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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Molzahn, Johannes: Auf dem Wege zur stahlzeitlichen Theatergestalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0135

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Es ist zugleich ein biologisches Gesetz, und jede
Pflanze ist ein Beispiel dafür, daß eine verän-
derte Lebensbedingung auch andere Funktion
und Form der Anpassung nach sich zieht, denn
sonst wäre längst jedes Pflanzenleben erloschen.
Im selben Augenblick, da wir mittels Luft-
Expreß in acht Stunden von Berlin nach Paris
reisen, silzen sämtliche Theaterdirektoren Euro-
pas in ihren Sludiersluben, um darüber nachzu-
sinnen, wie es möglich ist, die Krisen der Ge-
genwart mit einer Bühnen wer kform zu über-
dauern, die aus der Zeit der Postkutschen
stammt; in einer Zeit, in der wir gewohnt
sind, über die ganze Erde in einem Augenblick
zu denken und uns zu verständigen, mutet man
dem Theaterbesucher zu, langatmige Dialoge
über irgend eine Verschrobenheit anzuhören oder
eine Moden- und Koslümschau aus dem Jahre
i8o5 über sich ergehen zu lassen. Aber da wir
uns nun einmal entschlossen haben, an das
Märchen „von den heiligen Gütern der Nation
und der Kulturstätte" zu glauben, so scheut
offenbar ein jeder, die ganze Langeweile, die
er empfindet, auch einzugestehen. Dabei soll
gar nicht bezweifelt werden, daß diese alten
Oskar Schlemmer, Szene aus C. Hauptmann Kulturgüter einmal einen Sinn gehabt haben.

Der abtrünnige Zar" Sicher aber ist es, daß sie heule nicht mehr

imstande sind, unser Leben und unsere Arbeil
sinnvoller zu machen; hohl und ohne Inhalt
entscheidenden Umformungen diese durchge- bleiben die Werke des Tages vor uns stehen,
macht bat, wird am besten klar, wenn wir ein- Wir haben uns gewöhnt, es als selbslverständ-
mal einen Augenblick daran denken wollten, liehe Verpflichtung zu empfinden, diese Gegen-
welche riesige Entwicklung und phantastische wart zu hassen und zu verabscheuen und vor den
Überschreitungen des Lebenslempos uns die Problemen, die sie uns aufgibt, in eine gcmül-
lelzlvergangenen zehn Jahre gebracht haben. So vollere Zeit zu flüchten, die man dann ,.Geist
sollte es selbstverständlich sein, daß kein Gebiet und Kultur'' nennt, so sehr diese auch im
unbeeinflußt bleiben, daß auch die Bühne auf Kontrast zu unserem Leben und dem Zeil-

allen

Formen und Mitteln nichl beharren kann. tempo sieben mag.

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