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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Thiele, Gerta-Elisabeth: Das Schaufenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0195

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koloristisch überlegenen Nachbarn noch immer
abhängig macht. Es wäre sehr zu begrüßen,
und es sei an dieser Stelle besonders darauf
hingewiesen, wenn den staatlichen Kunslgewerbe-
und Handwerkerschulen Kurse für Dekorations-
kunst angegliedert würden, die von Malern, Ar-
chitekten und Kunsthistorikern zu leiten wären
und deren Lehrfächer in Stilgeschichte, Archi-
tektur und Farbenlehre beständen. Für die Far-
benlehre könnte der Ostwaldsche Farbatlas als
wertvolles Unterrichtsmittel dienen, da der Kur-
sus breitesten Schichten dienen müßte. Dabei
bleibt freilich das Wort Alfred Lichtioarks in
Geltung, der in seiner „Erziehung zum Farben-
sinn'' betont, daß man Farben nicht erlernen
kann, sondern sie wie Musik in der Seele haben muß.

Die modische Konfektion steht mit den er-
lesenen Erzeugnissen der Modeindustrie in der
Schaufensterdekoralion an hervorragender Stelle.
Kleider, Mäntel, Hüte, Pelze, in Schnitt und
Verarbeitung stilsicher erfaßt, verlangen einen
künstlerischen Rahmen, um sie vollendet zur
Geltung zu bringen. Ebenso die kostbaren Ge-
webe in Seide und Wolle in ihren mannigfachen
Variationen in bezug auf Bindung, Farbe und
Musterung, wie sie das In- und Ausland in
steigender Veredelung auf den Markt bringt.
Die umstrittenste Frage des modernen Konfek-
tionsschaufensters, über die seit Jahren die Er-
örterungen zwischen Fachleuten und Künstlern
nicht zur Ruhe kommen, ist die Verwendung der
Wachspuppe im Schaufenster. Vor Jahren hatte
ein regelrechter Kampf gegen die süßlächelnde
Wachsfigurine eingesetzt — vor allem aus kunst-
gewerblichen Kreisen setzte man sich immer
wieder gegen die Abgeschmacktheit des Panop-
tikums zur Wehr, — aber allen Anfeindungen
und neuartigen Versuchen zum Trotz — die
Wachsfigur lebt, wird gekauft und lächelt, amü-
siert über ihren Sieg, aus den Schaufenstern.
Immerhin i;t in der Fabrikation von modischem
Schaufenstergerät inzwischen ein großer Fort-
schritt zu verzeichnen. Rudolf Bellina hat als
erster vor einigen Jahren mit seiner ,,Modcn-
plastik" den Auftakt zu einer Reform auf die-
dem Gebiet gegeben. Neuerdings hat der Bild-
hauer Alexander Gummitscli für die Firma Paul
Baschwitz, Berlin, eine Reihe von Dekorations-
figurinen (s. Abbildung) geschaffen. Diese Figu-
rinen entsprechen in ihrem Linienspiel der Sil-
houette der mondänen Frau von heule mit der
Grazie und der Eleganz ihrer Bewegungen. Die
weiteren Abbildungen veranschaulichen Schau-
fensterdekorationen der Finna Gustav Cords,
Berlin, die seit Jahren in der Gestallung ihrer
Auslagen Vorbildliches leistet. Rhythmisches Li-
nienspiel kennzeichnet diese Dekorationen, die
auf große Ein- und Aufbauten im Schaufenster
und auf unnötige und falsche Blickfänger ver-
zichten. Die Ware muß selbst der Blickfänger
sein; für die Darbietung der modernen Ge-
webe leisten die neuen Dekoralionsfigurinen, wie
ersichtlich, die besten Dienste.

Gewandkaryatide Entwurf: Bildhauer Gummitscli

Modell: Paul Baschwitz, Berlin

Dekorationsfigurine „Tänzerin"
Entw.: Bildhauer Gummitscli, Modell: Baschwitz, Berlin

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