leistungen ver-
spielt in diesem Prozeß eine wesentliche Rolle. einzelt. Darum darf wohl als richtig gelten, daß
Auf Gebieten, auf denen sich die natürlichen in einer Schau, in der das Material kritisch ge-
Vorbedingungen nicht wesentlich ändern, sind sondert, vielleicht sogar einseitig gewählt er-
Typen der letzten schöpferischen Vergangenheit scheint, ein Querschnitt durch das Bauschaffen
als Vorbilder noch wirksam, namentlich also im der Zeit versucht wird, soweit es sich als vor-
Wohnhausbau und in der ländlichen Baukunst. wärtstreibend erweist.

Die Mannheimer Ausstellung vermittelte den Die Mannheimer Ausstellung soll nunmehr als

Eindruck einer mächtigen geistigen Bewe- Wanderausstellung, an deren Vervollkommnung

gung, die das Wagnis unternimmt, an die Stelle weiter gearbeitet werden wird, ihren Weg durch

einer alternden Formenwelt vergangener Stil- Deutschland nehmen. Gustav Adolf Platz

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