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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Zech, Paul: Vom Chaos zur Form des Bühnenwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0121

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vom Chaos zur form des Bühnenwerks

VON PAUL ZECH, BERLIN

t I m jeglicher Form und in alle Ewigkeit

Fchon Zeitgenossen von Shakespeare, Mo- nicht mechanisierbar ist für Massenahsatz.

liere, Schiller und dem naturalistischen Schenkt's in homöopathischen Dosen!

Hauptmann schrien unentwegt nach dem

„Neuen" Drama. Und meinten freilich II

Fortschritt des Theaters an sich. Diese Sätze, vorausgeschickt: bezwecken
Der Schrei heule nach dem „Neuen" Dra- Scheinwerfer-Leistung. Jedoch das Chaos
ma aber ist eine billige Verlegenheils- zeigt hinler den belichteten Trümmern
phräse jener Thealerpolitiker, die sich im noch tiefere Abgründe auf. Der Wirbel
Sumpf irgendwelcher Ismen verrannt haben der Verwirrung ergreift alle Glieder des
und aus eigener Kraft keinen Ausweg mehr Kreises, die den Begriff Theater unlspan-
wissen (das heißt: Vorschlag zum Neubau neu. Dichter, Spielleiter, Szeniker und
haben). Sie verwässern die schon längst Schauspieler zerfasern sich unter Anstren-
von anderen Mächten entwertete Substanz gungen, die von einem unsinnlichen Außen
aller Dinge um den Komplex Theater und an ihr Erleben herangetragen werden. Sic
glauben der Inflation damit Herr zu greifen, um den Anschluß an den ,,Be-
werden. ruf" nicht zu verlieren, zu konstruktivi-
Der Teufel soll mich holen, wenn lausend stischen Mitteln. Sie wurden, weil sie vom
Dramenschreiher und tausend Schaubüh- Formerlebnis nichts mehr zuzusetzen hat-
nen im Luftbereich eines Sechzigmillio- ten, formlos. Sie führen die Dynamik
nenvolkes den Gipfel kultureller Ballung des Sinnlichen in das Tempo der Maschine
bedeuten sollen — und nicht die gewissen- hinüber. Sie mechanisieren Blut und Ge-
lose Preisgabe edelster Güter an indu- fühl. Die mechanisierte Formlosigkeit lie-
strielle Ausbeutelung sind. fert die Schaubühne der Maschine aus.
Seht —: das ist's; nicht am Wertgehall des Ein Thealer der Maschine hebt aber die
Schaustücks, aber an dem warenhaushaften Ordnung des Geistes auf und bekennt sich
Verschleiß von fabrikmäßig hingeschlüder- zu einem aus dem Gleichgewicht gerate-
ten Schaustellungen verdarb sich das Kon- neu Gelegenheitszustand der Konstruktion,
sumentenheer den Magen und geht jetzt Dichtung, Raum und Darstellung veräu-
im Bogen um Alles herum, was Schau- ßerlichen unter dieser FremdherrschafI.
bühne heißt. Bevölkert den Kientopp. Auch der Zuschauer veräußerlicht und
Umlagert den Rundfunk und nährt sich brennt nach der einen mechanisierten Sen-
von Ersatzstoffen der Magazine. Indes der sation mit noch vergröberten Empfangs-

Pleitegeier...... Organen auf die Entflammung des näch-

Den Ihr bannen könnt, wenn Ihr nur den sten Feuerwerkes. In solcher Glut der

Mut habt, Dämme wider die Überschwem- äußeren Erregungspunkte kann Wort nicht

mung zu türmen, nämlich: von Staats we- mehr Wort, Bild nicht mehr Bild, und

gen fünfzehntel aller ..Kunsttempel" ver- Bewegung nicht mehr Bewegung sein,

nagelt und das Handlangertum der Stücke- Nicht einmal Naturinstinkte sind hier ent-

schreiber zurückbefördert zu Monatsgehalt, fesselt. Die große Welt des Geistes, zu

Schwof und Skatklub. der wirkliche Kürist auf der Bühne (d. h.

Oder: in Bewegung gebrachte Dichtform) die

noch deutlicher: Brücke zum Menschen schlägt, schafft sich

Vom Theater fordere man, daß es das jenseits der Schaubühüe Wirkungsflächen,

preußisch-militaristische Panikmachen end- Das Theater läuft in einem grellen Geflit-

lich ablege und erkenne: daß Kunst ter von Buntheit leer. Nach stärksten Flit-

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