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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Delius, Rudolf von: Kunstform und Naturform
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0152
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tischer Entwicklung, wenn derselbe auch
nie so logisch sichtbar wird wie in den
menschlichen Kulturen.

Aber ist etwa die Strenge der Tanne nicht
durchaus dorisch, im Gegensatz zu der
weichen Sanftheit der Buche, die dem
fortgeschritten-jonischen Typ angehört?
Und ist das Barocke, das malerische Spiel
der Ornamente, die jetzt überwuchern,
nicht überall auch in der Natur eine ganz
deutliche Spätform?

Jedenfalls möchte ich diese Anregung ge-
ben, sie wird sich bei der Einzelbetrach-
tung reichlich bestätigen. Die Natur ist
eben selber Kunst schaffend. Ein Form-
wille herrscht da, der durchaus souverän
ist, Selbstgestaltung. Jeder Versuch, die
Naturform mechanisch von außen her zu
erklären, durch eine Addition von Zufällen
wie bei Darwin etwa, mußte ja scheitern.
Die Selektionstheorie versagte und ist ja
auch heute als Gestaltungsprinzip erledigt.
Ein sich selbst steigernder Formwille, der
in den Organismen herrscht und treibt,
muß als Tatsache hingenommen werden.
Es gilt jetzt, die Wirkungsart dieses „Lo-
gos", sein künstlerisches Prinzip, tiefer zu

erfassen. Dazu wollte ich hier einen Bei-
trag liefern durch die Behauptung: die
gleiche Slilfolge findet sich in Natur wie
Kunst, ein bestimmter Rhythmus ordnet
unsere menschlichen Geistschöpfungen,
und derselbe Rhythmus ist auch schon
deutlich erkennbar in den Gestallen der
sich selbst emportreibenden Natur.

Alle Menschen erfreuen sich an der Schön-
heit der Natur, aber auch dort drängt es
uns, zu wissen, zu erkennen. Am feinsten
hat das der alte Goethe ausgesprochen in
jenem Gedicht an die Rose. Ich glaube,
wir müssen dieser Einstellung zu der Natur
wieder nahe kommen : der Einheit von Ge-
nießen und Erkennen. Das Gedichl lautet:

Als AUerschönste bist du anerkannt,
bist Königin des Blumenreichs genannt;
unwidersprechlich allgemeines Zeugnis,
Streitsucht verbannend, wundersam
Ereignis!

Du bist es also, bist kein bloßer Schein,
in dir trifft Schaun und Glauben überein:
doch Forschung strebt und ringt, ermü-
dend nie,

nach dem Gesetz, dem Grund, Warum
und Wie.

Muscheln,

Aus dem deninäclist erscheinenden 5. Hand de r „Bücher der Form":
Kropp, Wandlung der Form im 20. Jahrhundert.
Verla« Hermann Reckendorf, Berlin.

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