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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Rundschau
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RUNDSCHAU

Anton von Werner-Renaissance

..Neue Sachlichkeit"--was ist das eigentlich?

Ein etwas schiefer Ausdruck für „alte Un-
sachlichkeit". .Alan brauchte gegen dieses Mode-
Schlagwort so wenig wie gegen 20 andere zu
polemisieren, wenn es nicht einen Begriff dis-
kreditierte, der seine Fruchtbarkeit neuerdings
zu entfallen begonnen hatte — — den Begriff
der Sachlichkeil.

Das, was die Maler der neuen Sachlichkeit, über
die ich hier ein Urteil gar nicht abgeben will,
charakterisiert, isl ihr Bekenntnis zur Gegen-
ständlichkeit — und nichts wäre dagegen zu
sagen, wenn sie ihre Richtung als „neue Gegen-
ständlichkeit" deklarierten. Aber es sollte doch
heule, nachdem immerhin einige Künstler von
europäischem Range ihre beste Kraft an diese
Reinigungsarbeit gesetzt haben, nicht mehr zu-
lässig sein, „Gegenständlichkeit" und „Sachlich-
keil" zu verwechseln. Diese beiden Begriffe be-
zeichnen nicht Ähnliches oder gar Gleiches, son-
dern Gegensätzliches. Gegensätzliche Kunst ist
unsachliche Kunst. Indem sie sachlicher und
sachlicher wurde, wurde die Malerei vom Gegen-
ständlichen frei, und aus ihrer Überwindung
des Unsachlich-Gegenständlichen heraus wurde
sie ganz konsequent, aktiv, überformal, über-
ästhetisch, wurde sie auf dem Wege über den
Konstruktivismus Gestaltung der Wirklichkeit.
Natürlich ist davon etwas auch auf die Gruppe
jener Maler übergegangen, die ihre Bilder als
neue Sachlichkeil etikettieren — in dem Sinne
übergegangen, als sie zu Objeklen, zu Gegen-
ständen ihrer Bilder mit Vorliebe „Sachlich-
keiten" wählen. Sie reden mit dem Pinsel von
Sachlichkeit, das heißt aber: ihr. Tun, ihre Arbeit
ist unsachlich. Endlich war die Malerei über
die Illustration, über die Literatur hinaus. Jene
gleichen gewissen Sängern des Übermutes, denen
der unvergessene Kckule von Slradonilz ihre
Heiterkeit nie glauben wollte, da sie nur immer
mit Worten versicherten: „Auf, laßt uns fröh-
lich sein". Solange sie illustriert und redet,
ist diese Malerei prinzipiell unsachlich. — Aber
die „Form" ist doch aus dem Geiste der neuen
Sachlichkeil? Verzeihung, es ist die Form des
guten alten Spitzweg, genau so romantisch und
eine äußerliche Stilisierung. Wenn man sagt,
es stecke doch der Konstruklivismus in der neuen
Sachlichkeit, so übersieh! man, daß der Kon-
struktivismus solcherart in sein genaues Gegen-
teil verkehrt wurde - in eine formale An-
gelegenheit.

Sachlichkeit isl doch ein bißchen anders, isl
der Vorstoß zur Sache selbst, bedeutet die am
leidenschaftlichsten vorwärts drängende Kraft
und ist recht eigentlich das revolutionäre Prin-
zip. Eine sachliche Malerei ist eine Malerei, die

Farben nicht benutzt, um Gegenstände, seien sie
stilisiert wie immer, aufzubauen, sondern eine
solche, die die Farbe unmittelbar zum Gegen-
stand ihrer Arbeil macht, indem sie Ordnun-
gen von Farben schafft, die das Gesetz der
Farbe erfüllen. — Aber „Abstraktion" ist doch
heute alles Eisen? Die Abstraktion ist ebenso
überwunden wie die Gleichheit des Bürgers vor
dem Richter und wie die religiöse Duldsamkeit.
Was talsächlich überwunden ist, das isl die nihi-
listische Abstraktion des Expressionismus. Aber
deren notwendige Überwindung in der Rückkehr
zur Gegenständlichkeit sehen, das ist ein erheb-
licher Irrtum auch dann, wenn man die Gegen-
stände, die gemalt werden, blank poliert, staub-
frei lackiert und hart stilisiert.
Die neue Sachlichkeit ist die alle Unsachlichkeil,
weil sie, stalt sachlich zu handeln, von der Arbeil
anderer redet. Der Weg zum gewichsten Stiefel
Anton von Werners ist nicht mehr weit.

Adolf Behne

Nochmals

Wettbewerb Hochhaus Köln

1

So«eil die Probleme des Baues allgemeine Pro-
bleme des deutschen Geistes sind, ist auch dieses
Hochhausproblem in Köln ein Problem ganz
Deutschlands. Es ist deshalb sehr gut, daß die
preußische Staatsregierung wenigstens die vom
Preisgericht ausgezeichneten Projekte nach Ber-
lin gebracht und in der Akademie der Künste
gezeigt hat.*) Es isl deshalb aber auch nötig, daß
man über das Ergebnis dieses Wettbewerbs sagt,
was man zu sagen hat, nämlich, daß es schlecht-
hin beschämend ist, vor allem in der Urteils-
findung des Preisgerichts, die in einem Proto-
koll Spuren hinterlassen hat, aus denen man
nur schließen kann, daß sie vom Grabe alles
lebendigen Bauwillens und Bauverstandes kom-
men. Somit ist allgemach eine Frage der deut-
schen Bauprobleme die Frage der Preisgerichte,
die uns daran hindern, zu den Problemen selbst
und damit auch zu ihren Lösungen zu gelangen.

II

Eine Brücke ist zweifellos für den Verkehr da.
Sie zieht ihn an und stößt ihn wieder aus.
Will man also verkehrsverständig handeln, so
halte man den Verkehrsraum, Sammelraum, Ver-
teilungsraum verkehrsklar, schau frei, d. h. man
lasse ihn unbebaut. Wer diesen Kaum bebaul.
handelt verkehrstörend in zweifacher Hinsicht.
Erstens, weil er den Raum durch den Bau ver-

*) Einen orientierenden Überblick über das Ergebnis dieses Wett-
bewerbs geben die Abbildungen der \\ ettbewerbseiilwürfe in Hefl [\,
Jahrg. io:>.ti, von „Wasmüths Monatsheften für Baukunst".

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